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Die Erzeugerorganisation Reichenau-Gemüse verpackt seit der Erntesaison 2019 ihre Tomaten und Äpfel in Pappschalen ohne Folie und damit ohne jeglichen Kunststoff. Ein S-förmiger Sichtschlitz erlaubt den freien Blick aufs Produkt.
Entwickelt wurde diese umweltschonende Verpackungslösung von Michael Baur. Sein Unternehmen in Gammertingen am Südrand der Schwäbischen Alb ist Entwicklungsdienstleister für den Sondermaschinenbau. Es bringt mehr als 30 Jahre branchenübergreifende Erfahrung mit. Dabei kommen häufig Robotik und automatische Identifizierungstechnik zur Anwendung, um die Maschinen kompakt, funktionell und effizient zu gestalten. Dieses Ziel wurde auch bei der Maschine für die folienlose Verpackung von Tomaten und Äpfeln erreicht.
Ausgangspunkt war der Wunsch eines Herstellers von Wellpappe, auf das übliche Flowpacken und damit auf den Einsatz von Kunststofffolie zu verzichten. Das Unternehmen startete eine Ausschreibung für einen Ideenwettbewerb, den Michael Baur für sich entscheiden konnte.
Kleben ohne Druck aufs Produkt
Im nächsten Schritt bauten Michael Baur und sein Team einen Prototyp der frisch konstruierten Maschine. Zu den besonderen Herausforderungen gehörte es dabei, die bedruckte Verpackung nach dem manuellen Befüllen mit Strauchtomaten auf der Oberseite zu verkleben: „Die Verklebung muss haltbar sein“, erklärt Bauer. „Beim Klebevorgang kann man aber nicht gegenhalten und darf natürlich auch keinen Druck auf die empfindlichen Tomaten ausüben.“ Durch eine intelligente Detailkonstruktion konnte diese Herausforderung gemeistert werden. Die Klebepunkte werden mit einer Heißleimstation aufgebracht, es sind aber ebenso andere Verfahren wie Versiegelung denkbar. Auch eine Station zum Drucken und Etikettieren ist in die Anlage integriert.
Zahlreiche Formatverstellungen
Bei der Entwicklung der Verpackungsmaschine wurde größter Wert auf Flexibilität und einfache Bedienung gelegt. Das zeigt sich u. a. an den zahlreichen halbautomatischen Formatverstellungen. Hier verwendet Baur die schmiermittelfreien Drylin-SLW-Linearmodule aus dem Igus-Konstruktionsbaukasten. In ihnen ist ein verwindungssteifes Aluminiumdoppelwellenprofil mit einem Trapezgewinde kombiniert. Der Schlitten fährt auf Drylin-Gleitfolien mit inkorporierter Schmierung – eine in der Lebensmittelverarbeitung und -verpackung weitverbreitete Lösung, weil keine externe Schmierung erforderlich ist und somit eine Produktkontamination vermieden wird.
Verschieden lange Lineareinheiten
Baur verwendet Lineareinheiten der Baureihe Drylin SLW 1040 in verschiedenen Längen mit Handrad, Positionsanzeige und Spindelklemmung. Sie ermöglichen es dem Bedienpersonal, die Verpackungsanlage schnell auf andere Packungsgrößen und -formate umzustellen. Nicht nur mit den Igus-Lineareinheiten, auch mit der Zusammenarbeit ist Baur sehr zufrieden: „Igus hat uns in der Entwicklungsphase des Prototyps mit einer schnellen Belieferung von Kleinmengen und persönlicher Beratung unterstützt.“ Positiv bewertete er auch den Umgang von Igus mit den CAD-Daten seiner Antriebskomponenten. Sie sind für die Kunden frei und einfach zugänglich.
Die Verpackungsanlage ist modular aufgebaut. Sie kann sowohl stand alone als auch als Teil einer kompletten Linie betrieben werden. Zur kompakten Konstruktion gehört auch der Synchronantrieb der Falt- und Positioniereinheiten für beide Seiten der Schachtel. Er wird mit einer Flexwelle realisiert: Das ist viel einfacher als eine elektronische Kopplung. Alle Vorschübe bewegen sich synchron zur Bandgeschwindigkeit.
Erster Anwender schnell gefunden
Da viele Erzeuger auf umweltfreundliche Verpackungen umstellen möchten, war der erste Anwender schnell gefunden: die Reichenau-Gemüse e G.
Die Geschäftsführung des Gemüseerzeugers war auf Anhieb von der Verpackungsmaschine überzeugt und installierte sie auf der Bodenseeinsel. Der Prototyp erreicht pro Minute eine Leistung von 60 Wellpappschachteln mit einem Fassungsvermögen von 250 g Strauchtomaten. Das hohe Tempo ist erforderlich, weil die Tomaten, sobald sie reif sind, verpackt werden müssen. Nur so erreichen sie als Frischware die Verbraucher.
Mit dem ersten Praxisbetrieb waren sowohl die Entscheider als auch die Maschinenbediener vollkommen zufrieden: Die Anlage erfüllt alle einschlägigen Anforderungen. Dass sie nach den Probeläufen nochmals in Gammertingen optimiert wurde, hat mit dem Perfektionsanspruch des schwäbischen Tüftlers zu tun. „Im Winter reifen keine Tomaten. Deshalb nutzen wir die Zeit, um kleinere Verbesserungsarbeiten vorzunehmen, beispielsweise die Optimierung der Position der beiden Klebepunkte“, erläutert Baur. Pünktlich zum Start der Tomaten-Saison 2020 ging die Maschine dann bei Reichenau-Gemüse in den Dauerbetrieb.
Weiterentwicklung der Maschine
Aktuell beschäftigt sich Baur mit der Weiterentwicklung der Grundkonstruktion: „Im Einlinienbetrieb sind bis zu 70 Faltschachteln pro Minute realistisch. Bei höheren Leistungsanforderungen würden wir zwei parallele Verpackungslinien über ein gemeinsames Zuführband beschicken.“
Außerdem laufen Versuche mit Schachteln, die vier oder sechs Äpfel aufnehmen können. Sie sind größer und für höhere Gewichte geeignet. Unabhängig davon wird die Verpackung, die ebenfalls keine Kunststofffolie benötigt, an der Oberseite ohne Druckstellen verschlossen.
Igus GmbH, Köln