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Hygienic Design – Begriffserklärung

Konstruktive Gestaltungsprinzipien
Hygienic Design – Begriffserklärung

Vor dem Hintergrund der Lebensmittelsicherheit und Produkthaftung gewinnt der Begriff Hygienic Design stetig an Bedeutung. Technische Arbeitsmittel, dazu zählen Maschinen, Anlagen und Komponenten, die in der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt werden, müssen nach dem Hygienic Design konstruiert und gebaut sein. Doch was steckt hinter diesem Begriff?

Udo Baitinger

Hygienic Design ist der Überbegriff für konstruktive Gestaltungsprinzipien, die das Ziel haben, Schwachstellen zu vermeiden, die hygienebezogene Gefährdungen begünstigen können. Letztere können biologische, chemische und physikalische Ursachen haben. Zentraler Punkt des Hygienic Designs ist die Reinigbarkeit. Es muss sichergestellt werden, dass sich Verschmutzungen nicht festsetzen können bzw. sich leicht von den Oberflächen technischer Arbeitsmittel entfernen lassen. Nur so lässt sich auf Dauer ein hygienisch einwandfreier Zustand gewährleisten.
Gemäß DIN EN 1672-2 lassen sich technische Arbeitsmittel in drei Hygienebereiche mit unterschiedlichem Produktkontakt einteilen:
  • Lebensmittelbereich
  • Spritzbereich
  • Nicht-Lebensmittelbereich
Zum Lebensmittelbereich zählen alle Oberflächen mit direktem Lebensmittelkontakt sowie solche, von denen aus das Lebensmittel durch Ablaufen, Tropfen, Ausströmen oder Auslaufen zurück in den Produktstrom gelangen kann. Zum Spritzbereich gehören Oberflächen mit direktem Lebensmittelkontakt, allerdings kann das Produkt nicht mehr zurück in den Produktstrom wandern. Alle anderen Oberflächenwerden dem zum Nicht-Lebensmittelbereich zugeordnet. Die hygienischen Anforderungen an die Ausführung des Lebensmittel- und Spritzbereichs sind hoch und prinzipiell gleich, weil es in beiden Bereichen zu einem Produktkontakt kommt. Im Spritzbereich sind die hygienischen Anforderungen weniger streng, vorausgesetzt es kommt zu keiner nachteiligen Beeinflussung.
Das Hygienic Design einer Anlage hängt aber auch vom Prozess ab, der in ihr abläuft. Wird das Produkt beispielsweise in der Anlage gekocht, kann man unter Umständen davon ausgehen, dass schädliche Mikroorganismen abgetötet werden. Das heißt, an die hygienische Gestaltung dieser Anlage sind andere Anforderungen zu stellen als an ein technisches Arbeitsmittel für die Produktion und Verarbeitung von Frischprodukten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sensibilität des Lebensmittels. Dahinter steckt die Tatsache, dass von Maschinen selbst keine hygienischen Gefährdungen ausgehen können. Diese entstehen erst durch einen Kontakt mit den Lebensmitteln oder Getränken. Somit ist die Sensibilität des Lebensmittels ein entscheidender Faktor.
Bei der Umsetzung der Hygieneanforderungen sollte auch der Stand der Technik und die wirtschaftliche Machbarkeit berücksichtigt werden. Das heißt: Es ist zwischen dem abzuwägen, was idealerweise möglich wäre, und dem, was erforderlich und technisch umsetzbar ist bzw. was sich in der Praxis bewährt hat.
Gesetzliche Grundlage
Gesetzliche Grundlage für das Hygienic Design ist das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG), speziell dessen 9. Verordnung, die die europäische Maschinenrichtlinie (98/37/EG) in nationales Recht umsetzt. Anhang I enthält unter Punkt 2.1 Hygieneanforderungen an Nahrungsmittelmaschinen. Sie beziehen sich auf die Materialien, Reinigbarkeit, Flächen, Verbindungen, die Ableitung von Flüssigkeiten, Kontamination, Betriebsstoffe und die Betriebsanleitung.
