Laut einer EU-Verordnung müssen Lebensmittel seit 2005 über sämtliche Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen zurückverfolgt werden können – Radio Frequency Identification (RFID) macht es möglich. Viele Lebensmittelproduzenten haben RFID zudem als Lösung entdeckt, um die Logistik der Lieferkette zu vereinfachen und gleichzeitig mehr Transparenz zu erreichen. Die Funketiketten erhöhen somit nicht nur die Produktsicherheit und -qualität, sondern auch den Verbraucherschutz.
Volker Klaas
Waren entlang der gesamten Beschaffungskette zurückverfolgen, Qualität konstant sicherstellen und Logistiksysteme optimieren: Das kann die Nahrungs- und Genussmittelindustrie durch den Einsatz von RFID-Technologie erreichen. Und tatsächlich stellt der an den Waren und Gütern befestigte Transponder eine lückenlose Überwachung der Transportkette vom Erzeuger bis ins Supermarktregal sicher. In Echtzeit gibt die Funktechnologie Auskunft über den exakten Standort und die Wege der Ware bis hin zu eventuellen Unterbrechungen in der Kühlkette. Erkenntnisse über Frische und Haltbarkeit der Produkte sind damit garantiert. Dementsprechend liegt das Augenmerk sowohl auf Seiten der Hersteller als auch der Anwender auf dem praktischen Nutzen und der Wirtschaftlichkeit der Funktechnologie. Je nach Branche, müssen die Abläufe entsprechend den individuellen Anforderungen angepasst werden. Nach einer aktuellen Studie (2006) des Marktanalysten IDC sahen 71 % der Unternehmen die Optimierung ihrer Logistik als einen Antriebsfaktor dafür, sich mit dem Einsatz von RFID in ihrer Firma auseinander zu setzen. Als weitere Beweggründe gaben die Befragten die Optimierung des Wareneingangs und -ausgangs, Kundenanforderungen, eine bessere Kontrolle der Geschäftsprozesse sowie schnellere Durchlaufzeiten an.
Sinkende Kosten ebnen den Weg
Neben Sicherheitsbedenken konnten die RFID-Hersteller jüngst auch einige Vorbehalte ausräumen, die sich auf die Kosten für Einführung und Betrieb beziehen. Mit der wachsenden Verbreitung und Neuentwicklungen sinken die Preise für Chips und Lesegeräte stetig, so dass das Item-Level-Tagging, also das Bestücken einzelner Produkte mit einem Tag, für weniger hochwertige Waren durchaus in greifbare Nähe rückt. So sollen bald UHF Gen2-Transponder für zirka 20 Cent auf den Markt kommen.
Für günstige Massenware wie einzelne Jogurtbecher ist dieser Preis allerdings immer noch zu hoch. Den Weg zu RFID ebnen hier bedruckbare Tags auf Polymerbasis, mit denen sich langfristig ein Preis von einem Cent pro Tag realisieren lässt. Sie sind nicht nur preiswert und dünn, sondern auch überall verfügbar, flexibel und wegwerfbar. Solche druckbaren Etiketten entwickelt die Firma PolyIC, ein 2003 gegründetes Joint Venture von Siemens und dem Prägefolienhersteller Leonhard Kurz. Seit 2007 produziert das Unternehmen gedruckte Schaltungen für 13-MHz-Tags in hohen Stückzahlen.
Auch wenn sich der momentane Tag-Preis für günstige Massenwaren derzeit noch nicht rechnet, bewerten Analysten Investitionen in die RFID-Technologie in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie positiv, insbesondere im Handel und im Logistikbereich. Die Datamonitor-Studie „German RFID investment outlook for all verticals“ belegt dies. So wurden beispielsweise 2004 auf dem deutschen Logistiksektor 26,3 Mio. US-Dollar in RFID-Technologie investiert. Bis 2011 soll sich diese Summe auf 81,9 Mio. US-Dollar verdreifachen. Das deutsche Bundeswirtschaftsministerium blickt ebenfalls optimistisch in die Zukunft und erwartet für das Jahr 2010 eine RFID-beeinflusste Bruttowertschöpfung von etwa 62 Mrd. Euro – ein Anstieg von 59 Mrd. Euro im Vergleich zum Jahr 2004.
