Durch die Föderalismusreform wurde auch der anlagenbezogene Umgang mit wassergefährdenden Stoffen auf Bundesebene vereinheitlicht. Im August 2017 hat die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) die 16 einzelnen, bis dahin gültigen Länderverordnungen (Landes-VAwS) abgelöst. Rund 1,3 Millionen überwachungsbedürftige Anlagen in Deutschland unterliegen seitdem einheitlichen Anforderungen. Für Bestandsanlagen gibt es teilweise Übergangsregelungen. Die einheitliche Umsetzung der Verordnung bleibt Ländersache. Der Vollzug ist indes noch nicht in allen Bundesländern gewährleistet.
Das Neue steckt im Detail
Grundsätzlich bleibt der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gleich. Entgegen ihrer bisherigen Landesverordnung ergeben sich für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Berlin die wesentlichsten Änderungen. So ist die Möglichkeit entfallen, Eignungsfeststellungsverfahren durch ein Gutachten des Sachverständigen zu ersetzen. Das bedeutet unter Umständen mehr Aufwand für die Unternehmen. Neu ist für diese Bundesländer ebenfalls die Kopplung von infrastrukturellen Maßnahmen an die Wassergefährdungsklasse (WGK) der gehandhabten Stoffe. Für NRW ist zudem die Möglichkeit entfallen, bei allen Anlagen ein abgesichertes Teilrückhaltevolumen zu realisieren.
Viel wichtiger für die tägliche Praxis sind jedoch die Detailregelungen der AwSV. Sie können immer dann zu Unklarheiten führen, wenn Themen gleicher Bedeutung in den alten Landesverordnungen unterschiedlich benannt waren. Dazu kommt, dass manche Formulierungen trotz höherer Detailtiefe einigen Interpretationsspielraum offenlassen. Ein eigens eingesetzter Bund/Länder-Arbeitskreis (BLAK) der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) soll zu solchen offenen Formulierungen noch konkrete Auslegungen definieren.
Bei interpretationsbedürftigen Anforderungen bleibt die Diskussion in der LAWA und dem BLAK abzuwarten. Unklare Themen sollten an diesen Kreis weitergegeben und die entsprechende Auslegung abgewartet werden. Die Alternative ist, solche Themen in den entsprechenden Technischen Regeln näher zu erläutern – dies erfordert aber einen längeren Zeitraum für die Realisierung.
Ein Beispiel für den Interpretationsbedarf ist der Begriff der wesentlichen Änderung, der insbesondere in NRW für neue Diskussionen sorgt, da eine wesentliche Änderung neben der vom Betreiber generell akzeptierten Prüfung durch einen Sachverständigen auch die Pflicht zur Eignungsfeststellung auslöst.
Höherer Arbeitsaufwand
Zu den bewährten Regelungen ist durch die AwSV eine verpflichtende Anlagendokumentation für alle Anlagen hinzugekommen. Bislang war die Dokumentation nur für neue Anlagen oder auf Anordnung vorgesehen. Die Dokumentationspflicht nach § 43 AwSV gilt jetzt für alle Anlagen. Damit einher gehen geänderte Anforderungen an die Überwachung und Prüfung (§§ 45, 46). Die AwSV verpflichtet Betreiber, sämtliche Stoffe, mit denen in der Anlage umgegangen wird, einzustufen.
Die Verwaltungsvorschrift zur Einstufung wassergefährdender Stoffe (VwVwS) entfällt mit Einführung der AwSV. Neben den bekannten Wassergefährdungsklassen (WGK) können Stoffe auch in die neue Gruppe „allgemein wassergefährdender Stoffe (awg)“ eingestuft werden. Eine Liste mit den WGK der einzelnen bisher eingestuften Stoffe stellt das Umweltbundesamt online zur Verfügung. Anlagen, deren Gefährdungsstufe sich ändert, weil Stoffe neu eingeordnet werden, müssen erst auf behördliche Anordnung nachgerüstet werden.
Anlagen, die den zuvor geltenden Landesverordnungen entsprachen, müssen ebenfalls erst auf Anordnung nachgerüstet werden. Bei prüfpflichtigen Anlagen hält der Sachverständige Abweichungen zu den Anforderungen der AwSV im Prüfbericht fest. Dieser dient Behörden dann gegebenenfalls als Grundlage, um Anpassungen anzuordnen. Die bisherigen Prüffristen bleiben erhalten. Beim Neu- oder Umbau kann, je nach Gefährdungsstufe, eine Prüfung jedoch sofort notwendig werden. In jedem Fall gilt die Anzeigepflicht für den Neubau oder bei wesentlichen Änderungen an einer prüfpflichtigen Anlage.
