Der effiziente Umgang mit Energie, insbesondere bei der Drucklufterzeugung, ist ein ganz großes Thema in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Herr Henning, wo sehen Sie hier Einsparpotenziale?
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Gerson Henning: In der Branche machen die Erzeugung und Bereitstellung von Druckluft zwischen 20 und 30 % der Gesamtenergiekosten aus. Und wenn man sich dann überlegt, dass bis zu einem Drittel des industriellen Druckluftverbrauchs durch Leckagen verursacht wird, liegt auf der Hand, was zu tun ist: Leckagen minimieren. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen den optimalen Druckluftverbrauch ihrer Produktionsanlagen nicht genau kennen. Dabei ließe sich oft durch Absenkung des Drucks im Pneumatiksystem der Luftdurchsatz bei gleichbleibender Zykluszeit deutlich reduzieren. Auf diese Weise könnten Druckluftverbrauch und Kosten um bis zu 20 % gesenkt werden.
Und wie kann die Digitalisierung dabei helfen, diese Einsparpotenziale zu erschließen?
Henning: Die Digitalisierung befähigt die Anlagenbetreiber zu einer kontinuierlichen Leistungsüberwachung und Ursachenanalyse. Es wird gemessen, wie viel Druckluft in einer Anlage verbraucht und wie sie eingesetzt wird. Aus dem Verhältnis von Druck und Durchfluss lässt sich ableiten, wie die Anlage arbeitet und wo ihr optimaler Betriebspunkt liegt. Voraussetzung dafür sind Sensoren im Pneumatiksystem und Datenaggregationspunkte. Die Generierung und Aggregation von Daten ermöglicht nicht nur deskriptive und diagnostische Analysen, sondern mittels intelligenter Algorithmen auch die Vorhersage von Ereignissen und Ausfällen.
Emerson arbeitet auch an Machine-Learning-Modellen. Welchen Beitrag leisten diese bei der Optimierung von Pneumatiksystemen?
Henning: Unsere IIoT-Ingenieure haben ein auf Machine Learning basierendes Modell entwickelt, das das Verhalten eines Pneumatiksystems vorhersagt. Treten geringfügige Abweichungen vom erwarteten Verhalten auf, kann es etwaige Anomalien wie Leckagen erkennen und ihre Position innerhalb des Systems lokalisieren. Durch diese Vorhersage und die genaue Ortung haben Machine-Learning-Modelle das Potenzial, Leckagen zu verhindern und die Gesamtanlageneffizienz erheblich zu verbessern.
Wie Sie bereits erwähnt haben, bildet eine Vielzahl von Sensoren in der Anlage das Fundament für eine erfolgreiche Digitalisierung. Wie können auf Basis der gewonnenen Daten Aussagen über den aktuellen und im besten Fall auch über den zukünftigen Zustand der Maschine gewonnen werden?
Henning: Die Daten der verschiedensten Sensoren werden zusammengeführt und im Anschluss ausgewertet. Das Ergebnis sind Aussagen über den Ist-Zustand der Anlage. Geht man einen Schritt weiter und unterzieht die Messdaten einer tiefergehenden Analyse unter Zuhilfenahme von überwachten und unüberwachten Machine-Learning-Algorithmen, gelangt man zu prädiktiven Aussagen über das Anlagenverhalten.
Welche Daten werden mithilfe der Sensoren erfasst?
Henning: Das Spektrum reicht von Druck, Durchfluss und Temperatur bis hin zur Geschwindigkeit von Stellantrieben.
Wenn wir das bisher gesagte auf die Pneumatik anwenden, kommen wir direkt zur intelligenten Pneumatik. Herr Henning, was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Henning: Intelligente Pneumatik ist ein Werkzeug, mit dem Anlagenbetreiber die Leistungsfähigkeit ihres Pneumatiksystems analysieren und optimieren können. Sie ist ein wesentlicher Hebel bei der Digitalisierung der Produktionsprozesse in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie.
Welche Rolle spielt IO-Link bei der praktischen Umsetzung der intelligenten Pneumatik?
Henning: Eine sehr große, da IO-Link ebenso wie OPC-UA und MQTT eine tiefergehende Datenanalyse ermöglichen. IO-Link wird überwiegend im Bereich der Sensorkommunikation eingesetzt. Diese Technologie bietet drei große Vorteile: Sie lässt sich kostengünstig integrieren, ist unabhängig von übergeordneten Feldbussystemen und sie kann mehr als nur einen simplen Sensorwert übertragen. Ein simples Beispiel wäre ein Temperatursensor, der nicht nur die Temperatur, sondern auch direkt eine Aussage über diesen Wert an den Benutzer liefert. Das alles ist in Hinblick auf die intelligente Sensorik, in der verschiedene Sensortechnologien kombiniert werden, sehr hilfreich. Außerdem bietet IO-Link die Möglichkeit einer sehr zuverlässigen drahtlosen Kommunikation.
Emerson hat verschiedene Komponenten im Produktprogramm, die bei der Realisierung von intelligenten Pneumatik-Konzepten unterstützen. Beginnen wir mit dem Aventics AF2. Was ist das für eine Komponente?
