Die deutsche chemische und pharmazeutische Industrie hat es zum Ende 2023 nicht geschafft, wieder Fahrt aufzunehmen. Die Chemieproduktion stagniert auf niedrigen Niveau. Besonders die fehlenden Aufträge als Folge der schwachen Industriekonjunktur in Europa und der intensive Wettbewerb führten zu Umsatzrückgängen im In- und Ausland. Weitere Produktionsdrosselungen waren die Folge. Der Ausblick für 2024 ist daher nur verhalten positiv.
„Die Chemieproduktion verharrt auf konstant niedrigem Niveau,“ berichtetet Maximilian Nichterlein, vom Verband Plastics Europe Deutschland e.V., beim Wirtschaftsbriefing des Verbands der chemischen Industrie (VCI). Und es ist laut Nichterlein aktuell keine signifikante Erholung in Sicht. „Die Lageeinschätzung ist für 2024 weiter negativ. Nach der aktuellen Mitgliederbefragung, gehen rund 44% der Mitglieder des VCI davon aus, dass eine Erholung erst 2025 einsetzt. Nur 32% glauben an eine eine Erholung bereits im 2. Quartal 2024“, so Nichterlein. Laut ifo-Institut zeichne sich aber ein vorsichtiger Optimismus in der Grundstimmung der Chemie- und Pharmaunternehmen ab, was sich auch bei den verbleibenden 24% positiver gestimmten Mitglieder in der Umfrage zeigt.
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Gründe für die schlechten Zahlen seien auch weiterhin in den hohe Energiepreisen, der Bürokratie und der schwachen Nachfrage zu sehen, so Nichterlein. Die Prognose für die Chemieproduktion 2024 weltweit sei ebenfalls nahezu stagnierend, mit Ausnahme von China. Hier wird ein Zuwachs von ca. 5,5 % angenommen.
VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup kommentiert die aktuelle Situation mit folgenden Worten: „Das Jahr 2023 hat auf der ganzen Linie enttäuscht. Und die guten Nachrichten für den Standort Deutschland bleiben auch weiterhin rar gesät. Nicht nur die chemisch-pharmazeutische Industrie, sondern die gesamte heimische Wirtschaft leidet weiterhin unter der schleppenden Konjunktur und den strukturellen Problemen. Trotzdem keimt nach der langen Dürrephase erste Hoffnung auf. Seit Februar berichten einzelne Unternehmen von einer leicht verbesserten Auftragslage – vor allem im Ausland. Dieses zarte Pflänzchen einer wirtschaftlichen Erholung braucht jetzt Wasser, Dünger und viel Licht. Auch von der Politik.“ Denn trotz dieser vorsichtig positiven Signale ist aus Sicht des VCI noch keine konjunkturelle Trendwende erkennbar. Die Lage auf den Energie- und Rohstoffmärkten bleibt angespannt. Der anhaltende Auftragsmangel in Verbindung mit den hohen Produktionskosten am Standort Deutschland belastet weiterhin die Geschäfte.
Die wirtschaftlichen Zahlen im Überblick:
- Die Produktion ging im Vergleich zum Vorquartal um 2,3 % zurück. Im Vorjahresvergleich entsprach dies einem Minus von 4,3 %. Die Kapazitäten der Branche waren mit 77,2 % nicht ausgelastet.
- Die Erzeugerpreise gingen im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 % zurück. Damit waren chemische und pharmazeutische Erzeugnisse 5,3 % günstiger als ein Jahr zuvor.
- Der Umsatz der Chemie- und Pharmaindustrie sank saisonbereinigt um 1 % auf insgesamt 51,3 Mrd. Euro. Im Vergleich zum Vorjahr sanken die Verkaufserlöse um 11,9 %.
- Die Zahl der Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie blieb mit rund 477.000 Beschäftigten stabil.
