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Chemiekonjunktur bleibt so launisch wie das Wetter

VCI-Halbjahresbilanz 2024: Produktion steigt im ersten Halbjahr um 3%
Chemiekonjunktur bleibt so launisch wie das Wetter

„Wie das Wetter im Frühjahr“. So bewertete VCI-Präsident Markus Steilemann die aktuelle Lage in der chemisch-pharmazeutischen Industrie. „Es gibt einen Silberstreif, aber von einem stabilen Aufwärtstrend kann noch keine Rede sein. Die leichten Anzeichen der Erholung sind kein Grund zum Jubeln. Wir erwarten zwar, dass sich die Auftragslage im Jahresverlauf verbessert. Die Signale leichter Entspannung dürfen aber den Blick auf die Standortprobleme nicht verstellen: Neben fehlenden Aufträgen bereiten uns die Energiepreise und die Bürokratie die größten Sorgen.“

Das erste Halbjahr 2024 verlief für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland besser als erwartet. Einem sinkenden Branchenumsatz und fallenden Erzeugerpreisen steht ein leichtes Produktionsplus gegenüber. Trotz einzelner positiver Signale ist die Stimmung in der Branche jedoch nach wie vor verhalten. Besonders das Inlandsgeschäft enttäuscht. Immerhin spürten nach Aussage von Steilemann fast 30% der Firmen eine konjunkturelle Erholung, auf der anderen Seite sehe immer noch jedes 5. Unternehmen noch kein Licht am Horizont.

Mehr Bestellungen aus dem In- und Ausland

Das erste Branchen-Halbjahr war geprägt von sonnigen und regnerischen Abschnitten. Mehr Bestellungen von Kunden aus dem In- und Ausland sorgten dafür, dass die Branche ihre Produktion im ersten Halbjahr um 3% steigern konnte. Damit lag sie aber immer noch rund 11% niedriger als 2021. Viele Anlagen waren deshalb nach wie vor nicht ausgelastet und blieben unterhalb der Rentabilitätsgrenze.

Positiv ist, dass sich nach dem starken Einbruch insbesondere die Grundstoffchemie wieder Boden gutgemacht hat. Im ersten Halbjahr lag die Produktion anorganischer Grundstoffe 12% höher als im Vorjahr. Auch die Produktion organischer Grundstoffe legte mit 8,5% kräftig zu. Bei den übrigen Chemiesparten fiel das Produktionsplus deutlich niedriger aus: Bei konsumnahen Chemikalien stieg die Produktion nur leicht (2%), ebenso bei der Polymerproduktion (1,5%). Die Produktion in der Spezialchemie war erneut rückläufig (-2%). Grund dafür war, dass viele industrielle Kunden ihre Produktion im ersten Halbjahr gedrosselt hatten und sich dementsprechend mit Bestellungen zurückhielten.

Im Pharmageschäft stehen die Zeichen auf Wachstum

Zuversicht kommt aus dem Pharmageschäft. Seit Jahresbeginn stehen die Zeichen wieder auf Wachstum. Die Produktion legte im ersten Halbjahr um 1,5% zu. Die hohe Nachfrage sorgte für ein Umsatzwachstum von 6%.

Insgesamt lag der Branchenumsatz von Chemie und Pharma im ersten Halbjahr mit rund 112 Mrd. Euro rund 1% niedriger als im Vorjahr. Ursache dafür waren vor allem die Erzeugerpreise, die im ersten Halbjahr unter Druck gerieten. Sie sanken im Branchendurchschnitt um 4%.

Besonders im Inlandsgeschäft ist die Erlössituation trotz steigender Verkaufsmengen weiter enttäuschend. Hier steht ein Minus von 5% in den Büchern. Besser läuft es nach langer Durststrecke im Auslandsgeschäft. Der Umsatz mit Exportprodukten verzeichnete in den ersten sechs Monaten des Jahres ein leichtes Plus und lag 1,5% höher als ein Jahr zuvor.

Zweites Halbjahr: Konjunkturell besser, Stimmung gedämpft

Die Auftragslage in der Chemie dürfte sich – konjunkturell gesehen – im Jahresverlauf weiter verbessern. Angesichts dieser Entwicklung bleibt der VCI bei seiner Prognose für das Gesamtjahr: 3,5% Produktionsplus und ein Umsatzplus von 1,5%. Wesentlicher Treiber bleibt das Auslandsgeschäft.

