Trotz zeitweise steigender Nachfrage nach Desinfektions- und Reinigungsmitteln, Medikamenten und Seifen konnte sich die chemisch-pharmazeutische Industrie dem Abwärtssog durch die Covid-19-Pandemie nicht entziehen. Nach positivem Jahresbeginn ging die Produktion im zweiten Quartal um 5,8 % im Vergleich zum Vorjahr zurück. Die Kapazitätsauslastung der Anlagen fiel im Schnitt auf 77,5 %. „Unsere Unternehmen kamen trotz dieses Einbruchs deutlich besser durch die weltweite Krise als andere Branchen“, ordnet VCI-Präsident Christian Kullmann die Lage ein. Die Produktion in der chemisch-pharmazeutischen Industrie war im ersten Halbjahr 2,5 % geringer als ein Jahr zuvor. Für Chemie ohne Pharma liegt sie 3,6 % unter dem Vorjahresniveau. Der Umsatz von Deutschlands drittgrößtem Industriezweig ging um 6,1 % auf 96 Mrd. Euro zurück.
Nachfrage belebt sich leicht
Bei jedem vierten Unternehmen beeinträchtigt der Auftragsmangel weiterhin stark die Geschäftstätigkeit. Die Erwartungen hellen sich aber langsam wieder auf. Der VCI geht davon aus, dass die Branche im zweiten Quartal die Talsohle der Rezession durchschritten hat. Der Auftragsmangel bereitet aber weiterhin Sorgen. Der VCI hat seine Mitgliedsunternehmen Ende Juli erneut nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die wirtschaftliche Situation befragt. Die Störungen der Betriebsabläufe haben abgenommen und auch auf der Nachfrageseite gab es Verbesserungen. Allerdings wird die Überwindung der Corona-Krise noch einige Zeit brauchen: Nur jedes zweite Unternehmen (49 %) rechnet damit, das Vorkrisenniveau bis Ende 2021 wieder zu erreichen. Rund 20 % gehen davon aus, dass sie ein weiteres Jahr dafür benötigen. 13 % erwarten, dass sie den Rückgang noch später oder überhaupt nicht werden kompensieren können. Die vollständigen Ergebnisse der VCI-Mitgliederumfrage im Juli können Sie auf der Website einsehen einsehen.
Prognose 2020
Vor diesem Hintergrund rechnet der VCI für das Gesamtjahr mit einem Produktionsminus von 3 % und einem Umsatzrückgang um 6 %. „Wir sehen erste Anzeichen einer Erholung“, sagte Kullmann. „Wenn ein erneuter Shutdown verhindert werden kann, dürfte sich die Nachfrage nach Chemikalien und Pharmazeutika im zweiten Halbjahr stabilisieren.“
Wie der VCI in seiner Bilanz zum ersten Halbjahr 2020 berichtet, waren alle Produktbereiche der Branche von der Nachfrageschwäche im In- und Ausland betroffen: Die Produktion von Spezialchemikalien verringerte sich um 3,9 % gegenüber dem Vorjahr. Die Herstellung von Polymeren sank durch die Nachfrageflaute der Automobilindustrie und der Kunststoffverarbeiter um 8 %. Die Produktion von Pharmazeutika verzeichnete nur ein leichtes Minus (-0,3 %). Auch bei Seifen, Wasch- und Reinigungsmitteln hielt sich der Rückgang mit 0,7 % in Grenzen.
Beschäftigungsniveau unverändert
Trotz der schwierigen Geschäftslage gelingt es den Chemie- und Pharmaunternehmen bislang, das hohe Beschäftigungsniveau zu halten. Derzeit arbeiten unverändert rund 464. 000 Frauen und Männer in der Chemie- und Pharmaindustrie. Frei werdende Stellen werden derzeit allerdings häufig nicht neu besetzt. Infolge der Corona-Krise sind seit Frühjahr rund 15 % der Beschäftigten – etwa 70 000 – in Kurzarbeit. Schwerpunkt der Überbrückungsmaßnahme sind bisher vor allem die Zulieferbetriebe der Automobilindustrie.
Ausdrücklich würdigt der VCI-Präsident das schnelle und konsequente Handeln der Bundesregierung in der Corona-Krise, das für Unternehmen und Beschäftigte bei den wirtschaftlichen Auswirkungen das Schlimmste verhindert habe. Nun gelte es, den Blick nach vorn zu richten: „Die Nothilfen waren richtig und unverzichtbar, sie werden aber nicht die Zukunft Deutschlands sichern“, sagt Kullmann. Auf das Konjunkturpaket der Bundesregierung müsse deshalb ein politisches Zukunftsprogramm folgen, das Rückenwind für nachhaltiges Wachstum am Standort schaffe.
Quartalszahlen für das zweite Quartal