Die Digitalisierung wird zentrales Thema der Konferenz sein. Wo steht die Pumpen- und Kompressorentechnik hier aktuell?
Prof. Andreas Brümmer: Die Digitalisierung ist ein Prozess, der immer mehr Fahrt aufnimmt. Niemand in der Industrie kann es sich leisten, nicht mitzumachen. Die Digitalisierung betrifft zunehmend stärker die Maschinen, angefangen von der Auslegung einer Maschine über ihre Produktion, ihren Betrieb bis zur Wiederverwertung. Früher wurde ein Kompressor zum Beispiel von einem Techniker eingeschaltet. Er musste an den lokalen Instrumenten ablesen, ob alles in Ordnung ist. Heute werden die Informationen zum Teil zwar noch an Ort und Stelle abgelesen, aber gleichzeitig gehen sie an eine Leitwarte, wo ein Operator prüft, ob der Kompressor richtig läuft oder ob Anpassungen vorgenommen werden müssen. Die nächste Stufe wird sein, dass sich der Kompressor selber überwacht und dass er mit anderen Komponenten in der Anlage kommuniziert. Wir kommen also von der manuellen über die zentrale hin zu einer autonomen Steuerung.
Prof. Paul-Uwe Thamsen: In der Pumpentechnik betrifft die Digitalisierung weit mehr als die Vernetzung der Produktion. Die Pumpe ist in ihrer Anwendung immer Bestandteil eines Pumpsystems. In einer komplexen Infrastruktur lassen sich viele Pumpen untereinander und mit weiteren Komponenten des Pumpsystems vernetzen und können so Vorteile für das gesamte Pumpsystem umsetzen. Für diese Aufgaben gibt es neuartige Ansätze, wie etwa maschinelles Lernen, Intime-Optimierung oder schnelle Datenverarbeitung. Die Vorteile sind schnell überschaubar. Ein digital vernetztes Pumpsystem kann zum Beispiel bei starkem Regen in einer Stadt Überschwemmungen vermeiden, weil sich immer dort die Pumpen einschalten, wo sie gerade dringend gebraucht werden.
Ein Anwendungsnutzen ist Condition Monitoring, also die Überwachung von Maschinen. Wo steht die Pumpen- und Kompressorentechnik hier?
Prof. Thamsen: Die Zustandsüberwachung und die daraus resultierende Unterstützung von Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit sind schon sehr lange im Fokus der Pumpenanwender. Hier werden auch weitere Fortschritte erzielt werden. Mit der Vernetzung der Komponenten im Pumpsystem ergeben sich darüber hinaus allerdings auch neue Ansätze. Die Kreiselpumpen werden in die komplexen Systeme eingebunden beziehungsweise mit ihnen vernetzt. Dabei ist zu betonen, dass die Rechnerleistungen es heute ermöglichen, den Prozess des Gesamtsystems quasi in Echtzeit zu simulieren und die Ergebnisse als Entscheidungshilfe für die Leittechnik zu nutzen. Hiermit lassen sich Störungen deutlich besser beseitigen oder auch andere wirtschaftliche Ziele einfacher umsetzen.
Prof. Brümmer: Der Digitalisierungsprozess hat hier tatsächlich schon vor 30 Jahren angefangen. Kompressoren werden seither mit Sensoren ausgestattet, deren Signale in einem Rechner verarbeitet wurden. Jetzt geht es einen Schritt weiter. Man will die Gewerke zusammenwachsen lassen, so dass sie untereinander kommunizieren können. Das ist der Weg, den wir gerade beschreiten. Diese neue Art des Condition Monitoring hat beispielsweise schon zu neuen Geschäftsmodellen geführt. Es gibt Hersteller von Kompressoren, die ihre Maschinen nicht mehr verkaufen, sondern nur noch vermieten. Der Betreiber einer Anlage kauft dann nur noch eine bestimmte Menge zum Beispiel Druckluft ein. Zur Kostenoptimierung muss der Hersteller seine Kompressoren dann fernüberwachen. Sofern er auf diesem Wege sehr viele Kompressoren weltweit in verschiedenen Betrieben überwacht, steht ihm eine große Datenmenge zur Verfügung. Die kann er zum Beispiel über digitale Prozesse wie KI auswerten und dadurch die Nutzung der Druckluft in jedem einzelnen Betrieb optimieren und natürlich seine Maschinen kundenspezifisch optimieren.