Die Vorteile einer RFID- gestützten Warenlogistik
Das Beispiel der spanischen Grupo Leche Pascual zeigt, dass sich Investitionen in RFID-Technologie auszahlen. 2005 gingen in dem Unternehmen 300 Transportwagen mit einem Gesamtwert von 21 000 Euro verloren. Ab dem Zeitpunkt der Einführung des gemeinsam mit Siemens-Experten entwickelten RFID-Systems Mitte des Jahres 2006 konnte jeder seither verschwundene Wagen wieder aufgefunden werden. Das neue System sorgte damit für erhebliche Einsparungen.
Mit dem Einsatz der Funk-Chips verfolgt das auf Milch- und Eierprodukte sowie auf Säfte und Tierfutter spezialisierte Unternehmen ein weiteres Ziel: Den Weg der Eier von der Farm bis zur Endverarbeitung in der Fabrik lückenlos und in Echtzeit zurückzuverfolgen. Dafür werden die Eier aus jeweils einer Halle der Farm mit Transpondern sowie die Transportfahrzeuge mit drei RFID-Leseantennen und einem MicroBox-PC ausgestattet. Damit ist es möglich, beim Beladen den Bestand automatisch festzustellen. Via GPRS oder SMS überträgt das System dann die relevanten Daten bezüglich Halle, Farm, Produktion, Lagerbestand, Lkw und Fahrtroute vorab an die Fabrik. Eine effektivere Produktionsplanung sowie die Vermeidung von Stillstandszeiten sind die Folge. Für den Qualitätsnachweis speichert das System zudem während des Transports Informationen zu Temperatur, möglichen Stopps oder dem Öffnen der Türen. Beim Eintreffen des jeweiligen Lkws in der Fabrik erfolgt ein Abgleich sämtlicher Daten, die Lieferung wird gewogen und alle Informationen werden zur Weiterbearbeitung an ein SAP-System übertragen. Die Funkkontrolle spart außerdem pro Arbeitsschritt acht bis zehn Sekunden und damit Kosten. Und: Durch die vollautomatische Kontrolle sowie Datenspeicherung lassen sich die strengen EU-Normen einfach umsetzen.
Auch Unilever, das auf Konsumgüter spezialisierte Unternehmen mit Hauptsitz in Rotterdam und London, setzt in seinem Werk im italienischen Latina RFID-Chips ein. Um die Abläufe zwischen Produktion und Lager besser überwachen zu können, entwickelte das Unternehmen gemeinsam mit Siemens folgende Lösung: Die Paletten mit (halb-)fertigen Tiefkühlprodukten wie Eis und Pizza werden mit Tags ausgestattet und mit dem für die Steuerung der Produktion und Auftragsverwaltung zuständigen SAP-System verbunden. Damit kann Unilever jederzeit den Standort der Ware, deren Standzeit und Verarbeitungsstatus sowie die Temperatur überprüfen. Dieses Kontrollsystem sichert die Qualität der Produkte aus dem Segment „Ice Cream and Frozen Food“ und senkt aufgrund der nun möglichen vollautomatischen Vorgänge zudem die Kosten in der Produktion.
In der Molkereibranche wird man aus Kostengründen in absehbarer Zeit keine einzelnen Milchtüten oder Jogurt-Becher mit RFID-Tags ausstatten. Durch die Funktechnologie optimieren Unternehmen dennoch wichtige Teilprozesse in diesem Bereich. Dazu gehören beispielsweise die Warenannahme von Hilfs- und Zusatzstoffen wie Verpackungen oder Fruchtbehälter. Werden der Milch in der Mischerei Zusatzstoffe beigefügt oder bei der Abfüllung und Verpackung Hilfsstoffe mit den Produkten zusammengeführt, kommt ebenfalls die RFID-Technologie ins Spiel. Schließlich steuert die Funkkontrolle auch in der Molkereibranche die Kommissionierung und den Warenausgang.
Keine gläsernen Kunden
Neben den wirtschaftlichen Vorteilen der Funk-Chips spricht das Thema Verbraucherschutz ebenfalls für den Einsatz von RFID. Ist doch der Kunde durch die exakte Datenerfassung besser über Herkunft, Haltbarkeitsdatum, Preis oder Gewicht der Ware informiert – und weiß letztendlich genau, was auf seinem Teller landet. Dass RFID den Verbraucher zum gläsernen Kunden macht, ist jedoch unwahrscheinlich. Zahlreiche Sicherheitsmechanismen – angefangen von der Verschlüsselung bis hin zur kompletten Deaktivierung der Chips – sorgen für den entsprechenden Datenschutz.
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