Startseite » Food » Wasser- und Abwassertechnik (Food) »

Strom aus Kartoffelschalen

Gebläse im Einsatz bei der Biogasproduktion des Gemüseherstellers Meyer in Twistringen
Strom aus Kartoffelschalen

Wenn bei der Verarbeitung von Gemüse und Kartoffeln arbeitstäglich erhebliche Mengen Abwasser und Feststoffe anfallen, kann man diese Abfallprodukte einerseits schlichtweg entsorgen, man kann sie aber auch sinnvoll zur Herstellung von Biogas einsetzen und zur Erzeugung von elektrischer Energie durch ein Blockheizkraftwerk nutzen. Für diese Lösung hat sich die Firma Gemüse-Meyer im niedersächsischen Twistringen entschieden.

Stephan Brand

Gemüse-Meyer entwickelte sich seit 1972 aus einem landwirtschaftlichen Betrieb zu einem mittelständischen Hersteller von frisch bearbeitetem und tiefgefrorenem Gemüse. Das ständig expandierende Familienunternehmen mit einem eigenen Fuhrpark, über 100 festangestellten Mitarbeitern und zusätzlichen Saisonkräften veredelt jährlich ca. 60 000 t Gemüse. Veredeln heißt bei Gemüse-Meyer: Reinigen, Schälen, Sortieren, Schneiden, Tiefkühlen, Verpacken, Etikettieren und Lagern. Mit 15 000 Stellplätzen verfügt das Unternehmen über eines der größten Tiefkühllager in Norddeutschland. In dieser Produktion fallen arbeitstäglich ca. 100 m³ Abwasser und ca. 45 bis 50 t Feststoffe an. Diese erheblichen Mengen werden aber nicht nur einfach entsorgt. Sie werden zur Herstellung von Biogas genutzt, das anschließend in einem Blockheizkraftwerk zur Produktion elektrischer Energie eingesetzt wird. Dessen Leistung (max. 500 kWh) wird in das öffentliche Netz eingespeist. Das Abwasser nach einer entsprechenden Aufbereitung teilweise in die Indirekteinleitung und teilweise in einen Bachlauf eingeleitet.
Die hierzu erforderliche Prozesswasser-Behandlungsanlage wurde von der LimnoTec Biogasanlagen in Hille geplant und realisiert. Das 1998 gegründete Unternehmen verfügt über qualifizierte Experten für maßgeschneiderte Lösungen im Klärwerks- und Biogasanlagenbau und deckt neben dem bautechnischen Bereich auch die gesamte Maschinen-, Elektro- und Verfahrenstechnik ab. Das von Limnotec entwickelte und bei Gemüse-Meyer in Twist-ringen eingesetzte FAR-SBR-Verfahren verlängert die Aufenthaltszeiten der zugeführten Biomasse und steigert deren Ausfaulung durch kontrollierte Beschickungen, vollständige Umwälzungen und verfahrenstechnisch günstige, vollautomatisch gesteuerte Durchlauf- und Verdrängerbetriebsweisen. Wesentliche Komponenten in den Recycling-Kreisläufen bei Gemüse-Meyer sind zwei Biogasgebläse und zwei ölfrei arbeitende Drehkolbengebläse zur Belüftung der Klärbecken. Alle vier Anlagen wurden von der Aerzener Maschinenfabrik geliefert.
Das in Twistringen realisierte Gesamtkonzept zur Aufbereitung der Abwässer und Abfälle basiert auf einer thermophil und einer mesophil arbeitenden Aufbereitungsanlage. Sie wurden in unmittelbarer Nachbarschaft der Produktionsgebäude installiert und arbeiten seit Dezember 2007 an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr. Das Abwasser wird der Aufbereitung über ein Rohrleitungssystem zugeführt, die Feststoffe – überwiegend Schälreste und Abfälle von Kartoffeln, Karotten und Bohnen – werden per Lkw angeliefert. Die Feststoffe werden zunächst in einer Wiegevorrichtung portioniert und anschließend mit Abwässern in einem voreingestellten Verhältnis gemischt. Die entstehende