Rotkäppchen und Mumm – das sind zwei Marken, die in Deutschland jeder kennt. Seit 1984 steht die Marke mit der namensgebenden roten Kappe für Sekt aus Freyburg im Weinbaugebiet Saale-Unstrut. 2002 übernahm der ostdeutsche Schaumweinhersteller, inzwischen bundesweit Marktführer, die Marken Mumm und MM, deren Sekt bei Matheus Müller in Eltville im Rheingau hergestellt wird.
Dass hinter diesen zwei traditionsreichen Namen jedoch eine ganze Reihe weiterer Marken mit einer Vielzahl an Produkten steht, ist längst nicht jedem bekannt. Hierzu zählen weitere Schaumweine wie Jules Mumm oder Geldermann, Spirituosen der Marken Chantré, Mariacron, Nordhäuser oder Eckes Edelkirsch und Weine wie Blanchet – Produkte, die in etlichen Varianten an sieben Standorten in Deutschland und einem in Italien produziert, abgefüllt und verpackt werden.
Große Vielfalt auf kleinem Raum
Entsprechend groß ist die Vielfalt an Umverpackungen, eine besondere Herausforderung für die Produktion. „Bisher haben wir für jedes Format eine eigene Verpackungsmaschine gebraucht“, erklärt Lars Grebe, Leiter Schaumwein im Competence Center Önologie bei Rotkäppchen-Mumm in Eltville. Hier werden Mumm und MM Extra sowie Rotkäppchen-Fruchtsecco in 0,75-Liter-Flaschen sowie in der Piccolo-Größe von 200 ml abgefüllt. „Unser Standort liegt mitten in einem Wohngebiet und wird vom Rhein begrenzt. Da gibt es keine Expansionsmöglichkeiten“, stellt Grebe fest. „Angesichts des geringen Platzes, der uns zur Verfügung steht, ist eine effiziente Raumausnutzung das oberste Gebot.“
Eine Verpackungsmaschine für alles
Dieses Prinzip leitete Rotkäppchen-Mumm auf seiner Suche nach einem Spezialisten, der den Bereich der Verpackung leistungsfähiger und flexibler für die wachsenden Anforderungen von Marketing und Markt gestalten konnte. Nach einer langen Orientierungs- und Planungsphase ging der Zuschlag an KHS. Dank der Kooperation mit Schubert, dem Crailsheimer Experten für Kartonagenverpackungen, war der Dortmunder Systemanbieter als einziger Bieter in der Lage, die Mammutaufgabe mit nur einer Maschine zu bewältigen.
Die im September 2018 installierte Anlage umfasst 13 Teilmaschinen und misst stolze 33 m Länge. Das ist zwar alles andere als klein, aber die kombinierte Packlösung Innopack TLM punktet mit Leistung, Qualität und Anpassungsfähigkeit gleich mehrfach. „Bei unseren 1er- und 2er-Geschenkverpackungen haben wir die Anlagenleistung gegenüber unserem bisherigen Standard verdoppelt und können jetzt bis zu 33 000 Flaschen pro Stunde einpacken“, berichtet Grebe, der die Maschine bisher im Zweischichtbetrieb einsetzt.
Dabei ist Geschwindigkeit nicht alles, wie er betont: „Während ein 24er-Versandkarton auch schon mal etwas verzeiht, haben wir bei den Geschenkverpackungen einen hundertprozentigen Qualitätsanspruch – da gibt es praktisch keinen Spielraum.“ Schließlich sollen die Beschenkten sich auch auf das Auspacken freuen, denn das Auge genieße bekanntlich mit.
Für die Zukunft gerüstet
Am wichtigsten aber war Grebe und seinen Kollegen die Flexibilität der neuen Maschine. Standen bei Auftragserteilung bereits neun Verpackungsformate im Pflichtenheft, kamen noch während der Inbetriebnahme weitere dazu – heute fertigt die Maschine elf verschiedene Kartonagen. Und damit ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: „Ich bin überzeugt, dass wir mit der neuen Technologie auch für zukünftige Anforderungen des Handels gewappnet sind“, sagt Grebe. „Perspektivisch gehört zum Beispiel die Verpackung von 0,75-Liter-Weinflaschen dazu, aber auch neue Gebindegrößen wie 3er- oder 5er-Packs.“ Ein bedeutender Aspekt der Flexibilität ist außerdem, dass die Maschine so konzipiert wurde, dass nur wenige Formatumstellungen erforderlich sind und die Werkzeuge sich vergleichsweise schnell wechseln lassen. „Wir stellen höchstens viermal pro Woche um. Je nachdem, ob wir einen harten Wechsel etwa von Fruchtsecco zu Sekt machen, bei dem wir mehrere Transmodulplatten ändern müssen, oder ob wir nur die Köpfe am KHS-Setzpacker tauschen, dauert das insgesamt nur 30 bis 90 Minuten“, erklärt Grebe.