Präzisiert werden diese grundlegenden Anforderungen durch die Norm DIN EN 1672-2 „Nahrungsmittelmaschinen – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze – Teil 2: Hygieneanforderungen“. Es handelt sich hierbei um die zentrale europäische Norm in Bezug auf die hygienische Gestaltung von Nahrungsmittelmaschinen. Sie behandelt folgende Punkte:
  • Konstruktionswerkstoffe und Oberflächen
  • feste und lösbare Verbindungen
  • Abfluss von Flüssigkeiten/Entleerung der Maschine
  • innere Ecken und Winkel
  • Toträume
  • Lager, Wellendurchgänge und Dichtungen
  • Eindringen von außen in die Maschine
  • Schmierstoffe
  • Betriebsanleitung
Die zum Einsatz kommenden Konstruktionswerkstoffe müssen haltbar, reinigungsfähig und – wenn erforderlich – desinfizierbar sein. Die Oberflächen dürfen keine Defekte wie Löcher, Falten, Brüche, Risse oder Spalten aufweisen. Es ist ferner sicherzustellen, dass es während der Lebensdauer des technischen Arbeitsmittels nicht zu einer Rissbildung kommt. Gleiches gilt für Absplittern oder Abrieb. Generell müssen die Oberflächen im Lebensmittel- und Spritzbereich so beschaffen sein, dass keine Substanzen eindringen können. Sie müssen glatt (durchgehend oder versiegelt), korrosionsbeständig, nicht toxisch und nicht absorbierend sein und dürfen keine Gerüche, Farb- oder Geschmacksstoffe übertragen.
In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ab wann eine Oberfläche ausreichend glatt ist. In der Literatur taucht hierzu immer wieder die Definition über die Oberflächenrauigkeit auf. Als Richtwert dient hier in der Regel ein Rauigkeitswert Ra # 0,8 µm. Wichtig ist, dass man sich bei der Beurteilung einer Oberfläche nicht allein auf diesen Richtwert beschränken sollte, da er definitions- und ermittlungsbedingt seine Schwächen hat. So ist beispielsweise von kugelgestrahlten Oberflächen im Lebensmittelbereich bekannt, dass sie – trotz eines akzeptablen Ra-Wertes – eine schuppige Oberflächenstruktur haben, die die Einnistung von Mikroorganismen begünstigt. Dagegen sind entsprechend bearbeitete Oberflächen mit weitaus höheren Ra-Werten durchaus noch akzeptabel und reinigbar.
Feste Verbindungen im Lebensmittelbereich müssen durchgängig versiegelt und hygienisch einwandfrei sein, vorzugsweise lückenlos geschweißt oder geklebt. Lösbare Verbindungselemente, beispielsweise Schrauben, Bolzen, Nieten, sollten, wenn möglich, im Lebensmittelbereich vermieden werden. Kann auf Schraubverbindungen nicht verzichtet werden, ist sicherzustellen, dass die Schraubenköpfe reinigbar sind. Das bedeutet, dass Torx- und Sechskantinnenköpfe sowie offene Gewindeenden im Lebensmittel- und Spritzbereich aus hygienischer Sicht nicht akzeptabel sind. Die Oberflächen technischer Arbeitsmittel im Lebensmittel- und Spritzbereich müssen so beschaffen sein, dass Flüssigkeiten ungehindert und von selbst nach außen abfließen können. In der Regel wird dies bei Flüssigkeiten mit wasserähnlichen Eigenschaften durch ein Gefälle mit einem Winkel von mindestens 3° erreicht. Höhere Neigungswinkel verbessern diesen Effekt.
Innere Ecken und Winkel sind so auszuformen, dass sie wirksam reinigbar und desinfizierbar sind. Erreichen lässt sich das beispielsweise durch Ausrundungen, die im Lebensmittelbereich einen Radius r $ 3 mm haben.
