Ende dieses Jahres wird mit der neuen Fassung der Maschinenrichtlinie [1] ein wichtiger neuer Bestandteil der europäischen Gesetzgebung zur Lebensmittelhygiene in Kraft treten. Sie wird dann die bereits seit einem Jahr gültige allgemeine EU-Werkstoff-Verordnung [2] und auch die übrigen EU-Bestimmungen zur Lebensmittelhygiene, die seit April 2004 Rechtskraft haben [3], ergänzen. Welchen Einfluss haben die aktuellen Neuerungen auf die lebensmittelverarbeitende und -produzierende Industrie?
Eric Partington, Dr.-Ing. Jürgen Hofmann
Die bestehenden Regelungen zur Lebensmittelhygiene verlangen schon jetzt, dass ein Lebensmittelhersteller Vorkehrungen zur Lebensmittelsicherheit trifft, die auf den HACCP-Richtlinien basieren. Damit soll nicht nur das Risiko von Nahrungsverunreinigungen minimiert, sondern auch die Eignung der Lebensmittel für den menschlichen Verzehr sichergestellt werden. Die EU-Werkstoff-Verordnung verlangt zudem, dass Materialien, die in Berührung mit Lebensmitteln kommen, keine Bestandteile in gesundheitsgefährdenden Mengen an die Lebensmittel abgeben oder eine unvertretbare Veränderung der Lebensmittel zur Folge haben dürfen.
Neue Verantwortlichkeiten
Nach der geänderten Maschinen-Richtlinie sind jetzt Hersteller, Importeure oder Händler von Anlagen zur Lebensmittelverarbeitung direkt dafür verantwortlich, dass die verwendeten Werkstoffe und Bauweisen der verkauften Anlagen und Bauteile den jeweils anwendbaren EU-Bestimmungen entsprechen. Diese Bestimmungen sind auf alle Teile anzuwenden, die in der EU verkauft werden sollen, unabhängig davon, ob sie in der EU hergestellt wurden oder nicht. Die geänderte Maschinenrichtlinie wird ab dem 29. Dezember 2009 durchsetzbares Recht. Anders als bei vorhergehenden Änderungen gibt es keine Übergangsfrist.
Eine der wichtigsten Änderungen ist, dass die neue Maschinenrichtlinie bekräftigt, dass die Hersteller für das hygienische Design ihrer Maschinen selbst verantwortlich sind. Der Begriff „hygienisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Konstruktion und verwendete Werkstoffe so auszuwählen sind, dass sich erstens keine Verschmutzungen aufbauen können, die später zu einer Kontaminationen des Produktes führen könnten. Und zweitens, dass die Maschine so konstruiert ist, dass sie einfach gereinigt werden kann.
Darüber hinaus verlangt die neue Verordnung auch, dass der Transfer von Materialien zwischen Lieferant und Kunden dokumentiert werden muss – und zwar mindestens für eine Rückverfolgungsstufe in beide Richtungen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen nicht verarbeiteten Werkstoff oder ein Maschinenbauteil handelt. Der Grund für die Regelung: Sollten Zweifel über die Werkstoffspezifikation eines bestimmten Teils bestehen, ist es möglich zu bestimmen, von welchem Zulieferer das Rohmaterial stammt oder welcher Kunde die in Frage stehende Komponente erworben hat. Die Maschinenrichtlinie stellt außerdem höhere Anforderungen an die Werkstoffauswahl. Werkstoffe, die in Kontakt mit Lebensmitteln kommen, müssen jetzt nicht nur passend zum verarbeiteten Lebensmittel ausgewählt werden, sondern auch den Reinigungsprozeduren und den dabei eingesetzten Chemikalien widerstehen.
Welche Änderungen ergeben sich für Lebensmittelhersteller oder -verarbeiter in der praktischen Umsetzung? Zwei grundsätzliche Trends seien an dieser Stelle genannt:
- Die Kommunikation zwischen Anlagenbauer und Lebensmittelproduzent wird immer wichtiger. Nur wenn der Anlagenbauer detaillierte Informationen über die Prozessbedingungen (Temperaturen, Drücke, Verweilzeiten) und die Eigenschaften der zu verarbeitenden Lebensmittel sowie der eingesetzten Reinigungsmittel erhält, kann er die optimalen technischen Entscheidungen treffen. Das verhindert über- oder unterspezifizierte Werkstoffe, die unnötige Kosten verursachen.