Die Stimmung in der Branche ist jedoch weiterhin gedämpft. Laut den Ergebnissen der aktuellen VCI-Mitgliederbefragung spüren erst 30% der Unternehmen eine konjunkturelle Erholung. Rund 50% hoffen im zweiten Halbjahr oder im Jahresverlauf 2025 auf eine Besserung.

VCI-Präsident Markus Steilemann betont: „Wir dürfen eines nicht vergessen: Wir haben zwar die Produktion hochgefahren, unsere Anlagen laufen aber nach wie vor nicht rentabel, und das seit über zweieinhalb Jahren.“ Zu stark belasten die strukturellen Nachteile am Standort Deutschland. Die Unternehmen rechnen deshalb damit, dass sich die Ertragslage im Gesamtjahr 2024 noch einmal verschlechtern wird.

Größtes Hemmnis bleibt die Bürokratie

Mehr als 70% der Unternehmen sehen sich durch regulatorische Anforderungen massiv behindert. Damit bleibt die Bürokratie das größte Geschäftshemmnis. Grund dafür sind nicht nur die dadurch entstehenden Kosten, die laut VCI-Mitgliederbefragung mittlerweile bei rund 5% des Umsatzes liegen, sondern auch die stetig steigende Zahl an neuen Regelungen, die die Unternehmen zunehmend überfordern.

Ein weiterer erheblicher Kostenfaktor für die Unternehmen bleiben die hohen Energiepreise. Noch immer sehen 45% ihre Geschäfte dadurch erheblich belastet. „In allen Punkten kann und muss politisch gegengesteuert werden. Und die Ampel behauptet ja auch, dies zu tun. Doch die Realität sieht anders aus“, stellt Steilemann fest.

Zunehmend Entscheidungen gegen Standort Deutschland

Auftragsmangel, hohe Energiepreise, steigende Bürokratie: In dieser Gemengelage entscheiden sich immer mehr Unternehmen gegen den Standort Deutschland. Laut VCI-Mitgliederbefragung gingen die Investitionen der Branche in Deutschland im vergangenen Jahr um 2% auf 9,2 Mrd. Euro zurück. Gleichzeitig stiegen die Investitionen im Ausland mit rund 12 Mrd. Euro um gut 8%. Hinzu kommt, dass Deutschlands Wettbewerbsbedingungen immer mehr ausländische Investoren abschrecken. Damit droht die Transformation, mit der Deutschland zum Vorreiter für Zukunftstechnologien werden will, ins Stocken zu geraten.

Ungenutztes Potenzial nicht liegen lassen

Dabei bringt Deutschland aus Sicht des Verbandes genügend Innovationspotenzial mit, um auch eine Technologienation der Zukunft zu sein. Was fehlt, sind die richtigen Rahmenbedingungen, um dieses Potenzial wettbewerbsfähig einsetzen zu können. “Deutschland hat noch viele Hausaufgaben zu erledigen bei den Themen Energiewende, Digitalisierung, Infrastruktur und Bürokratie“, so Steilemann. Für den VCI sind besonders drei Maßnahmen essenziell:

  • Gebühren senken, d.h. wettbewerbsfähige Energiepreise durch Entlastungen bei der Stromsteuer und den Netzentgelten. Plus Senkung der Unternehmens- und Körperschaftssteuer sowie Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
  • Grundvoraussetzungen verbessern, d.h. Investitionen in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur, inkl. Ausbau der Stromnetze
  • Wettbewerbsregeln auffrischen: weniger Bürokratie für mehr Investitionsanreize – auf nationaler und auf EU-Ebene.

„Aber Deutschland hat auf der anderen Seite auch ein hohes Niveau, wenn es um Stabilität, Sozialsystem und gut ausgebildete Arbeitskräfte geht, um das uns viele beneiden, so Steilemann weiter. „Der Haushaltsentwurf sei nicht der große Wurf für die Chemiebranche. „Wir erwarten daher jetzt von der Politik, angekündigte Maßnahmen rasche umzusetzen.“

Ein besonderer Apell von Steilemann in diesem Zusammenhang: „Wir brauchen vor allem einen mentalen Wandel, mehr Mut zur Veränderung in der Gesellschaft, denn das Morgen liegt nicht im Gestern. Die Parteien der Mitte sollten sich zu einem Bündnis für Transformation zusammenfinden und eine Transformationsagenda definieren, die über eine Legislaturperiode hinaus gedacht wird.“

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