Covestro treibt die Umsetzung eines einzigartigen Verfahrens voran, um die wichtige Chemikalie Anilin erstmals komplett auf Basis pflanzlicher Biomasse statt Erdöl zu produzieren. Dazu hat der Kunststoffhersteller jetzt am Standort Leverkusen eine spezielle Pilotanlage in Betrieb genommen. Dort werden erstmals größere Mengen biobasierten Anilins hergestellt, damit die neue Technologie weiterentwickelt und in den industriellen Maßstab übertragen werden kann. An der Einweihungsfeier nahmen auch Nordrhein-Westfalens stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur sowie Professor Walter Leitner teil, geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Gemeinsam mit Dr. Thorsten Dreier, Technologievorstand von Covestro, sprachen sie über die Bedeutung biobasierter Rohstoffe für eine nachhaltige Chemie der Zukunft.
Anilin wird in der Kunststoffindustrie unter anderem zur Herstellung von MDI verwendet. Das wiederum wird beispielsweise für Polyurethan-Dämmschaum genutzt, der in Gebäuden für Energieeinsparungen und einen geringeren CO2-Fußabdruck sorgt. Derzeit werden weltweit rund 6 Mio. t/a Anilin produziert, wobei das Volumen im Schnitt um etwa 3 bis 5% jährlich wächst. Covestro zählt mit einer Produktionskapazität von mehr als 1 Mio t/a zu den führenden Anilin-Herstellern.
„Covestro arbeitet daran CO2-neutral zu werden, erläuterte Dr. Thorsten Dreier. Der Technologievorstand von Covestro sieht in der biobasierten Herstellung von Anilin einen Beitrag zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, auf die sich das Unternehmen komplett ausrichtet. Und Biotechnologie ist eine von vielen Forschungsansätzen um eine Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. „Bislang wird das Anilin mit fossilen Rohstoffen wie Erdöl produziert, was CO2 freisetzt und den Klimawandel anheizt. Mit unserem neuen Verfahren tragen wir zum Aufbau einer zirkulären, biobasierten Wirtschaft bei, und ich bin sehr stolz, dass uns jetzt der Sprung auf die nächste technologische Ebene geglückt ist“, erklärt Dreier. In die Pilotanlage im Chempark Leverkusen hat Covestro einen einstelligen Millionenbetrag investiert.
Verfahren gemeinsam mit Partnern entwickelt
Covestro hat das bereits mehrfach prämierte neue Verfahren gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern entwickelt. Es führt im Vergleich zur konventionellen Technik zu einem deutlich verbesserten CO2-Fußabdruck des Anilins. „Nachhaltige Innovationen aus Nordrhein-Westfalen leisten einen entscheidenden Beitrag für die Transformation des Chemiestandorts Deutschland. Die weltweit erste Pilotanlage für biobasiertes Anilin ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel“, betonte Neubaur, die auch Landesministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie ist. „Damit die Branche den eingeschlagenen Weg hin zur Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität fortsetzen kann, braucht es vor allem Planungs- und Investitionssicherheit. Wir als Landesregierung arbeiten deshalb mit aller Kraft daran, dass Nordrhein-Westfallen attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt und erste klimaneutrale Industrieregion in Europa wird.“
Auch Professor Leitner hob die Bedeutung von Partnerschaften hervor. „Das Projekt ist Ausdruck der Zusammenarbeit von forschungsbasierter Industrie und exzellenter Grundlagenforschung. Besonders in NRW gibt es viele solcher Schnittstellen. Davon brauchen wir mehr in Deutschland, um uns als Forschungs- und Technologiestandort zu behaupten.“
Einsatz von Biotechnologie
Das Projekt macht auch deutlich, welchen Beitrag die industrielle Biotechnologie in der Kunststoffproduktion leisten kann: In dem neuen Verfahren hilft ein maßgeschneiderter Mikroorganismus dabei, einen aus Pflanzen gewonnenen industriellen Zucker durch Fermentation in ein Zwischenprodukt umzuwandeln. Dies geschieht unter milderen und damit umweltverträglicheren Bedingungen als in herkömmlichen Verfahren. In einem zweiten Schritt entsteht dann aus dem Zwischenprodukt durch chemische Katalyse das Anilin mit hundert Prozent pflanzlichem Kohlenstoff.
Die Forschung an biobasiertem Anilin wird auch weiterhin von der deutschen Regierung unterstützt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fördert ein Folgeprojekt (Bio4PURDemo) von Covestro und Partnern, das im März 2022 gestartet ist und bis 2025 läuft. An dem Vorhaben sind außerdem die RWTH Aachen mit dem CAT Catalytic Center, die Universität Stuttgart und die dort angesiedelte Technologie-Transfer-Initiative beteiligt.