Zudem sollten sich Betreiber größerer Anlagen mit den neuen Fristen für die Beseitigung von Mängeln auseinandersetzen. Bei erheblichen Mängeln ist festgelegt, dass diese „unverzüglich“ zu beheben sind – d. h. so schnell wie möglich, ohne schuldhafte Verzögerung. Geringfügige Mängel müssen nun bereits innerhalb von sechs Monaten beseitigt werden. Das kann ein zeitliches Problem gerade für die Großindustrie darstellen, wenn einzelne Mängel unterschiedliche Fristziele haben, aber sinnvollerweise in einer zusammenhängenden Instandsetzungsmaßnahme beseitigt werden sollten.
Bei den Grundsatzanforderungen (§ 17 AwSV) ist das Planen, neben der Errichtung, der Beschaffenheit und dem Betrieb, zur Erfüllung der wasserrechtlichen Anforderung, zur Erfüllung des Besorgnisgrundsatzes oder des bestmöglichen Schutzes bei Umschlaganlagen aufgenommen worden. Dies unterstreicht die Bedeutung der Planung einer Anlage, um zu einem richtigen Ausführungsergebnis zu gelangen. So wurden die wasserrechtlichen Anforderungen erweitert, weil häufig Mängel an Anlagen festgestellt wurden, die durch fachlich korrekte Planung vermeidbar gewesen wären. Für die Grundsatzanforderung der Planung werden in der Verordnung keine weiteren Vorgaben gemacht.
Mehraufwand reduzieren
Neue Anforderungen und mehr Details bedeuten auch für die Prüfer einen größeren Arbeitsaufwand. Wo Formulierungen und Auslegungen unklar sind, können zusätzliche Abstimmungsschleifen zwischen Prüfer und Zulassungsbehörde nötig werden. Die Sachverständigen sollten stets eine verhältnismäßige Auslegung der Vorschriften im Blick haben, die den tatsächlichen Anforderungen und Gegebenheiten einer Anlage gerecht wird. Die Mitarbeiter der zuständigen Behörden hingegen entscheiden eher nach den formalen Vorgaben der Verordnung. Die realen Bedingungen vor Ort sollten in gemeinsamen Gesprächen zur Lösungsfindung einfließen. Nur die Experten vor Ort können beurteilen, mit welcher Lösung die Anforderungen am sinnvollsten erfüllt werden.
Offenen Fragen bis hin zu Nachprüfungen können Betreiber mit einer gründlichen Dokumentation und Prüfungsvorbereitung vorbeugen. Das spart Zeit und Kosten. Eine korrekte Anlagendokumentation sichert auch die technischen Planer bestmöglich ab. Den zugelassenen Prüfern sollte derweil von Seiten der Behörden ein großzügiger Ermessensspielraum bei der Anwendung der Prüfkriterien eingeräumt werden, damit diese praxisnah ausgelegt werden können.
Unternehmen, die bei der Umsetzung der neuen Vorschriften auf Nummer sicher gehen wollen, sollten zunächst die relevanten Änderungen identifizieren. Dazu gehört etwa eine Bestandsaufnahme der verwendeten, wassergefährdenden Stoffe: Wie und wo werden sie eingesetzt? Sind die Gefährdungsklassen und die Aggregatzustände bekannt? Die wasserrechtlichen Anlagen sind eindeutig vom Betreiber zu definieren und klar abzugrenzen. Betreiber sollten auch die verschiedenen Prüffristen kennen und die jeweiligen Zuständigkeiten klar verteilen. Alle für die Anlagendokumentation nötigen Unterlagen müssen vollständig vorhanden sein. Eine lückenlose Dokumentation erleichtert die reibungslose Eignungsprüfung. Damit erhält der Betreiber gleichzeitig einen Beleg für den Stand der Technik. Im Schadensfall sorgt dieses Dokument für Rechtssicherheit.
Bei erheblichen Mängeln ist festgelegt, dass diese „unverzüglich“ zu beheben sind. Unverzüglich bedeutet so schnell wie möglich, ohne schuldhafte Verzögerung. D. h. witterungsbedingte Verzögerungen können durchaus längere Zeiträume verursachen.
Die Änderungen in den Fristen für die Mängelbeseitigung bedeuten für Betreiber und Behörden eine besondere Aufgabe, da sie mit einigem Aufwand verbunden sind.
Unternehmensverantwortliche wie auch Sachverständige sollten sich immer bewusst sein, dass sie ein gemeinsames Ziel verfolgen: Sicherheit für Mensch und Umwelt. TÜV Süd unterstützt die Unternehmen im Umgang mit der neuen Verordnung.
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Autor: Olaf Löwe
Technischer Leiter AwSV, TÜV Süd Chemie Service