Das chemische Recycling ist auf europäischer Ebene mittlerweile weitgehend anerkannt. Die Unternehmen der kunststofferzeugenden Industrie investieren bereits Milliardensummen in diese Technologie, damit Recyclingziele erreicht und vorhandene Kunststoffe im Kreislauf gehalten werden können. Auch in Deutschland ist man nach anfänglichem Zögern nun einen Schritt weiter: Denn laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung das chemische Recycling als ergänzende Recyclingoption in das Verpackungsgesetz aufnehmen.
Im Vergleich zum mechanischen Recycling bietet das chemische Recycling grundsätzlich mehr Möglichkeiten, um unterschiedliche Kunststoffe verwerten und in den Stoffkreislauf zurückzuführen. Auch kontaminierte und gemischte Kunststoffe lassen sich chemisch recyceln. Die Recyclingmethode ist darüber hinaus auch für die Wiederverwertung von komplexen Mehrschichtfolien aus mehreren Kunststoffarten geeignet. Hierbei werden die Altkunststoffe unter Ausschluss von Sauerstoff in Pyrolyseöl umgewandelt. Wie fossile Rohstoffe kommt dieses dann am Beginn der chemischen Produktionskette zum Einsatz und substituiert dadurch konventionelles Naphtha.
Kohlenwasserstoffe verflüssigen
Ein Unternehmen, das bereits 2020 im Rahmen eines medial stark beachteten Pilotprojekts bewiesen hat, dass unterschiedliche Wertstofffraktionen zu einer hochwertigen Ressource umgewandelt werden können, ist Südpack. Seit 2022 investiert der Folienhersteller gemeinsam mit Clean Cycle Investments verstärkt in Carboliq, ein Verfahren, das das auf Rohstoffrückgewinnung spezialisierte Unternehmen Recenso entwickelt hat. Mit dem Carboliq-Verfahren werden in den Anlagen am Standort in Ennigerloh in einem einstufigen Verfahren feste Kohlenwasserstoffe verflüssigt. Das gewonnene Öl steht in Neuwarequalität zur Verfügung und kann wie fossile Rohstoffe von der Kunststoffindustrie zur Herstellung unterschiedlichster Kunststoffgranulate eingesetzt werden. Diese lassen sich wiederum bei der Herstellung von Hochleistungsfolien für anspruchsvolle Verpackungsanwendungen verarbeiten, wie sie insbesondere in der Lebensmittelindustrie gefordert sind.
Hohe Ölausbeute
Die Technologie lässt die viel diskutierten Nachteile des chemischen Recyclings, beispielsweise den hohen Energieverbrauch, hinter sich – und hat damit echtes Zukunftspotenzial. Bei Carboliq kommen thermische, katalytische und mechanochemische (tribochemische) Mechanismen kombiniert zum Einsatz. Das auch als Catalytisch-Tribochemische-Conversion (CTC) bezeichnete Verfahren kann für eine große Bandbreite von Einsatzstoffen angewandt werden. Daneben bietet die Technologie Vorteile im Hinblick auf die benötigte Prozessenergie und punktet durch eine geringe Immissionsbelastung.
Konkret wird zum Beispiel die Prozessenergie ausschließlich durch Reibung in das System eingebracht – das Verfahren läuft unter Atmosphärendruck und Prozesstemperaturen unter 400 °C ab und erzielt zudem eine hohe Ölausbeute. Durch die vergleichsweise niedrigen Temperaturen werden zudem kaum toxische Substanzen wie Benzol, Formaldehyd oder Teeröle freigesetzt, die in zusätzliche toxische Abfallströme weitergeleitet werden müssten. Nicht zuletzt entstehen nur geringe Gasmengen, feste Prozessrückstände werden entweder weiter verwertet oder sachgerecht entsorgt.
Kein energieintensives Vorbehandeln
Zugleich bleiben die Logistikprozesse wie auch die entsprechenden Kosten überschaubar, denn die Kunststoffabfälle müssen im Vorfeld nicht aufwendig gesammelt und sortiert werden, um homogene Abfallströme und hochwertige Rohstoffe zu erhalten.
Ein weiterer Vorteil: Je öfter chemisches Recycling (mit bereits chemisch recyceltem Material) betrieben wird, umso mehr CO2 wird eingespart. Dies bedeutet, dass sich der CO2-Fußabdruck stetig weiter reduziert, da das Material im Kreislauf bleibt und keine neuen fossilen Rohstoffe für die Folienherstellung eingesetzt werden müssen. Es besteht also keineswegs das Risiko, dass immer mehr fossile Rohstoffe benötigt werden, um neue Kunststoffe herzustellen – und dass das chemische Recycling die Agenda zur Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung der Wirtschaft in der Europäischen Union untergräbt. Im Gegenteil: Gerade das chemische Recycling kann in hohem Maße dazu beitragen, dass bei der Herstellung von Hochleistungskunststoffen der Einsatz fossiler Rohstoffe reduziert werden kann.
Das Potenzial hierfür im Markt ist aktuell immer noch riesig: Denn auch heute noch bestehen fast 9 % aller Kunststoffverpackungen aus Neumaterial – und die Hälfte wird nach Gebrauch energetisch verwertet, also verbrannt. Der aktuellen WWF-Studie „Verpackungswende jetzt“ zufolge kann ein umfänglicher Systemwandel die Verbrennungsrate um 73 % und die Nachfrage nach Neuplastik um 64 % senken. Bis 2040 können so mehr als 20 Mio. t Neuplastik eingespart werden.
Anlagen nach ISCC-Plus zertifiziert
Insbesondere vor dem Hintergrund anhaltender Kritik gegenüber dem chemischen Recycling ist zu betonen, dass Carboliq heute schon eine echte Recycling-Option ist: Die Anlagen von Recenso zur Direktverölung nach dem Verfahren der Catalytisch-Tribochemischen-Conversion sind für den vollkontinuierlichen Betrieb genehmigt und seit März 2021 entsprechend der Nachhaltigkeitskriterien nach ISCC-Plus zertifiziert. ISCC-Plus ist das Zertifizierungssystem der International Sustainability & Carbon Certification, das auf Lebensmittel, Futtermittel, technisch und chemische Anwendungen erweitert wurde. Für die Kunststoffindustrie bedeutet die Genehmigung für den vollkontinuierlichen Betrieb und die Zertifizierung nach ISCC-Plus: Eine praxisgerechte, zielführende Lösung ist vorhanden. Bislang haben die Kooperationspartner die Technologie zur Verwertung eigener Wertstoffströme und von Prozess- oder Endkundenverpackungen erfolgreich genutzt. Mit den weiteren Investitionen in Carboliq entsteht nun ein schlagkräftiges Unternehmen, das mittelfristig seine Kapazitäten für effizientes Recycling unterschiedlicher Kunststoffe weiter ausbauen wird. Das Verfahren wird also sukzessive in den industriellen Standard überführt und die Menge an recyceltem Kunststoffabfall kontinuierlich erhöht, was das wegen der zu geringen Mengen bis dato noch recht teure Verfahren effizienter und kostengünstiger machen wird.
Südpack Verpackungen GmbH & Co. KG, Ochsenhausen
Halle 7, Stand 224