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Wasserstoff frei Haus

Wirtschaftliche und sichere Rohrleitungsversorgung ab Werk Leuna
Wasserstoff frei Haus

Mit seinem modernen Rohrleitungsnetz in der mitteldeutschen Chemie-Region um Leuna schuf Linde die Voraussetzung, um den in einem Steamreformer großindustriell und preisgünstig erzeugten Wasserstoff wirtschaftlich, sicher und flexibel zum Großverbraucher zu bringen. Der Steamreformer wird bald Verstärkung durch eine zweite Großanlage bekommen, die Linde gegenwärtig in Leuna errichtet, und aus der vor allem die Raffinerie MIDER mit Wasserstoff versorgt werden wird.

Dipl.-Ing. (FH) Peter Kunze

Linde setzte 1994 in Leuna einen für sein langfristiges Gasegeschäft bedeutsamen Meilenstein: Nach zweijähriger Bauzeit wurde im dortigen Produktionszentrum eine der größten von Linde je errichteten Wasserstoffanlagen in Betrieb genommen. Dieser Steamreformer verfügt über eine Kapazität von bis zu 50 000 Norm-Kubikmetern (Nm3) Reinwasserstoff pro Stunde und beliefert über ein inzwischen ausgedehntes Rohrleitungsnetz unterschiedliche Großkunden in der Region Leuna-Bitterfeld. Ein Teil des Produkts wird in einer nachgeschalteten Prozeßstufe bis auf eine Qualität von 99,999% gereinigt, verdichtet und als Reinstwasserstoff per Trailer zu Kunden in ganz Deutschland geliefert.
Der Wasserstoffmarkt in der mitteldeutschen Chemie-Region entwickelte sich in den vergangenen Jahren so dynamisch, daß Linde schon jetzt seine Kapazitäten erweitern muß. Auf den Tag genau vier Jahre nach der ersten Anlage erfolgte deshalb im Mai 1996 die Grundsteinlegung für eine zweite große Wasserstoffanlage. Durch diese Investition verdoppelt das Unternehmen seine Produktionskapazität für Wasserstoff am Standort auf insgesamt etwa 100 000 Nm3/h.
Anlagenbauer, -betreiber und Wasserstofflieferant in einem
Bei beiden Anlagen erfolg(t)en Aufbau und Betrieb der Gaseversorgung komplett aus einer Hand durch Linde: Konzeption, Technik und Bau der Anlagen übernahm die Werksgruppe Verfahrenstechnik und Anlagenbau (VA), während für Betrieb, Wartung, Instandhaltung der Anlagen sowie Vertrieb/Marketing die Werksgruppe Technische Gase zuständig ist. Dieses Konzept bietet den Wasserstoff-Großkunden eine Reihe von Vorteilen:
• Da die Wasserstofferzeugung mittels Steamreforming bereits seit vielen Jahren eines der Kernarbeitsgebiete des Anlagenbaus von Linde ist, laufen im eigenen Haus neben den Betriebserfahrungen der Werksgruppe Technische Gase auch die weltweiten Erfahrungen der zahlreichen Anlagen-Kunden zusammen. Diese Know-how-„Bündelung“ trägt wesentlich zum sicheren Anlagenbetrieb und damit zu einer zuverlässigen Gaseversorgung bei.
• Alle Prozeßschritte der Wasserstofferzeugung und -reinigung basieren auf Linde-Know-how. Das Unternehmen ist somit unabhängig von Lizenzgebern.
Erd- und Synthesegas als Ausgangsstoffe
Am Standort Leuna erfolgt die Herstellung von Wasserstoff aus den Ausgangsprodukten Erdgas und Synthesegas.
Im Steamreformer wird aus Erdgas und Wasser in einem Reaktor bei hohen Temperaturen zunächst Wasserstoff, Kohlenmonoxid und -dioxid erzeugt. In einem zweiten Prozeßschritt findet die Konvertierung des Kohlenmonoxidanteils mit Dampf zu Kohlendioxid und Wasserstoff statt. Schließlich wird der Wasserstoff in einer Druckwechseladsorption von störenden Bestandteilen gereinigt. Der Reinwasserstoff wird dann zum einen an die Leuna-Werke geliefert und zum anderen in das Rohrleitungssystem in und um Leuna eingespeist.
In der zweiten Großanlage dient Synthesegas aus der Schwerölvergasung der Raffinerie MIDER als Einsatzstoff. Nach einem neuen Verfahren wird in einem Isotherm-Reaktor das darin enthaltene Kohlenmonoxid mit Wasserdampf zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgesetzt und in einer nachfolgenden Druckwechseladsorption reiner Wasserstoff abgetrennt, der als Produkt an MIDER geliefert wird. Als Restprodukt steht außerdem noch reines Kohlendioxid zur Verfügung.
Wirtschaftliche Großkundenversorgung mit eigenem Rohrleitungsnetz
Nach der Übernahme der großen Steamreformeranlage 1992 hat Linde das Rohrleitungsnetz in Leuna sowie die Verbindung nach Bitterfeld (ChemiePark) mit erheblichem Aufwand modernisiert und erweitert, um die ständig wachsende Zahl von Kunden effizient mit Wasserstoff beliefern zu können.
