Frau Siemer, was macht PEF zu einer schonenden Konservierungsmethode, beispielsweise für Fruchtsäfte oder Smoothies?
Hohe Ableitfähigkeit, sehr gute Fließfähigkeit, niedrige Viskosität – und jetzt mit FDA-Zulassung: RAMPF Advanced Polymers hat sein leistungsstarkes...
Dr. Claudia Siemer: Klassischerweise werden Säfte durch thermische Pasteurisation haltbar gemacht. Das heißt, das Lebensmittel wird mehrere Sekunden lang einer Temperatur von 60 bis 90 °C ausgesetzt. Beim PEF-Verfahren wird das Produkt dagegen wenige Millisekunden lang Hochspannungspulsen ausgesetzt. Da die elektrischen Pulse nicht auf die Inhaltsstoffe wirken, hat der Saft nach der PEF-Behandlung eine sehr hohe Qualität. Er schmeckt sehr frisch. Auch wertgebende Bestandteile wie Vitamin C und Farbstoffe bleiben erhalten. Grüne Gemüse-Smoothies sehen nach einer thermischen Behandlung zum Beispiel oft etwas braun aus. Nach einer Behandlung mit gepulsten elektrischen Feldern ist das nicht der Fall. Man kann durch PEF also ein mikrobiologisch sicheres Produkt herstellen, ohne die Qualität maßgeblich zu beeinflussen.
Wie werden Mikroorganismen durch gepulste elektrische Felder abgetötet?
Dr. Siemer: Sie müssen sich das so vorstellen: Das Produkt und damit der Mikroorganismus befindet sich zwischen zwei Elektroden. Der Mikroorganismus hat eine äußere Membran als Schutzschicht, die aus Phospholipiden besteht. Phospholipide sind Isolatoren, das heißt sie leiten den elektrischen Strom nicht. Die Zelle besitzt eine natürliche Ladung, das sogenannte Transmembranpotenzial. Wird der Mikroorganismus elektrischem Strom ausgesetzt, kommt es zu einer Ionenwanderung. Die Ionen sammeln sich an der Membran, sodass Druck aufgebaut wird und gleichzeitig steigt das Transmembranpotenzial. Irgendwann kann die Zelle dem Druck nicht mehr standhalten, die Membran bricht auf und es werden Poren induziert. Dieses Prinzip nennt man Elektroporation. Die Zellmembran wird quasi durchlöchert, dadurch läuft die Zelle aus und wird inaktiviert.
Welche elektrische Feldstärke ist für die Abtötung von Mikroorganismen in Lebensmitteln notwendig?
Dr. Siemer: Die elektrische Feldstärke ist neben dem Energieeintrag der Hauptparameter der PEF-Technologie. Die elektrische Feldstärke muss den kritischen Wert von 10 kV/cm überschreiten, damit Poren in der Membran induziert und die Zellen irreversibel geschädigt werden.
Vor der PEF-Behandlung müssen die Produkte auf 30 bis 40 °C vorgewärmt werden. Warum?
Dr. Siemer: Durch die Vorerwärmung wird die Zellmembran empfindlicher für die PEF-Behandlung, das heißt, man braucht weniger Energie, um die Mikroorganismen zu inaktiveren.
Um wie viele log-Stufen werden Mikroorganismen durch die PEF-Behandlung inaktiviert?
Dr. Siemer: Eine Studie hat ergeben, dass E.-Coli-Bakterien in Orangensaft durch die PEF-Behandlung um 5 log-Stufen inaktiviert werden. Dieser Wert wird auch von den Behören vorgegeben. PEF ist also eine sichere Methode zur Haltbarmachung von Lebensmitteln.
Gibt es einen Unterschied zwischen der Wirkung der elektrischen Felder auf Hefen und ihrer Wirkung auf Bakterien?
Dr. Siemer: Ja. Hefen sind viel größer als Bakterien und je größer die Zelle ist, desto einfacher lässt sie sich durch PEF inaktivieren. Das heißt, für die Abtötung von Hefen ist eine geringere Energiemenge notwendig als für die Inaktivierung von Bakterien.
