Brauereien war es schon immer ein besonderes Anliegen, die Frische ihrer Biere zu sichern. Gilt es doch, den Sauerstoffgehalt beim Füllen der Flaschen zu minimieren, da Luft das Bier vorzeitig altern lässt. Bitburger setzte hier 1973 als eine der ersten Brauereien ein Sauerstoffmessgerät ein. Vier Jahre später folgte zur besseren Kontrolle des Gärungsverlaufs und zur Analyse der Aromastoffe der erste Gas-Chromatograph. Das Beispiel zeigt: Auch vor 50 Jahren wurde in den Unternehmen der Lebensmittelindustrie bereits darum gerungen, wie sich Qualität und Sicherheit der Produkte gewährleisten lassen. In den darauffolgenden Jahren revolutionierten die stetigen Fortschritte in der Flüssig- und Gas-Chromatographie die Qualitätssicherung, etwa durch Kapillarsäulen mit hoher Trennleistung und Empfindlichkeit. Parallel dazu entwickelte sich die rechtliche Regulierung auf EU-Ebene immer weiter. Insbesondere in den Bereichen Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz sind aktuelle Nachweis- und Herkunftsanalysen nur mit modernsten Verfahren der Lebensmittelanalytik und neuartigen molekularbiologischen Methoden möglich.
Pixel für Pixel zum Detail
Der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (high performance liquid chromatography, HPLC) stehen dafür heute so viele verschiedene Trennmaterialien wie noch nie zur Verfügung: Von Phasen mit extrem kleinen Partikeln für die UHPLC (ultra high performance liquid chromatography), über spezialisierte Trennphasen für eine einzige Anwendung, bis hin zu Mixed-Bett-Phasen sind viele Materialien vorhanden, mit denen sich fast jede Methode auf den Stand der Technik bringen lässt, zum Beispiel mit Applikationspaketen zur einfachen Analyse von Zuckern und wasserlöslichen Vitaminen oder Aminosäuren. Dank der Kopplung chromatischer und massenspektrometrischer Verfahren gelang es, in immer neuere Dimensionen der Spurenanalytik vorzudringen. Erst durch die Kombination von HPLC mit der Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS) konnte die EU für Acrylamid Richtwerte veröffentlichen und im November 2017 Minimierungsmaßnahmen für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln festlegen.
Eine historisch noch recht junge Weiterentwicklung in der Massenspektrometrie ist die bildgebende Massenspektrometrie (MS Imaging). Sie kombiniert die gewonnene Information über Moleküle mit räumlicher Information: Indem ein Laser eine Probenoberfläche abrastert und Pixel für Pixel immer eine andere Stelle auf der Probe bestrahlt, kann für jeden Punkt, den der Laser getroffen hat, ein Massenspektrum aufgenommen werden. Forschenden der Universität Bayreuth ist es damit gelungen, Natamycin in Milchprodukten sichtbar zu machen. Hintergrund: Um Käselaibe vor Schimmelpilzbefall zu schützen, werden ihre Oberflächen häufig mit dem Fungizid behandelt. Eine EU-Verordnung setzt dafür einen Grenzwert von 1 mg/dm2 fest und schreibt überdies vor, dass Natamycin nicht tiefer als 5 mm in einen behandelten Käselaib eindringen darf. Mit den bisher üblichen lebensmittelanalytischen Verfahren lässt sich dies allerdings nicht im Detail beschreiben.