wässerige Lösung wird an sieben Tagen der Woche in gleichbleibenden Mengen mit einem Trockensubstanz-(TS-)Gehalt von nur ca. 6 % in die beiden Fermenter mit einem Volumen von je 1000 m³ eingeführt. Hier werden die enthaltenen Feststoffe zu mehr als 80 % in Biogas umgewandelt, sodass der TS-Anteil auf weniger als 1,5 % sinkt. Durch einen nachgeschalteten, in das Gassystem eingebundenen Faulschlamm-Anreicherungsreaktor (FA-Reaktor) wird die Biomasse gezielt angereichert. Das führt nicht nur zu einer kleineren Bauform des Fermenters, sondern durch ein geschlossenes System zwischen Fermenter und FA-Reaktor auch zu einer kommunizierenden Gasphase.
Die thermophile Anlage arbeitet durch eine zusätzliche Beheizung mit einer Betriebstemperatur von ca. +52 °C. Die in diesem Prozess anfallende Abwärme wird im Winter zur Beheizung der Produktionsräume bei Gemüse-Meyer genutzt. Im Sommer wird sie zukünftig über eine isolierte Rohrleitung in ein ca. 1500 m entferntes öffentliches Schwimmbad zur Unterstützung von dessen Beheizung eingeleitet. Die mesophile Anlage arbeitet mit einer Betriebstemperatur von nur +37 °C. „Die Kombination mit einer anschließenden Kläranlage arbeitet in diesem Tandem-Konzept nur bei uns. Während andere Anlagen mit möglichst trockenen Feststoffen arbeiten, überwiegt bei uns der Wasseranteil gegenüber den Feststoffen deutlich“, betont Anlagenwärter Benno Diephaus von Gemüse-Meyer.
Funktionsweise im Detail
Beide Fermenter werden zeitversetzt in vordefinierten Zykluszeiten vollautomatisch mit Substrat, einer wässerigen Masse aus Wasser und Abfällen, über das Ventil 05 beschickt. Kurz vor Beginn der nächsten Beschickung des FA-Reaktors über das Ventil 26 (d. h. wenn das Substrat der vorausgegangenen Beschickung schon weitgehend ausgegast ist) wird das Aerzener Biogas-Gebläse aus der Baureihe Delta Blower (Typ GM 3S) aktiviert. Das Gebläse zieht Gas aus dem FA-Reaktor über Ventil 27 und fördert es in den Fermenter bis zu einem Unterdruck von max. 200 mbar (aktuell 150 mbar) im FA-Reaktor, der Wasserspiegel im FA-Reaktor steigt um ca. 1,50 m, weil Fermenterinhalt in den FA-Behälter hineingesaugt wird. Danach wird das Ventil 26 in der Beschickungsleitung geschlossen. Das zuständige Biogasgebläse wird dann zur Aufrechterhaltung des vorgegebenen Zielunterdrucks intermittierend aktiviert. Nach einem vorgegebenen Zeitfenster wird das Gebläse deaktiviert und eine zweite Gasleitung zwischen Fermenter und FA-Reaktor geöffnet (Ventil 28): Der bisherige Unterdruck im FA-Reaktor führt zum Druckausgleich zwischen Fermenter und FA-Reaktor. Jetzt beginnt in einem vordefinierten Zeitraum die störungsfreie Sedimentation des Schlammes im FA-Reaktor. Nach Öffnung einer zweiten Verbindungsleitung (Ventil 29) zwischen Fermenter und FA-Reaktor wird der aufkonzentrierte Schlamm bis zum Wasserspiegelausgleich zwischen Fermenter und Reaktor in den Fermenter zurückgeführt, wodurch die Wirksamkeit der Ausgasung des aufkonzentrierten Schlammes gesteigert wird. Das austretende Gas wird über einen Gasspeicher dem Blockheizkraftwerk zur Stromerzeugung zugeführt. Anschließend wird der Überstand (mit viel weniger Schlamm) über das Ventil 14 aus dem Fermenter in einen Gärrestbehälter ausgetragen. Da ihm nur nahezu vollständig ausgefaultes Subs-trat mit einer sehr geringen Restkonzentration zugeführt wird, minimiert sich die Geruchsemission des Überschussschlamms deutlich. Anschließend erfolgt eine erneute Volumenergänzung für das aus dem FA-Reaktor abgeleitete Trübwasser und für den aus dem Fermenter ausgetragenen Überschussschlamm, ein neuer Zyklus kann beginnen.
