„Wir arbeiten bereits heute an den Lösungen für morgen“, das sagte Hans-Joachim Boekstegers, geschäftsführender Direktor und CEO von Multivac, mit Blick auf Industrie 4.0. Weitere Themen des Interviews mit dei sind die Linienkompetenz des Unternehmens und seine Rolle als Systemintegrator.
Herr Boekstegers, der Ausbau der Linienkompetenz steht bei Multivac im Fokus. Werden Sie auf der Interpack neue Lösungen zur Gestaltung der Peripherie von Verpackungsmaschinen präsentieren?
Hans-Joachim Boekstegers: Ja. Wir bieten sowohl in vor- als auch nachgelagerten Prozessschritten des Verpackungsprozesses ein umfassendes Portfolio an Systemen, die das Zu- und Abführen, das Kennzeichnen, die Qualitätsinspektion und die Umverpackung betreffen. Zum Beispiel zeigen wir in Düsseldorf zwei alternative Beladesysteme für Aufschnittware für unsere Tiefziehverpackungsmaschine R 235. Sowohl der Horizontal-Loader als auch ein Pick-and-Place-Roboter tragen dazu bei, die empfindliche Ware mit hoher Leistung sicher und hygienisch vom Slicer in die Tiefziehkavitäten zu übergeben.
Welche Maschinen lassen sich mit dem Horizontal-Loader ausstatten?
Boekstegers: Alle Tiefziehverpackungsmaschinen von Multivac. Durch eine platzsparende Einlaufkonstruktion kann das Einlegeband des Slicers horizontal auf Höhe der Folienebene platziert und die Länge der kompletten Maschine deutlich reduziert werden, weil keine zusätzlichen Transportbänder notwendig sind. Dieses Konzept ermöglicht ein sehr viel präziseres und produktschonenderes Beladen der Tiefziehverpackungsmaschine mit Aufschnittware. Ein weiterer Aspekt: Die Beladung erfolgt insgesamt effizienter und vor allem hygienischer, da weniger Produkte manuell nachjustiert werden müssen. Auch für das Beladen der Packungen mit Backwaren, Quiches oder Pizzen ist der Horizontal-Loader eine geeignete Lösung.
Welche Vorteile zeichnen die Pick-and-Place-Roboter aus?
Boekstegers: Entsprechend der Größe des zur Verfügung stehenden Arbeitsraumes, der benötigten Funktionalitäten wie zum Beispiel dem Orientieren von Produkten oder Ausschleusen fehlerhafter Packungen sowie der gewünschten Leistung lassen sich die Handhabungsmodule individuell mit Zwei-, Drei- oder Vierachsrobotern und passenden Greifersystemen ausstatten. So sind sie für variierende Produkte, Packungsformate, Gewichte und Taktzeiten flexibel einsetzbar.
Sind auch Komponenten anderer Anlagenbauer in Multivac-Verpackungslinien integrierbar?
Boekstegers: Natürlich. Grundsätzlich können wir Komponenten aller namhaften Hersteller in unsere Verpackungslinien einbinden. Außerdem laufen bei unseren Kunden bereits Linienmodule, die weiter genutzt werden sollen. Oder der Kunde wünscht sich die Integration einer Komponente eines bestimmten Herstellers, mit der er bereits gute Erfahrungen gemacht hat. Das stellt für uns kein Problem dar. Grundsätzlich stimmen wir Slicer, Schneidsysteme für Frischfleisch, Wölfe oder Füller gleich welchen Anbieters perfekt auf die individuellen Anforderungen und die eingesetzte Verpackungsmaschine ab, sodass sich auch anspruchsvolle Produkte wie Aufschnitt, Gehacktes, Würstchen oder Steaks sicher in die Verpackungen einbringen lassen.
Anfang dieses Jahres informierten Sie über die strategische Partnerschaft mit der TVI Entwicklung und Produktion GmbH. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dieser Beteiligung und welche Auswirkungen hat sie für Ihre Kunden?