- Hilfestellungen bei der Umsetzung der europäischen Bestimmungen gewinnen an Bedeutung. Denn: Die Regelungen gelten zwar für die gesamte EU, sind aber nicht für jede Anwendung detailliert genug ausgeführt. Vielmehr handelt es sich um einen rechtlichen Rahmen, in dem der Konstrukteur die passenden Maschinen entwickeln muss. Dabei sind im Spannungsfeld zwischen Werkstoffeigenschaften, Funktion der Komponente und Kosten häufig Kompromisse notwendig. Bei der Auswahl des geeigneten Werkstoffs stehen verschiedene Institutionen mit Rat und Tat zur Seite. Das Spektrum reicht hier von der EHEDG (www.ehedg.org) über die Informationsstelle Edelstahl Rostfrei (www.edelstahl-rostfrei.de) und die British Stainless Steel Association (www.bssa.org.uk) bis hin zum Nickel Institute (www.nickelinstitute.org). Wichtige Hilfestellungen geben ferner die EHEDG-Leitlinie 32, „Materials of Construction for Equipment in Contact with Food“ sowie die 24-seitige Broschüre „Stainless Steel in the Food and Beverage Industry“, die von der European Stainless Steel Association herausgegeben wurde.
Um Anlagenbauern und Lebensmittelherstellern bei der Umsetzung der EU-Bestimmungen zu helfen, bietet die EHEDG in Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Deutschland an, die Konstruktion der Komponenten und Anlagen hinsichtlich des hygienischen Designs zu überprüfen. Bestehen sie die aufwendige Prüfung, erfüllen die Komponenten und Anlagen die strengen Anforderungen des EHEDG-Richtliniendokuments Nr. 8. Letzteres erklärt u. a., wie sich Kontaminationen von Lebensmitteln durch Mikroorganismen verhindern lassen.
Wichtig: Das CE-Zeichen bietet keine Garantie für eine fachgerechte Werkstoffauswahl oder ein hygienisches Design.
Aber nicht nur die geänderten EU-Rechtsvorschriften beeinflussen das hygienische Design von Komponenten und Anlagen. Hinzu kommen beispielsweise der Wunsch der Verbraucher nach natürlichen Produkten mit wenig oder gar keinen Konservierungsstoffen und hochautomatisierte Produktionsprozesse mit deutlich weniger Personal. Das heißt: Es kommen automatische Reinigungssysteme zum Einsatz. Damit sie ordnungsgemäß und zuverlässig arbeiten können, müssen die einzelnen Reinigungsstufen korrekt spezifiziert sein. Die ausgewählten Werkstoffe müssen korrosionsfest sein und natürlich die Wartungsarmut der gesamten Komponente oder Anlage unterstützen.
Schrifttum
- 1. Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG, Amtsblatt der Europäischen Union, L 157/24, 9.6.2006
- 2. Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen und zur Aufhebung der Richtlinien 80/590/EWG und 89/109/EWG, Amtsblatt der Europäischen Union L338/4, 13.11.2004
- 3. Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene, Amtsblatt der Europäischen Union L 139/1, 30.4.2004
Online-Info www.dei.de/0809445
The Nickel Institute
Das Nickel Institute vertritt als gemeinnützige Organisation die Interessen von 24 Unternehmen, die zusammen mehr als 90 % der weltweit verfügbaren Nickelmenge produzieren. Es unterstützt die Marktentwicklung mit einem weltweiten Netzwerk hochqualifizierter Spezialisten und bietet kostenlose technische Informationen über Nickel, nickelhaltige Werkstoffe wie Edelstahl und ihre Eigenschaften und Anwendungen an. So soll die optimale Performance des Materials und seine sichere Verwendung sowie Handhabung garantiert werden. Der Hauptsitz des Nickel Institutes ist in Brüssel.
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