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Energieverbrauch in der Lebensmittelindustrie senken

Energiefresser aus der Produktion verbannen
Energieverbrauch in der Lebensmittelindustrie senken

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Energie ist teuer. Das hat jeder von uns seit Corona auf seiner Abrechnung bemerkt. Das gilt auch für Unternehmen. Trotzdem haben viele Hersteller immer noch zahlreiche Energiefresser installiert. Wie man seine Produktion für die Zukunft fit machen kann und an welchen Stellschrauben es zu drehen gilt, erläutert Ferhat Adivar, Industry Sales Specialist Food & Beverage ABB Motion, Deutschland, im dei-Interview.

 

Herr Adivar, wie kann man dem hohen Energieverbrauch in der Lebensmittelbranche begegnen?

Adivar: Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Nehmen wir das Beispiel Backen – mit elektrischem Heizen lässt sich hier einiges an Energie einsparen. Auch die Kombination aus verschiedenen Methoden, wie etwa mit konventionellen Gasbrennern kann den Energiebedarf
optimieren. Entscheidend sind aber zwei Faktoren: Zum einen ist die Energieeffizienz ein bedeutender Hebel, an dem man ansetzen kann. Denn wenn die Energie effizient genutzt wird, dann sinkt auch der Verbrauch. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, die an
einer Stelle entstehende Prozesswärme an anderer Stelle, wo hohe Temperaturen benötigt werden, zu nutzen. Der zweite Faktor ist die Individualisierung. Es gibt nicht die eine Lösung, die problemlos für alle Anwendungsbereiche und Umgebungen genutzt werden kann. Unsere ABB-Experten schauen deshalb immer auf das große Ganze. Es ist wichtig zu prüfen, was man ändern kann, ohne den Prozess an sich zu verändern. Dabei gehen wir tief in die Applikation und schauen, welche Hebel wir haben, um die Energieeffizienz zu steigern.

Kann man bestimmte Zweige der Lebensmittelindustrie ausmachen, die einen besonders hohen Energieverbrauch haben?

Adivar: Neben der Backwarenindustrie ist das vor allem die Fleischindustrie. Hier ist der Energieverbrauch sogar noch höher. Das liegt vor allem an dem enormen Wasserbedarf. Das Wasser muss auf verschiedene Temperaturen gebracht werden und das ist energieintensiv. Sehr viel Energie geht dabei auch durch mangelnde Regelung verloren. Automatisierungslösungen können dafür sorgen, dass Motoren stets mit optimaler Drehzahl laufen. Ist das nicht der Fall, wird viel Energie unnötig verbraucht.

Veraltete Motoren gelten allgemein als Stromfresser. Hier gibt es enormes Einsparpotenzial. Wie groß ist dieses und wie kann es gehoben werden?

Adivar: Das ist tatsächlich ein großes Problem. Motoren zeichnen sich ja durch ihre lange Lebensdauer aus und genau das wird im Sinne der Energieeffizienz zu einem Nachteil. Ich verdeutliche das Ganze mit ein paar Zahlen: Elektromotoren verbrauchen weltweit etwa 45 % des kompletten Strombedarfs. Allein in der Industrie sind aktuell mehr als 300 Millionen elektrische Antriebssysteme in Betrieb. Und nur ein kleiner Prozentsatz davon erfüllt die neuen Energieeffizienzklassen. Die anderen Motoren sind teilweise 30 bis 40 Jahre alt. Wird ein alter, ineffizienter Motor der Effizienzklasse 1 oder 2 durch einen modernen Motor ersetzt, ist das ein großer Hebel, um schnell signifikante Energieeinsparungen zu erzielen. Synchronreluktanzmotoren von ABB verfügen über die höchste Effizienzklasse IE5 und weisen im Vergleich zu IE2-Motoren bis zu 50 % geringere Energieverluste auf. Selbst bei der Modernisierung eines Motors der Effizienzklasse 4 auf IE5, kann je nach Applikation und Anwendung, über 20 % Energie eingespart werden. Rechnet man dies hoch auf eine Produktionslinie mit 100 Motoren kommen da gewaltige Summen heraus. Nicht nur was die Energie betrifft, sondern auch bei den Betriebskosten. Wir können den Kunden ausrechnen, ab wann sich die Umrüstung amortisiert hat. Je nach Anwendung, ist die Amortisationszeit kürzer als von vielen erwartet.