In Fruchtsäften sind oft sporenbildende Bakterien ein Problem. Kann das PEF-Verfahren auch Sporen abtöten?
Dr. Siemer: Ja, PEF kann sowohl vegetative Bakterien auch Sporen inaktivieren. Um Sporen abzutöten, muss die PEF-Behandlung allerdings an eine Temperaturerhöhung auf ca. 100 °C gekoppelt sein. Diese Temperatur ist aber viel geringer als die Temperatur bei einer Sterilisation, die meist zur Abtötung von Sporen genutzt wird.
Welche Haltbarkeiten können durch PEF erzielt werden?
Dr. Siemer: Die Haltbarkeit kann der Anwender durch die Parameter Feldstärke und Energieeintrag selbst definieren. Die Feldstärke gibt an, wie hoch die Spannung des elektrischen Puls ist. Die Energiemenge hängt von der Spannung und der Anzahl der Pulse ab. Je mehr Energie man in das Produkt einbringt, desto länger ist die Haltbarkeit, die sich durch die PEF-Behandlung erzielen lässt. Typischerweise wollen unsere Kunden bei Säften eine Haltbarkeit von drei Monaten bei einer Lagerung bei 4 °C erreichen.
In der Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist Nachhaltigkeit seit einigen Jahren ein sehr wichtiges Thema. Inwiefern lassen sich durch das PEF-Verfahren Energieeinsparungen im Vergleich zur Pasteurisierung erzielen?
Dr. Siemer: Das Produkt wird, wie gesagt, vor der PEF-Behandlung auf 30 bis 40 °C gewärmt. Durch den Energieeintrag bei der Behandlung kommt es zu einer zusätzlichen Erwärmung auf 50 bis 60 °C für wenige Millisekunden. Wird diese Temperaturerhöhung genutzt, um das Produkt vorzuwärmen, muss nur die elektrische Energie in das System eingetragen werden. Die Wärmerückgewinnung macht den Prozess also nachhaltiger.
Welche Produktgruppen eignen sich für die Haltbarmachung mit gepulsten elektrischen Feldern neben Säften und Smoothies noch?
Dr. Siemer: Generell kann man mit der Technologie alle Produkte behandeln, die pumpfähig sind, neben Säften und Smoothies zum Beispiel auch Milch und Suppen. Die Produkte können auch stückig sein oder Pulpe enthalten.
Kommen wir zu Ihren Anlagen. Zur Haltbarmachung von flüssigen Lebensmitteln haben Sie die PEF-Advantage-Pipe-Reihe im Sortiment. Wie sind die Anlagen dieser Baureihe aufgebaut?
Dr. Siemer: Die Anlagen bestehen aus zwei Hauptkomponenten, einem Generator, der die Hochspannungspulse erzeugt, und einer Behandlungszelle. In die Behandlungszelle sind zwei Elektroden eingebaut, die von einem Isolator getrennt sind. Die Behandlungszelle wiederum ist in einem Rohr installiert. Durch das Rohr wird das Produkt gepumpt und dort den elektrischen Pulsen ausgesetzt.
Kann man eine PEF-Anlage in eine bestehende Produktlinie installieren?
Dr. Siemer: Ja. Letztlich handelt es sich nur um einen Behandlungsschrank mit einem Anschluss für den Produkteingang und einem für den Produktausgang. Er lässt sich ganz einfach installieren.
Wie hoch sind die Behandlungskapazitäten Ihrer Anlagen?
Dr. Siemer: Wir klassifizieren unsere Anlagen in PEF-Advantage-Pipe 10, 100 und 1000. Die 1000er-Anlage ist die größte, sie hat eine Kapazität von 5000 l/Stunde. Wir planen aber, eine noch größere Anlage zu entwickeln, denn für die Behandlung von Orangensaft sind teilweise größere Kapazitäten notwendig.