Ideale Nistplätze für Mikroorganismen sind Toträume jeglicher Art. Diese sind im Sinne des Hygienic Designs in allen Bereichen zu vermeiden. Sehr komplex ist die Situation bei Lagern, Wellendurchgängen und Dichtungen. So sollten sich alle Lager außerhalb des Lebensmittelbereiches befinden. Ist dies aus technischen Gründen nicht möglich, sind sie schmierungsfrei oder selbstschmierend (produktgeschmiert) auszuführen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die eingesetzten Schmierstoffe. Sie müssen für den jeweiligen Anwendungszweck geeignet sein und dürfen das Produkt nicht nachteilig beeinflussen.
Dichtungen müssen zur Lebensmittelseite hin dicht abschließen. Die Gestaltung der Dichtungskonstruktion muss derart ausgeführt sein, dass eine definierte Pressung gewährleistet wird.
Unabhängig vom Hygienic Design wird es in technischen Arbeitsmitteln für die Nahrungsmittelindustrie immer Bereiche geben, die nicht leicht reinigbar sind. Diese erfordern vom Betreiber eine besondere Aufmerksamkeit und müssen in der Betriebsanleitung mit entsprechenden Hinweisen zur Beherrschung der Gefährdungen aufgenommen und beschrieben sein.
Hygiene-Risikobeurteilung
Hygienische Gefährdungen sind grundsätzlich auszuschalten oder die mit ihnen verbundenen Risiken zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, schreibt die Maschinenrichtlinie eine Hygiene-Risikobeurteilung zwingend vor. Hinweise für den Ablauf und die Durchführung dieser Risikobeurteilung können der DIN EN 1672-2 entnommen werden. Hersteller von Nahrungsmittelmaschinen sind seit Inkrafttreten der Maschinenrichtlinie dazu verpflichtet, eine hygienegerechte Konstruktion umzusetzen. Dies wird sowohl durch die obligatorische Konformitäts- oder Herstellererklärung als auch durch die CE-Kennzeichnung bestätigt.
Am 9. Juni 2006 wurde die überarbeitete Maschinenrichtlinie 2006/46/EG im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie trat am 29. Juni 2006 in Kraft. Am 18. Juni 2008 erfolgte die Umsetzung in nationales Recht (BGBl. 2008 I Nr. 25, S. 1060 ff.). Ab dem 29. Dezember 2009 müssen die neuen Vorschriften angewendet werden. Aus der Überarbeitung der Richtlinie resultieren Änderungen hinsichtlich der Hygieneanforderungen an Nahrungsmittelmaschinen:
    • Der Anwendungsbereich der Richtlinie wurde erweitert und erfasst nun auch technische Arbeitsmittel aus der Pharma- und Kosmetikindustrie.
    • Falls eine Reinigung der Materialien nicht möglich ist, wird der Gebrauch von Einwegteilen vorgeschrieben.
    • Neben den flüssigen Medien müssen nun auch Gase und Aerosole vollständig aus der Maschine abgeleitet werden können.
    • Produkte des Anwendungsbereiches dürfen nur mit gesundheitlich unbedenklichen Betriebsstoffen, einschließlich Schmiermitteln, in Berührung kommen.

Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten, kurz BGN, schult, berät und betreut ihre Mitgliedsbetriebe sowie Hersteller von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen in allen Aspekten des Hygienic Designs. Zu den weiteren Dienstleistungen zählen Prüfungen und Zertifizierungen auf diesem Fachgebiet. Serienprodukte, die eine Hygieneprüfung bestanden haben, können die Berechtigung zur Führung des BG-Zeichen „Hygiene geprüft“ erlangen. Dieses Qualitätszeichen zeigt dem Betreiber an, dass unter Einhaltung der hygienegerechten Konstruktionsprinzipien gebaut wurde.
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