Viele Antriebsanwendungen in der Lebensmittelindustrie werden in Teillast betrieben. Welche Möglichkeiten bieten Sie für solche Anwendungen?

Adivar: Die größten Verluste entstehen, wenn ein Motor ohne Frequenzumrichter direkt an das Netz angeschlossen ist, also keine Regelung hat und nicht die volle Motordrehzahl benötigt wird. Dadurch läuft er immer unter Volllast, auch wenn das eigentlich gar nicht notwendig wäre. Mit Frequenzumrichtern können verschiedene Applikationen oder Prozesse so gefahren werden, dass sie nur die Leistung bekommen, die sie auch benötigen. Wenn ein spezifischer Prozess etwa nur 1500 Umdrehung benötigt, läuft ein ungeregelter Motor trotzdem mit 3000 Umdrehungen. Er verbraucht dann mehr Energie als erforderlich wäre. In vielen Betrieben ist erstmal eine Bestandsaufnahme notwendig, um herauszufinden, welche Motoren geregelt sind und welche nicht. Hier schlummert meist großes Einsparpotenzial.

Welchen Beitrag zur Reduktion des Energieverbrauches kann die Digitalisierung übernehmen?

Adivar: Die Digitalisierung kann einen erheblichen Beitrag zur Optimierung und Reduktion des Energieverbrauches leisten. Zahlreiche Produktionslinien sind bereits heute mit intelligenten Systemen ausgestattet, die Daten erfassen und analysieren. Diese Daten lassen sich sehr gut auswerten. So ist es möglich, durch die Digitalisierung und auch die Nutzung von KI-Analysen die Energieeffizienz zu erfassen und weitere Einsparpotenziale zu identifizieren. Ein anderes wichtiges Thema ist die vorausschauende Wartung, die Ausfällen vorbeugt und somit Prozesse sicherer und effizienter macht.
Der ABB Ability Smart Sensor beispielsweise ist ein Produkt, das physikalische Größen wie Temperatur, Vibration, Beschleunigungskräfte und magnetische Feldstärken direkt am Motor erfasst, um Anomalien zu erkennen und die Effizienz zu steigern. Mit diesen Daten kann man Aussagen treffen, ob ein Motor auf dem optimalen Betriebspunkt läuft oder wann eine Wartung erforderlich ist. All das spielt im weiten Feld der Energieeffizienz auch eine wichtige Rolle.

Wenn ich als Betrieb meinen CO2-Fußabdruck senken will, wie gehe ich am besten vor?

Adivar: Es ist ja nicht nur eine Frage des Wollens. Teilweise ist es ein Muss, den CO2-Fußabdruck zu verringern. Unternehmen sind angehalten, die Dekarbonisierung voranzutreiben und die entsprechenden Maßnahmen auch nachzuweisen. Andernfalls hat das wirtschaftliche Auswirkungen, da Ausschreibungen oder – und das ist insbesondere in der Lebensmittelbranche ein Thema – staatliche Subventionen und Investitionen in Zukunft noch stärker an den Stand der Dekarbonisierung gekoppelt sein werden. Wichtig ist in jedem Fall erstmal den Status Quo zu ermitteln. Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Was können wir dafür tun? Manche Unternehmen sind da schon sehr weit, andere stehen noch am Anfang. In allen Stadien unterstützen wir von ABB die Unternehmen mit unserer Expertise und unserem Know-how.

Wenn man alle Energieeffizienzmöglichkeiten, die wir besprochen haben, ausreizt, welches Level ließe sich erreichen?

Adivar: Das lässt sich pauschal nicht sagen. Es kommt sehr stark auf das Unternehmen, die Branche und die Anwendung an. Insbesondere Mittelständler tun sich jedoch bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen oft sehr schwer. Den Unternehmen fehlt es an Ressourcen und Erfahrung, um Energieeffizienz-Projekte umzusetzen. Hier helfen wir seitens ABB und arbeiten bereits mit zahlreichen Unternehmen daran, die Energieeffizienz zu steigern. Ein einfacher, erster Schritt auf dem Weg zur mehr Energieeffizienz ist unser Online-Rechner. Durch die Eingabe von Informationen zu aktuell verbauten Motoren, den Betriebsstunden und der durchschnittlichen Betriebsleistung können Kunden Energie- und Emissionseinsparungen sowie die Amortisationszeit abschätzen.

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: ABB


Das Interview führte für Sie: Dr. Bernd Rademacher

Redakteur

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