Sind die Betriebe denn bereit zu einem solchen Datenaustausch mit einem externen Hersteller?
Prof. Brümmer: Ja, das funktioniert in diesem Fall. Der Druckluftverbrauch ist für viele Betriebe kein relevantes Betriebsgeheimnis. Insofern kann der Betreiber diese Daten nach außen gehen lassen, zumal er durch das beschriebene Modell des Kaufens von Druckluft zum Teil seine Kosten reduzieren kann. Wenn hingegen die Kompressoren Teil in einem Prozess sind, der eine Schlüsselkompetenz in einem Betrieb darstellt, bin ich eher skeptisch, ob der Betreiber seine Einwilligung zum Datentransfer geben wird.
Prof. Thamsen: Die Anwender der Kreiselpumpen sind da meist sehr zurückhaltend. Natürlich will keine Chemiefabrik oder Raffinerie ihre Prozessdaten an Dritte geben und ähnlich verhält es sich auch in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Dennoch besteht der Bedarf an Condition Monitoring für verfahrenstechnische Anlagen, Pumpwerke, Wasseraufbereitungsanlagen sowie Klärwerke, deren Daten dann meist innerhalb der Betreiber verbleiben.
Schnittstellen spielen bei der Vernetzung eine große Rolle. Wie wichtig sind offene Schnittstellen wie OPC UA?
Prof. Thamsen: Die Vernetzung der verschiedenen Komponenten ist tatsächlich die größte Herausforderung für die Umsetzung der Digitalisierung. Die Betreiber werden nach herstellerunabhängigen Lösungen suchen. Daher ist OPC UA sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Auffällig ist allerdings aktuell auch der Trend, das Internet beziehungsweise direkt die Cloud zu nutzen, um die Datenkommunikation zu erleichtern. Hier sind viele kleine Firmen unterwegs, die Low-cost-Sensoren anbieten und die Online-Vernetzung mit wenig Aufwand realisieren. Diese Lösungen sind besonders für kleinere Kommunen interessant, die für die Pumpstation oder das Klärwerk eine günstige Lösung zur Überwachung und Steuerung suchen.
Prof. Brümmer: OPC UA ist eine gute Sache, die sich durchsetzen sollte. Definierte offene Schnittstellen sind sehr wertvoll. Ziel ist ja, dass man sich firmenübergreifend auf diesen Standard einigt. Leider ist das vor allem bei Hersteller-Firmen schwierig, die eine marktdominierende Stellung innehaben und auf dieser Basis eigene Standards setzen wollen. Solange es diese Dominanz jedoch nicht gibt, glaube ich, dass eine gute Chance besteht, solch einen Standard einzuführen. In diesem Zusammenhang können Kunden auch Druck erhöhen. Wichtig wäre, dass sich Global Player in die Diskussion einbringen und die Idee von OPC UA mittragen. Die Etablierung derartiger Standards würde damit signifikant begünstigt.
Werden offene Schnittstellen und generell der stärkere Datenaustausch – auch über Betriebsgrenzen hinweg – die Datensicherheit erschweren?
Prof. Thamsen: Die Frage nach der Datensicherheit kommt immer. Natürlich müssen Datenmissbrauch und Manipulation unterbunden werden. Andererseits sollten wir uns den Mehrwert der Digitalisierung – die ohne Datenaustausch nicht funktioniert – nicht aus Angst vor Datenklau verbauen. Mit Blick auf andere Branchen, beispielsweise Energietechnik, Verkehrslenkung und Banken erscheint eine sehr hohe Sicherheit in den Prozessen durchaus schon heute umsetzbar.