Nachweis von Natamycin in Gouda
Ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Römpp hat mithilfe der MS-Bildgebung erstmals zeigen können, wo und in welchen Mengen das Fungizid in verschiedenen Goudasorten vorkommt. Das Eindringen der Natamycin-Moleküle lässt sich von der Rinde bis ins Innere des Käselaibs verfolgen. „Aufbauend auf diesem neu entwickelten Ansatz der MS-Bildgebung lässt sich in Zukunft die Exposition der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber Konservierungsstoffen möglicherweise verringern“, sagt Römpp, der in Bayreuth den Lehrstuhl für Bio- und Lebensmittelanalytik innehat. Das Verfahren macht auch geringe Mengen von Acrylamid in Lebkuchen sichtbar. „Die MS-Bildgebung ermöglicht nicht nur die Lokalisierung von Inhaltsstoffen, sondern hilft zum Beispiel bei Untersuchungen von ‚Klebefleisch‘ oder Hydrolysat-Zugaben, die eine höhere Qualität vortäuschen sollen, wenn sie auf den Verpackungen nicht deklariert werden. Sie könnte daher nützlich sein, um Verbrauchertäuschung in Fleischprodukten aufzuspüren und die Konsumentinnen und Konsumenten auch in dieser Hinsicht besser zu schützen“, ist sich Römpp sicher.
Methoden gegen Food Fraud
Ein Blick in die Geschichte der Lebensmittelfälschung zeigt: Bereits vor hundert Jahren wurde Zucker mit Mehl gestreckt oder Milch abgerahmt und mit Wasser verdünnt. Heute wird in verschiedenen Abschnitten der Produktionskette gefälscht, beispielsweise bei der Angabe des verwendeten Rohstoffes, der Angabe der exakten regionalen Herkunft sowie bei der Unterscheidung aus nachhaltigem oder konventionellem Anbau. Werden dann noch teure Rohstoffe verwendet, die zwingend außerhalb der EU eingekauft werden müssen, wie Gewürze, Tee, Kakao, Kaffee oder Nüsse, steigt der Preis des Endproduktes – und damit das Potenzial für Lebensmittelbetrug, auch als Food Fraud bezeichnet. Hypothesenfreie, sogenannte non-targeted Profiling-Methoden erfahren deshalb seit einigen Jahren mehr und mehr Aufmerksamkeit in der Lebensmittelanalytik. Es sind vor allem die Kopplung chromatographischer und spektrometrischer Analysen sowie Next-Generation-Sequencing-Verfahren, die heute zu Cutting-Edge-Technologien zählen.
Ein Experte auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. Markus Fischer von der Hamburg School of Food Science. Der Wissenschaftler vergleicht im Grunde molekulare, nanoskalige Fingerabdrücke der Stoffe und Prozesse in Lebensmitteln mit bekannten Referenzen. „Bereits kleine Unterschiede können ausreichen, um Rückschlüsse auf die Art, die Herkunft oder die Bearbeitung zu erlangen“, erklärt er. In den Vordergrund rücken dabei die Omics-Technologien, die beim Lebensmittel auf das „Ganze“ gehen. Sie liefern ein hochaufgelöstes Bild der Probe mit maximalem Informationsgehalt. Dazu zählen die Untersuchung sämtlicher Gene (Genomics), Proteine (Proteomics), Metabolite (Metabolomics) oder Elemente beziehungsweise Isotopenverhältnisse (Isotopolomics).
Welche Rolle derartige Verfahren künftig für die Verbraucher spielen, zeigte sich auf dem diesjährigen Lebensmittelchemikertag, der im September an der Universität Hamburg zum fünfzigsten Mal stattfand. Vor Ort präsentierte Prof. Dr. Stefan Wittke von der Hochschule Bremerhaven eine Methode, um maschinell abgetrenntes Hühnerfleisch (Separatorenfleisch) in Wurst nachzuweisen. Mit seinem Team entwickelte er eine targeted-LC-MS/MS-Analyse, mit der sich schon geringe Mengen bandscheiben- und knorpelspezifische Proteine aus dem Huhn nachweisen lassen. Diese gelangen bei der Verwendung von Separatorenfleisch unvermeidlich in die Wurst. Aufgrund ihrer hohen Leistungsfähigkeit dürften sich derartige Fingerprinting-Methoden in der Routineanalytik weiter durchsetzen, auch wenn derzeit noch einige Harmonisierungs- und Standardisierungsprozesse erforderlich sind.
Suchwort: Lebensmittelanalytik