Die Studie „Perspective Europe 2030 – Technology options for CO2-emission reduction of hydrogen feedstock in ammonia production“ analysiert verschiedene Wege, um die Ammoniakproduktion in den bestehenden europäischen Anlagen bis zum Jahr 2030 so anzupassen, dass die Kohlendioxidemissionen deutlich gesenkt werden. Demnach besitzen neue Wasserstofftechnologien großes Potenzial, um die Produktion klimafreundlicher zu gestalten. Die Studie wurde von der Dechema im Auftrag von Fertilizers Europe durchgeführt.
Die Produktion von Ammoniak ist eine der größten Quellen für Kohlendioxidemissionen im Industriesektor. Der Grund: Bei seiner Herstellung wird Wasserstoff benötigt, der auf konventionelle Weise durch die Umwandlung fossiler Rohstoffe gewonnen wird. Mithilfe neuer Wasserstofftechnologien könnten die Emissionen aus der Ammoniakproduktion jedoch bis zum Jahr 2030 um 4900 kt reduziert werden. Im Vergleich zu heute würden damit fast 19 % der bei der Ammoniakproduktion entstehenden Emissionen eingespart, wie die neue Studie der Dechema zeigt.
Unterschiedliche Technologien im Fokus
Die Autoren der Studie untersuchten verschiedene Technologien, die die konventionelle Wasserstoffproduktion in naher Zukunft teilweise ersetzen könnten. Es wäre beispielsweise möglich, Wasserstoff konventionell zu erzeugen und das dabei entstehendes Kohlendioxid zu speichern, das sogenannte Carbon Capture und Storage (CCS, blauer Wasserstoff). Wasserstoff könnte zudem mittels Wasser-Elektrolyse gewonnen werden und dafür konventioneller Strom (gelber Wasserstoff) oder Ökostrom genutzt werden (grüner Wasserstoff), wobei der grüne Wasserstoff entweder vor Ort erzeugt wird oder per Fernleitung kommt. In Betracht gezogen wurde zudem, Wasserstoff durch Methanpyrolyse zu gewinnen (türkisfarbener Wasserstoff).
Die Studie berücksichtigt die unterschiedlichen Produktionskosten sowie Energie- und Infrastrukturanforderungen, die für die einzelnen Technologien notwendig sind. Auf dieser Grundlage bewertete das Team die mögliche Umsetzung der Technologieoptionen in verschiedenen europäischen Regionen im Hinblick auf die voraussichtliche Verfügbarkeit und die Kosten von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die Verfügbarkeit einer Infrastruktur (Strom, Wasserstoff, CO2) sowie die politischen Zwänge in Bezug auf CCS. Um abzuschätzen, wieviel Emissionen maximal bei der Ammoniakproduktion gespart werden könnten, entwickelten die Forschenden dann ein Basis- und ein optimales Szenario und verglichen beide mit der konventionellen Produktion,
Blauer Wasserstoff hat den größten Effekt
Die Analyse zeigt, dass die Kohlendioxidemissionen im Jahr 2030 aus der Ammoniakproduktion am stärksten sinken würden, wenn dabei blauer Wasserstoff genutzt wird (minus 3000 kt CO2-Emissionen pro Jahr). Noch größere Einsparungen sind möglich, wenn konventionell hergestellter Wasserstoff teilweise (10 %) durch grünen oder gelben Wasserstoff, der vor Ort produziert wird, ersetzt wird. Damit würden 900 kt beziehungsweise 200 kt Kohlendioxid pro Jahr weniger emittiert. Der Einsatz grünen Wasserstoffs, der per Fernleitung kommt, würde den Ausstoß des Treibhausgases zusätzlich um 500 kt und der Einsatz von türkisfarbenen Wasserstoffs um 300 kt pro Jahr verringern.
Darüber hinaus beleuchtet die Studie die Kostenfrage für diese Technologien. Der Einsatz neuer Wasserstofftechnologien ist im Vergleich zu den konventionellen Methoden mit höheren Produktionskosten verbunden. Mit Blick auf die Zukunft nahm das Team daher an, wie die voraussichtliche Entwicklung von der Erneuerbaren Energien, der Import von grünem Wasserstoff und die Kosten für CO2 verlaufen wird. Die Autoren erwarten, dass die Produktion von Ammoniak auf konventionellen Weg und mittels blauem Wasserstoff im Jahr 2030 in etwa gleich viel kosten wird. Die Verwendung von vor Ort erzeugten gelben und grünem Wasserstoff sowie grünem Wasserstoff aus der Fernleitung und türkisfarbenem Wasserstoff wird im Gegensatz dazu erheblich höhere Produktionskosten nach sich ziehen.
Angesichts des verbleibenden Treibhausgas-Budgets der Menschheit und gemäß den Zielen des Pariser Klimaabkommens muss jeder Sektor seine Treibhausgasemissionen in naher Zukunft senken. „Wir müssen uns daher grundlegend fragen, welches realistische Potenzial in den derzeit betriebenen Anlagen steckt, weniger Treibhausgase freizusetzen. Unsere Studie zeigt hier, dass die europäischen Düngemittelhersteller mit dem Einsatz neuer Wasserstofftechnologien signifikant dazu beitragen könnten, den CO2-Ausstoß bis 2030 zu reduzieren“, bilanziert Dr. Florian Ausfelder, Dechema e.V., Hauptautor der Studie.