Prof. Brümmer: Auf jeden Fall! Die Digitalisierung bietet Chancen und Risiken. Das betrifft ganz besonders auch die Sicherheit. Einerseits kann man durch die Digitalisierung die Sicherheit von Prozessen vergrößern, indem digital schneller erkannt wird, dass eine Anlage aus einem zulässigen Bereich herausläuft und damit instabil wird. Auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass die Digitalisierung von Prozessen immer nur so intelligent ist, wie derjenige, der sie programmiert hat. Hierbei gibt es zwei Richtungen. Entweder die Programmierung basiert auf KI und damit großen Lerndaten. In diesem Fall ist es eine statistische Frage, welche Prozessdaten genutzt wurden, um diese KI anzulernen. Es besteht das Risiko, dass die statistische Grundlage für KI zu dünn ist. Dann kann es passieren, dass in einem kritischen Fall, zum Beispiel des Ausfalls einer zentralen Komponente, die Digitalisierung auf Basis von KI vielleicht nicht die richtige Entscheidung trifft. Es könnte zu einem Sicherheitsrisiko kommen. Auf der anderen Seite stellt die Digitalisierung grundsätzlich eine Herausforderung für die IT-Sicherheit dar. Wie schottet man sich gegenüber Angriffen von außen ab?
Welche Themen beschäftigen die Pumpen- und Kompressorentechnik aktuell noch außer der Digitalisierung?
Prof. Brümmer: Es gibt nicht das eine Thema, dafür ist die Branche einfach zu breit aufgestellt. Wir haben die Vakuumwelt, wir haben die Druckluftwelt, wir haben die Prozessmaschinen und jede Welt hat ihre eigenen Detailprobleme. Diese Detailprobleme rücken immer mehr in den Vordergrund, weil die Maschinen vom Grundsatz her schon sehr gut sind. Wenn ein Hersteller dann noch eine Energieeffizienz- oder eine Verfügbarkeitssteigerung erreichen möchte, muss er sich immer mehr Gedanken über Detailprobleme machen. Neben dem Thema der Digitalisierung haben wir daher auf der Konferenz auch zu diversen Detailproblemen verschiedene Vorträge, wie zum Beispiel zu Axialkräften in Kompressoren oder zur Optimierung von Laufradseitenraumdrücken. Es wird auch um neue Werkstoffe gehen, etwa solche, die sich während des Betriebs dynamisch verändern.
Prof. Thamsen: Die Energieeffizienz ist immer ein großes Thema. Kreiselpumpen sind ja schließlich die Nummer eins im Energieverbrauch. Dabei wird die Energie nicht von der Pumpe selbst, sondern vom Fluidsystem verbraucht. Gerade hier bestehen nach wie vor die größten Potenziale zur Energieeinsparung, die man über die Analyse der Betriebsweise und die Verringerung von Systemverlusten heben kann. Auf der Konferenz werden allerdings noch viele weitere technische Fortschritte präsentiert. Es wird zum Beispiel über neue Erkenntnisse aus der Forschung über Kennlinien, Teillastverhalten, Kavitation berichtet werden und über neue Lösungen für CFD und andere Simulationsmethoden. Auch die Zustandsüberwachung und Verfügbarkeit von Pumpen wird ein Thema sein.
Was werden die Teilnehmer der Konferenz mitnehmen?
Prof. Brümmer: Was auf den Tagungen neben der Qualität der Vorträge immer wichtiger ist, als man denkt, ist das, was sich außerhalb der Vorträge abspielt, das Miteinander. Gerade weil man auf dieser Konferenz ganz verschiedene Branchen zusammenführt: Pumpen, Kompressoren, Vakuum- und Druckluftwelt. Das ist einzigartig und einer der ganz wichtigen Anreize, auf die Konferenz zu gehen. Wo sonst kann man sich mit Insidern aus derart verschiedenen Unternehmen unterhalten und feststellen, dass alle dieselben oder zumindest vergleichbare Probleme haben. Der branchenübergreifende Wissenstransfer funktioniert auf der Konferenz in den persönlichen Gesprächen sehr gut. Darüber hinaus ist es immer einfacher, jemanden um Rat zu fragen, den man schon mal persönlich kennengelernt hat, zum Beispiel auf dieser Konferenz.
Prof. Thamsen: Das sehe ich auch so. Mindestens ebenso wichtig wie die hochwertigen Präsentationen wird die Möglichkeit des Austausches mit Fachleuten aus der Branche sein. Der Austausch wird noch durch den schönen Rahmen erleichtert. Ein Highlight wird sicher die Dinner-Cruise auf dem Rhein sein. Wichtig sind auch die vielen Erfahrungsberichte verschiedener Anwender. Da die Konferenz traditionell gerne von den Universitäten genutzt wird, um aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren, bietet sie auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs eine gute Plattform.
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