Das Rohrleitungsnetz für Wasserstoff umfaßt mittlerweile eine Gesamtlänge von etwa 100 km und reicht von Leuna bis Bitterfeld und Rodleben (bei Roßlau a. d. Elbe). Ein Höchstmaß an Sicherheit war bei der Installation der Fernrohrleitung oberstes Gebot. Aus diesem Grund wurden sieben Meßstationen zur Leckgasüberwachung installiert, die per Richtfunk mit einem Zentralrechner verbunden sind.
Bezieht man noch die Gase Sauerstoff und Stickstoff in die Betrachtung ein, die ebenfalls in der Region über Rohrleitung an Großkunden vor allem in der Chemie geliefert werden, dann ergibt sich eine Gesamtlänge des Linde-Rohrleitungssystems von nicht weniger als 400 km. Die Abnahmemengen der Kunden reichen je nach Einsatzfall von wenigen Nm3/h bis zu 50 000 Nm3/h.
Weitere Informationen cav-201
Welche Entwicklungstendenzen sehen Sie bei der Gaseherstellung und -versorgung und wie hat sich Linde darauf eingestellt?
Dr. Lux: Zunächst einmal die wichtigsten Fakten, mit denen wir als Marktteilnehmer konfrontiert waren und sind: Der Gasebedarf wuchs in den Industrieländern schneller als das jeweilige Bruttosozialprodukt. Ursächlich dafür war vor allem, daß viele neue Gaseanwendungen wie beispielsweise reiner Sauerstoff in der Abwasserbehandlung und Helium als Zusatz in Schweißschutzgasen erschlossen wurden. Zahlreiche Verfahren wurden weiterentwickelt, woraus der Einsatz in neuen Branchen bzw. für neue Produkte resultierte.
Die Kunden fordern heute neben der reinen Gaslieferung Service und individuelle Problemlösungen. Hinzu kommen deutlich erhöhte Reinheits- bzw. Qualitätsforderungen in verschiedenen Einsatzbereichen.
Während die Gaseversorgung früher überwiegend mit Stahlflaschen erfolgte, ging der Trend in den 70er und 80er Jahren hin zur Tankversorgung. Heute wiederum nimmt die Rohrleitungs- und On-site-Versorgung überproportional zu. Vor allem die gestiegene Leistungsfähigkeit in bezug auf Reinheit und Flexibilität der On-site-Versorgung ist die Voraussetzung hierfür. Größere Firmen, die sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren wollen, gliedern die Erzeugung von Gasen als Betriebsmittel zunehmend aus. Dies eröffnet Gasefirmen neue Chancen.
Von entscheidender Bedeutung ist auch, daß neue Gaseanbieter – überwiegend aus dem Ausland – auf den deutschen Markt drängen. Umgekehrt expandieren deutsche Gase-Unternehmen – wie auch Linde – ins Ausland auf die „Home-Märkte“ anderer Anbieter. Dies verschärft den Wettbewerb weltweit.
Bei den obengenannten Entwicklungen steht Linde mit an der Spitze. Darüber hinaus reagieren wir mit folgenden weiteren Maßnahmen auf den sich in den letzten Jahrzehnten mit immer größerer Dynamik wandelnden Markt:
Wir schaffen „kürzere Wege“, d. h. für die Kunden bei der Flaschen- und Tankversorgung ergibt sich ein leichterer und schnellerer Kontakt zu uns. Zudem haben wir unsere Luftzerlegungsanlagen und die Distributionstechnik konsequent modernisiert und ihre Wirtschaftlichkeit verbessert. Dabei nutzen wir weitestgehend die Tatsache, daß wir mit der Werksgruppe Verfahrenstechnik und Anlagenbau einen traditionsreichen Anlagenbauer in der „Linde-Familie“ haben. Das bedeutet einen beachtlichen Synergie-Effekt.
Wie stellt sich der Gase- und speziell der Wasserstoffmarkt in den neuen Bundesländern heute dar? Was erwarten Sie zukünftig?
Dr. Lux: Linde ist in den Neuen Bundesländern mit Abstand marktführend im Segment Wasserstoff und gehört dort zu den drei größten Anbietern von technischen Gasen. Insbesondere über Rohrleitungen liefert Linde sehr hohe Mengen Wasserstoff. Auf dem Markt ist kein neuer und bedeutender Wasserstoff-Verbraucher (etwa eine Raffinerie) in Sicht. Deshalb ist unseres Erachtens kein nennenswertes Wachstum bei Wasserstoff als Liefergas zu erwarten.
Der Markt für gelieferte technische Gase in den neuen Bundesländern wird dagegen schrumpfen. Dafür sehen wir folgende Gründe: Umstellung von Flaschen- auf Tankversorgung, Produktionsverlagerung in osteuropäische Niedriglohnländer, relativ geringes Wirtschaftswachstum, Optimierung von Produktionsprozessen mit entsprechend sinkendem Gaseverbrauch.
Welche wichtigen Entwicklungen gibt es bei der Linde AG im Bereich Technische Gase?
Dr. Lux: Zum einem ist hier die Ausweitung der Aktivitäten auf die Märkte Osteuropas, Asiens und nach den USA zu nennen, aber auch die Neuorganisation unseres Vertriebs. Unser zentrales Ziel ist die konsequente Verstärkung der Kundenorientierung, das heißt vor allem die optimale Bedienung eines jeden Kunden.
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