Welche Anwendungsbeispiele für die PEF-Behandlung zur Haltbarmachung von Lebensmitteln gibt es in Europa?
Dr. Siemer: Es gibt einen Saftproduzenten in den Niederlanden und einen Saftproduzten in England, die Anlagen von uns installiert haben. Mir deutschen Unternehmen führen wir zwar regelmäßig Versuche in unserem Technikum durch, aber bisher haben wir in Deutschland noch keine Anlage installiert.
In der Pommes-Frites- und Chips-Industrie wird das PEF-Verfahren schon seit Jahren eingesetzt, um das Schnittbild der Kartoffeln zu verbessern. Zur Haltbarmachung von Lebensmitteln hat es sich bisher aber noch nicht durchgesetzt. Warum?
Dr. Siemer: Zum einen liegt das daran, dass das PEF-Verfahren bei der Haltbarmachung von Lebensmitteln der sicherheitsbestimmende Schritt ist. Bei der Kartoffelverarbeitung ist es dagegen nur ein Prozessschritt, der sich zwar auf die Ausbeute und die Produktqualität, nicht aber auf die Sicherheit des Produkts auswirkt. Dementsprechend muss man auf viel mehr achten, wenn man PEF zur Haltbarmachung einsetzt. Zum anderen ist das Verfahren noch nicht von der FDA zugelassen. Die FDA-Zulassung spielt nicht nur in den USA, sondern überall auf der Welt eine wichtige Rolle. An dieser Zulassung arbeiten wir gerade und haben dafür auch schon die ersten Tests gefahren.
Ist in der EU eine Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung erforderlich?
Dr. Siemer: Aus unserer Sicht fallen mit dem PEF-Verfahren behandelte Lebensmittel nicht unter die Novel-Food-Verordnung. Nach dieser Verordnung ist ein Lebensmittel ein Novel Food, wenn es durch eine Technologie in irgendeiner Art und Weise verändert wird, zum Beispiel physikalisch oder sensorisch. Und das ist bei der PEF-Behandlung nicht der Fall. Es entstehen keine neuen Eigenschaften, sondern das Produkt bleibt so wie es ist. Aber wir empfehlen unseren Kunden trotzdem immer, das Produkt zu kennzeichnen.
Wie sollte es gekennzeichnet werden?
Dr. Siemer: Man kann es zum Beispiel als „neuartig haltbar gemacht“ kennzeichnen. Das Wort „elektrisch“ sollte man für die Kennzeichnung nicht verwenden, da es ein negatives Image hat. Die Verbraucher wissen nicht, was sich hinter „gepulsten elektrischen Feldern“ verbirgt. Die geringe Bekanntheit in der Öffentlichkeit ist auch ein Schwachpunkt der Technologie. Deshalb müssen wir Öffentlichkeitsarbeit leisten, um die Technologie voranzutreiben.
Wann werden Ihrer Einschätzung nach die ersten deutschen Hersteller das PEF-Verfahren zur Haltbarmachung von Lebensmitteln nutzen?
Dr. Siemer: Ich hoffe, noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres. Die FDA-Zulassung wird auch die Attraktivität des Verfahrens für europäische Unternehmen maßgeblich beeinflussen.
An welchen neuen Anwendungsfeldern für das PEF-Verfahren forschen Sie im Moment?
Dr. Siemer: In unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung sind wir ständig auf der sind nach neuen Anwendungsfeldern. Zum Beispiel kann der blauen Farbstoff aus der Spirulina-Alge schonend durch PEF gewonnen werden. Die Algen werden mit gepulsten elektrischen Feldern aufgeschlossen, sodass sich der Farbstoff leicht extrahieren lässt. Ein weiteres neues Anwendungsgebiet ist die Biotechnologie. Hier geht es darum, Mikroorganismen durch die PEF-Behandlung nicht zu inaktivieren, sondern zu stimulieren, damit sie zum Beispiel schneller wachsen oder bestimmte Stoffe bilden.
Suchwort: PEF-Verfahren
Das Interview führte für Sie: Claudia Bär
Redakteurin