Boekstegers: TVI ist ein hochinnovatives Unternehmen und führend auf dem Gebiet der Fleischportioniermaschinen und kompletter Portionierlinien. Durch unsere Beteiligung an TVI können wir künftig komplette Produktionslinien aus einer Hand anbieten. Ein besonderer Schwerpunkt unserer gemeinsamen Arbeit wird dabei sein, die Integration und Verkettung der TVI-Produkte und der Verpackungsmaschinen von Multivac hin zu Linien mit größtmöglicher Automatisierung, höherer Effizienz und Verfügbarkeit voranzutreiben. Kunden profitieren in hohem Maß von der gebündelten Kompetenz beider Unternehmen.
Wie stellen Sie als Maschinenhersteller die Steuerung aller Linienmodule sicher?
Boekstegers: Mit übergeordneter Rezeptverwaltung, Remote-Terminals, Steuerungsintegration und Parameter-Download bietet unser Steuerungssystem unterschiedliche Funktionalitäten, die für unsere Kunden einen echten Mehrwert bedeuten. Dadurch gestaltet sich das Bedienen von automatisierten, auch komplexen Linien deutlich einfacher. Die Integration aller Module in eine zentrale Steuerung reduziert die Komplexität, steigert die Bediensicherheit und sorgt für einen effizienten Verpackungsprozess. Auch bei wiederkehrenden Produktionsaufträgen können die entsprechenden Konfigurationen automatisch an die einzelnen Linienkomponenten übergeben werden, sodass sich die Interaktionen zwischen Mensch und Maschine und damit die möglichen Fehlerquellen auf ein Minimum reduzieren.
Die optimale Vernetzung von Produkten, Maschinen und Prozessen in der Smart Factory und ihre nahtlose Integration in übergeordnete ERP- und MES-Systeme sind wichtige Faktoren für ein hohes Maß an Prozesssicherheit und Transparenz entlang der gesamten logistischen Kette. Revolutioniert Industrie 4.0 die Lebensmittelbranche?
Boekstegers: Industrie 4.0 ist auch in der Lebensmittelindustrie ein Zukunftsthema – eine Revolution ist sie aber nicht.
Warum?
Boekstegers: Weil viele Ideen, die Industrie 4.0 für sich beansprucht, in der Lebensmittelverarbeitung längst Realität sind, beispielsweise automatisierte Kommissioniersysteme, der Einsatz von Robotertechnologie oder die Verbindung von Top- und Shop-Floor durch ERP- und MES-Systeme. Allerdings wird in Zukunft alles noch ein wenig vernetzter, effizienter und transparenter sein. Wo heute die Anlagen in der Industrie noch zentral gesteuert werden, sollen zukünftig Maschinen, Anlagen und Produkte selbständig miteinander kommunizieren. Vor allem bei Linienprojekten, die Module verschiedener Hersteller umfassen, beobachten wir eine besondere Innovationsdynamik. Dort fließt das Wissen aus verschiedenen Fachgebieten zusammen, beispielsweise bei der Entwicklung von Schnittstellen, die für eine nahtlose und sichere Kommunikation der unterschiedlichen Softwaresysteme mit den verschiedenen Linienkomponenten verantwortlich sind.
Sieht sich Multivac mit einer zunehmenden Nachfrage nach Systemlösungen konfrontiert?
Boekstegers: In der Tat beobachten wir ein steigendes Interesse an Automatisierungs- und Systemlösungen. Schon heute müssen lebensmittelverarbeitende Unternehmen zum Beispiel die eindeutige Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte durch die gesamte Prozesskette sicherstellen. Dies gelingt nur durch die intelligente Integration der Verpackungslinie inklusive einer übergeordneten Steuerung aller Linienmodule in die firmeninternen IT-Strukturen und durch die reibungslose Vernetzung bzw. den Datenaustausch der Systeme – über die Echtzeitverfolgung von Einzelverpackungen bis hin zur Verknüpfung einer ganzen Produktionshalle.
Halle 5, Stand E23
www.prozesstechnik-online.de Suchwort: dei0517multivac
„Industrie 4.0 ist auch in der Lebensmittelindustrie ein Zukunftsthema – eine Revolution ist sie aber nicht.“
Vera Sebastian
Freie Journalistin
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