Betrachtet man das Gesamtjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr, ging die Produktion um 7,9 % zurück und der Umsatz sank um 12,2 %auf insgesamt 229,3 Mrd. Euro. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet der VCI mit einer auf niedrigem Niveau stagnierenden Produktion. Bei rückläufigen Preisen wird der Branchenumsatz in diesem Jahr voraussichtlich um 3,5 % sinken.
Wettbewerbsnachteile am Standort Deutschland
Der deutschen Wirtschaft macht nicht nur die schwache Konjunktur weiterhin zu schaffen, sondern vor allem die Wettbewerbsnachteile am Standort Deutschland. Und letztere werden im Aufschwung nicht von allein verschwinden. „Die deutsche Wirtschaft braucht dringend ein Comeback. Dazu ist eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik nötig, die den Fokus auf Wachstum, Transformation und Resilienz legt. Wir müssen an die Ursachen der Standortschwäche ran und nicht deren Symptome mit viel Geld kurieren“, sagt Wolfgang Große Entrup. Der Verband fordert die Bundesregierung auf, den wirtschaftspolitischen Kompass neu auszurichten.
Blick auf den chinesischen Markt
Mit rund 3 Bio. Euro war China 2023 der größte Chemiemarkt weltweit. Auf Platz 2 folgte die USA mit 863 Mrd. Euro. Deutschland belegte Platz 3 mit 326 Mrd. Euro. Die Wachstumsrate der chemisch-pharmazeutischen Industrie lag in China in den letzten 10 Jahren durchschnittlich bei 7,1 % pro Jahr. Schwerpunkt in Chinas Chemiesektor ist die Produktion von Fein- und Spezialchemikalien gefilgt von Pharmazeutika (Quelle: Chemdata International, VCI).
Max J. Zenglein, Chief-Economist beim Mercator Institut for China Studies (MERICS) gab anlässlich des Wirtschaftsbriefings einen Einblick in die chinesische Wirtschaft und das neue chinesische Wirtschaftsmodell. „2023 war enttäuschend betrachtet man die Erwartungshaltung nach der Aufhebung der Covid-Restriktionen. Das jährliche BIP-Wachstum erreichte nur mehr 5,2 %“, erklärte Zenglein. „China selbst hatte sich hier mehr Aufwind erhofft, hatte aber mit verschiedenen Schwierigkeiten wie die Immobilien- und Finanzkrise zu kämpfen, die noch nicht überstanden sind. Das Land hat sich daher den Fokus gesetzt, den Industriestandort China weiter zu stärken und beim diesjährigen Volkskongress ein Wachstumsziel von 5 % verordnet.“ Dabei konzentriere sich die Regierung vor allem auf die Stabilisierung der Wirtschaft, es gäbe aber keine signifikanten Kurskorrektur.
Das neue Wachstumsmodell fokussiere auf einer Modernisierung der bestehenden Industrieanlagen und den Ausbau der Produktion im eignen Land. Das bedeute so Zenglein, dass China versuche den großen Markt als Hebel einzusetzen. Ausländische Unternehmen werden überall dort eingebunden, wo es noch eine Technologielücke in der chinesischen Produktion gibt. Das Ziel sei schließlich eigene Kapazitäten aufzubauen, um mit den Produkten weltweit an den Markt zu gehen wie beispielsweise mit den Solarpaneelen, Elektrobatterien oder Elektrofahrzeugen.
„Den Erfolg dieser Strategie kann man auch daran sehen, dass deutschen Exporte nach China seit Jahren zurück gehen“, erklärte Zenglein. Und aus seiner Sicht sei hier auch keine Veränderung in absehbar. „Das bedeutet auf lange Sicht, dass sich deutsche Unternehmen verstärktem Wettbewerb chinesischer Produkte in China und auf dem Weltmarkt stellen müssen.“ Bislang, so Zenglein, sei aber von der chinesischen Regierung noch nicht genau definiert,wie der erhöhte Lokalisierungsdruck für ausländische Unternehmen konkret aussehen wird.
Autorin: Daniela Held, Redakteurin