Biogasgebläse
In diesem kontinuierlichen Wechselspiel erfüllt sowohl in der thermophilen als auch in der mesophilen Aufbereitungsanlage jeweils ein gasdicht ausgeführtes Biogasgebläse aus der Baureihe Delta Blower (Typ GM 3S) zentrale, sich teilweise überlagernde Aufgaben. Die Anlagen schaffen Unterdruck im FA-Reaktor, unterstützen die optimale Ausgasung im FA-Reaktor und fördern Flüssigkeiten aus dem Fermenter und dem FA-Reaktor durch die Erzeugung von Unterdruck.
Alle Abläufe werden über Rechnerprogramme gesteuert. Diese Programme können sowohl vor Ort in Twistringen als auch über eine Fernwarte bei LimnoTec in Hille überwacht und ggfs. gesteuert werden.
Die Drehkolbengebläse wurden speziell für die Anwendungen im Bereich Deponie- und Biogas sowie für Erd- oder Stadtgas modifiziert. Sie stehen für Ansaugvolumenströme von ca. 30 bis 14 000 m³/h zur Verfügung (Druckdifferenzen im Druckbetrieb bis zu 1000 mbar, im Saugbetrieb bis zu -500 mbar). Der Standard-Lieferumfang umfasst die Gebläsestufe mit gasdichter Abdichtung der Antriebswelle (explosionsdruckstoßfest bis 13 bar mit TÜV-Zertifikat oder Festigkeitsprüfung durch eine Wasserdruckprobe mit 5 bar) und optional die kombinierte Förderraumabdichtung für feuchtes Biogas/Deponiegas.
Drehkolbengebläse
Über diese zwei Biogasanlagen hinaus arbeiten bei Gemüse-Meyer in Twistringen noch zwei weitere ölfrei verdichtende Drehkolbengebläse zur Belüftung des Klärbeckens. Zum Einsatz kommen Gebläse des Typs GM 4S, Generation 5 (Volumenstrom 5,3 m³/min, 570 mbar Überdruck). „Ein Drehkolbengebläse ist für den Standardbetrieb zur Belüftung der nachgeschalteten Kläranlage ausreichend. Das zweite Aggregat wird für Spitzenbelastungen und als Redundanz vorgehalten“, erläutert Dr. Nils Christian Holm, Geschäftsführer bei Limnotec. Beide Anlagen werden vollautomatisch über Messsonden im Klärbecken und einen vorgegebenen Sauerstoff-Grenzwert im Ein-Aus-Betrieb gefahren. Das Abwasser wird nach der Aufbereitung im Klärbecken zusätzlich in einer Sandfiltrationsanlage aufbereitet. Obwohl das Wasser dann bereits eine gute Qualität besitzt, wird es teilweise erst nach einer zusätzlichen Umkehrosmose direkt in einen Bachlauf eingeleitet.
Das Fazit von Anlagenwärter Benno Diephaus fällt daher äußert positiv aus: „Alle Aerzener-Anlagen, und zwar sowohl die zwei Biogasgebläse in unseren Biogasanlagen, als auch die zwei Drehkolbengebläse zur Belüftung der Klärbecken sind lebenswichtig für die störungsfreie Funktion und damit unverzichtbarer Bestandteil des Gesamtprojektes. Sie arbeiten seit der Inbetriebnahme unserer Prozesswasser-Behandlungsanlage im Dezember 2007 einwandfrei und absolut zuverlässig.“
Online-Info www.dei.de/0210446
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

cav-Produktreport

Für Sie zusammengestellt

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Top-Thema: Instandhaltung 4.0

Lösungen für Chemie, Pharma und Food

Pharma-Lexikon

Online Lexikon für Pharma-Technologie

phpro-Expertenmeinung

Pharma-Experten geben Auskunft

Prozesstechnik-Kalender

Alle Termine auf einen Blick


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de