Henning: Die Aventics-Serie AF2 besteht aus Durchflusssensoren, die den Luftverbrauch in Pneumatikanlagen überwachen und so das schnelle Eingreifen bei Leckagen ermöglichen. Die Geräte helfen dabei, den Energieverbrauch zu optimieren, Maschinenausfälle zu vermeiden und Kosten zu senken. Die intelligenten Sensoren erfassen kontinuierlich den Gesamtdurchfluss, Druck und die Mediumtemperatur. Außerdem speichern sie die erfassten Daten, die als Minimal-, Maximal und Durchschnittswert ausgegeben werden können. Außerdem verfügen die AF2-Geräte über eine OPC-UA- und MQTT-Schnittstelle. Über diese lassen sie sich einfach mit übergeordneten Systemen oder mit Edge Gateways verbinden.
Bietet Emerson auch eigene Edge Gateways an?
Henning: Ja. Wir haben sie mit unterschiedlicher Rechnerleistung im Programm.
Welche Aufgaben übernehmen diese Geräte bei der Digitalisierung von Pneumatiksystemen?
Henning: Mit Edge Gateways lassen sich Daten von Anlagenkomponenten erfassen, auf lokaler Werksebene analysieren und die Leistung mit den Konstruktionsparametern vergleichen. Dies geschieht, ohne die Informationen an die Maschinensteuerung oder die Cloud zu senden. Deuten die Sensordaten darauf hin, dass eine Maschine außerhalb der Zielbereiche arbeitet, sendet das Edge-Gerät Warnmeldungen an die zuständigen Personen. Nur die Ausreißerdaten werden an die zentrale Steuerung oder die Cloud weitergeleitet. Emerson bietet seinen Kunden eine eine große Auswahl von Edge-Geräte an, mit denen er unterschiedliche Anwendungsanforderung abdecken kann – von einfachen bis sehr komplexen Systemen. Wichtig ist: Die Verbindung von Sensoren an pneumatischen Komponenten mit einem Edge Gateway ermöglicht erhebliche Verbesserungen bei Wartung und Sicherheit sowie beim Energieverbrauch.
Das heißt also, man nutzt die Edge Gateways zum Aufzeichnen und zur Auswertung der erfassten Daten?
Henning: Richtig. Darüber hinaus senden sie die Daten an übergeordnete Systeme oder in die Cloud.
Für die Digitalisierung von Prozessen bietet Emerson das digitale Ökosystem Plantweb an. Herr Kulikov, bitte beschreiben Sie in wenigen Worten Zweck und Aufbau von Plantweb.
Viacheslav Kulikov: Plantweb ist ein integriertes Portfolio von Produkten und Lösungen für die digitale Transformation. Es umfasst Lösungen für Sensoren und die sichere Feldkommunikation ebenso wie diverse Softwareplattformen wie zum Beispiel Plantweb Optics. Hinzu kommen Dienste wie Datenmanagement und Datenanalytik. Letztendlich ist Plantweb nichts anderes als die praktische Umsetzung von Industrie 4.0 im Bereich der Prozessautomatisierung. Allerdings beschäftigt sich die klassische Prozessautomatisierung vor allem mit der Prozessführung. Im Unterschied dazu konzentrieren sich die Lösungen im Plantweb-Ökosystem auf die Erfassung, Bereitstellung und Analyse von Daten, die selbst nicht kritisch für den Prozess sind. Dazu zählen beispielsweise Maschinenvibration, Fouling oder Korrosion.
Ein Teil von Plantweb ist die Plattform Plantweb Optics. Was ist das für eine Plattform und wozu dient sie?
Kulikov: Diese Plattform ist eine Schlüsselkomponente der Softwareebene von Plantweb. Sie fasst Daten aus verschiedenen Quellen und Systemen zusammen und kontextualisiert sie. Des Weiteren stellt sie Instrumente zur Datenanalyse zur Verfügung. Plantweb Optics ist damit ein wichtiges Instrument bei der Verbesserung der Anlageneffizienz und der Predictive Maintenance.
Ein Instrument zur Datenanalyse ist die Software Plantweb Optics Analytics. Wozu wird sie benötigt?
Kulikov: Plantweb Optics Analytics ist eine leistungsstarke Analysesoftware für das industrielle Internet der Dinge (IIoT), die Betriebsdaten erfasst und interpretiert. Sie liefert in Echtzeit Einblicke in den Maschinen- und Anlagenzustand sowie die Betriebsperformance. Plantweb Optics Analytics nutzt künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, um Zuverlässigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu verbessern und gleichzeitig die Produktionsprozesse zu optimieren. Durch den Zusammenschluss mit Aspen Tech konnten wir unser Portfolio beispielsweise um das Asset-Performance-Tool MTell oder Hysys, eine Software zur Simulation von Prozessen, erweitern.
Neben Plantweb Optics Analytics gibt es auch noch das Tool Plantweb Optics Asset Performance. Wie unterscheiden sich beide?
Kulikov: Plantweb Optics Asset Performance ist kein Softwareprodukt, sondern ein Konzept. Es beschreibt Ansätze, wie der Zustand einer Anlage oder Anlagenkomponente beobachtet, analysiert und verbessert werden kann. Diese Ansätze können zum Beispiel mithilfe von Plantweb Optics oder modernen Technologien wie Augmented Reality umgesetzt werden.
Emerson Automation Solutions, Aventics GmbH, Laatzen
Das Interview führte für Sie: Lukas Lehmann
Redakteur V.i.S.d.P.
„Intelligente Pneumatik ist ein Werkzeug, mit dem Anlagenbetreiber die Leistungsfähigkeit ihres Pneumatiksystems analysieren und optimieren können.“