Roboter im Einsatz
Um sich die Komplexität der Aufgabe zu vergegenwärtigen, lohnt ein Blick auf die einzelnen Arbeitsschritte, die in der Maschine zum Beispiel beim Verpacken von Einzelflaschen in Geschenkverpackungen und Versandkartons erfolgen. Dabei sind insgesamt zehn der 13 Teilmaschinen im Einsatz: In den ersten beiden werden pro Minute bis zu 550 Pappzuschnitte aus den Magazinen entnommen. Roboter greifen die in Reihe liegenden Einzelpackungen, richten sie auf und legen sie auf einem Transmodul ab, das für die weiteren Prozessschritte durch die Maschine gleitet. Die Laschen werden beleimt, bevor in der nächsten Teilmaschine die Unterseite verschlossen, die Geschenkverpackungen senkrecht gestellt und in Zweierreihen auf einer weiteren Transmodulstrecke abgesetzt werden. An der nächsten Station werden die Flaschen durch den KHS-Setzpacker Innopack PPZ aufgenommen und vorsichtig in die oben offenen Geschenkpackungen abgesetzt. Anschließend wird auch die Oberseite der Kartons verschlossen und diese für die nachfolgende Versandverpackung auf eines von zwei weiteren Transmodulen vorgruppiert.
Patentierte Transmodule
Der letzte Teil des Verpackungsprozesses gilt dem Versand: Genau wie bei den Einzelverpackungen werden auch für die Umkartons Zuschnitte aus den Magazinen entstapelt, aufgerichtet, beleimt und auf einer eigenen Transmodulstrecke abgestellt. In der vorletzten Teilmaschine werden die fertig verschlossenen Geschenkpackungen zu vier mal sechs Produkten in die Umkartons gehoben – bis zu 23-mal pro Minute. In der letzten Station schließlich wird auch der Versandkarton auf der Oberseite verschlossen.
Verbindendes Element zwischen den Teilmaschinen sind die patentierten Transmodule von Schubert. Dank induktiver Energieversorgung und der Übertragung von Daten und Signalen mittels Funk können sie sich auf ihrer Schiene ohne Schnittstellen durch die gesamte Anlage hin und her bewegen. Die weitgehende Reduzierung der mechanischen Teile sorgt dabei für maximale Verfügbarkeit und höchstmögliche Effizienz.
Dass die Planung, Installation und Inbetriebnahme einer so komplexen Maschine eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten darstellt, kann man sich vorstellen. „Das Zeitfenster für die Installation war sehr sportlich“, erinnert sich Max Schwaiger, bei KHS zuständig für den Product Support Packaging. „Dank guten Projektmanagements konnten wir die Termine halten. Das war nicht selbstverständlich, denn die im Prozess wachsende Vielzahl der Formate sorgte für eine gewisse Komplexität.“ Aufgrund der räumlich engen Verhältnisse am finalen Aufstellort in Eltville musste die Anlage komplett demontiert und liegend eingebracht werden. Zusätzlich wurde mit Hilfe einer 3D-Simulation millimetergenau geplant, welchen Platz die Maschinensäule des Setzpackers während des Aufrichtens benötigt. Dank der Präzisionsarbeit musste die Rasterdecke nur hier geöffnet und ausgespart bleiben.
Anlage überzeugt auch Bediener
Von der Zusammenarbeit zwischen KHS und Schubert ist Lars Grebe regelrecht begeistert: „Das ist wirklich ein starkes Team. Alleine wären wir nie auf Schubert und deren Transmodule gekommen, weil wir damit ganz andere Branchen verbinden – von Pharma bis hin zu Süßwaren. Erst in Verbindung mit der Expertise von KHS im Getränkebereich und speziell im Handling von Flaschen wurde für uns eine perfekte Lösung daraus.“ Maßgeblich zum Gelingen hat für Rotkäppchen-Mumm auch die Tatsache beigetragen, dass es durch die Projektführung durch KHS nur einen Ansprechpartner gab.
Überzeugt hat die neue Technik inzwischen auch die Bediener der Anlage: „Natürlich entwickeln die Kollegen über die Jahre eine Art emotionale Verbindung zu ihren alten Maschinen, die sich schon mal mit einem Hammerschlag wieder in die Spur bringen lassen. Aber die ganze Funktion und Ästhetik der neuen Maschine ist so faszinierend und überzeugend, dass die anfängliche Skepsis längst echter Begeisterung gewichen ist“, erklärt Grebe.
KHS GmbH, Dortmund