Die erhoffte Belebung der deutschen Wirtschaft lässt weiter auf sich warten. Daher hat sich auch die Stimmung in der Chemie- und Pharmaindustrie im Sommer leicht eingetrübt. Die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage fällt schlechter aus als in den Vormonaten.
Dr. Jupp Zenzen, Referatsleiter Konjunktur, Wachstum, Unternehmensbefragungen bei der DIHK, gab anlässlich desVCI-Wirtschaftsbriefings einen Einblick in die konjunkturelle Stimmungslage in Deutschland. „Die Wirtschaft befindet sich seit bald zwei Jahren in einer zähen Stagnationsphase, in der wir wenig Wachstum sehen“, so Zenzen. Und aktuell sind die Aussichten nicht sehr gut. Viele Unternehmen sähen eine Verbesserung der Lage erst auf einen längeren Zeitraum. Ein Grund dafür seien u.a. die Anhaltend hohen Erzeugerpreise, die aus die weiterhin hohen Energiepreise, Lieferengpässen und hohe Leitzinsen zurückzuführen seien, so Zenzen. „Die Auftragseingänge der Industrie befinden sich derzeit im Abwärtstrend und die Produktion springt nicht so richtig an“. Zenzen wies auch darauf hin, dass diese Stagnation vor allem Deutschland betrifft, die G7-Staaten wachsen dagegen deutlich und auch die OECD-Länder. Hier sticht vor allem Indien hervor. Die DHIK prognostiziert daher für das BIP in 2024 lediglich ein Wachstum vom 0 und 0.3 % und für 2025 zwischen 1 und 1,5 %.
Chemie- und Pharmaindustrie kann sich behaupten
„Die Chemie- und Pharmainduistrie in Deutschland kann sich in diesem schwierigen Umfeld behaupten“, erklärte Christiane Kellermann vom VCI. Nur etwa ein Viertel der vom VCI befragten Unternehmen berichten von einem schweren Auftragsmangel, weitere 46 % sehen eine leichte Betroffenheit. Wie robust die Chemieunternehmen sind zeigen auch die aktuellen Halbjahresberichte von BASF und Evonik.
„Nach dem positiven Jahresstart mit deutlich steigenden Produktionsmengen und Umsätzen ist hier leider aktuell eine Seitwärtsbewegung zu sehen. Auch die Kapazitätsauslastung ist zum Mai 2024 erneut gesunken auf nur 75,1%“, berichtet Kellermann. Insbesondere die Inlandsumsätze und die Verkäufe in die europäischen Nachbarstaaten enttäuschten. Die industriellen Kunden auf dem wichtigsten Markt für die deutsche Chemie hielten sich zuletzt mit Bestellungen zurück, weil viele Branchen ihre Produktion drosselten. Auch die europäische Industrie hat die Trendwende noch nicht geschafft und die Impulse aus anderen Märkten blieben schwach. So wuchs zum Beispiel die chinesische Wirtschaft im zweiten Quartal deutlich langsamer. Dementsprechend mager fiel auch die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen „made in Germany“ aus.
Pharmaindustrie bleibt auf Kurs
Etwas besser sieht es dagegen in der Pharmaindustrie aus. Pharmazeutika bleiben gefragt. Insgesamt blicken die Unternehmen der Branche weniger optimistisch in die Zukunft. Auch hier kippte der positive Trend der ersten Monate des Jahres. Die Unternehmen planen inzwischen für die nächsten Monate mit geringeren Produktionsmengen.
Bürokratie größter Hemmschuh
Die Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie sehen daher weiterhin mit Sorge in die Zukunft. Zwar wird eine Verbesserung der Umsätze erwartet – vor allem durch das Auslandsgeschäft. Die Mehrheit erwartet aber noch rückläufige oder stagnierende Erträge für 2024. Die Erholung verschiebt sich weiter in die Zukunft.
Nach aussage der Unternehmen ist der größte Störfaktor für die Geschäftstätigkeit weiterhin die aufwendige Bürokratie, die langen Genehmigungsverfahren und die Regulierungsflut. Über 70 % der vom VCI befragten Unternehmen sehen sich dadurch massiv in ihrer Geschäftstätigkeit behindert. Im Schnitt wenden die Unternehmen geschätzte 5 % ihres Umsatzes für die bürokratischen Erfordernisse auf.
Auch die hohen Kosten am Standort Deutschland bleiben eine schwere Belastung für die Unternehmen: vor allem die Arbeitskosten haben zuletzt an Brisanz gewonnen (55 % der Unternehmen melden schwere Belastung). Aber auch bei Energie (45 % der Unternehmen) und Rohstoffen (38 % der Unternehmen) bleibt die Kostenbelastung hoch.
Investitionen verlagern sich in Ausland
All diese Faktoren führen zu einer deutliche Investitionszurückhaltung in Deutschland, wohingegen die Auslandsinvestitionen zunehmen. 43 % der Unternehmen geben an, ihre Investitionen in beiden Jahren in Deutschland zurückfahren zu wollen. Rund 45% der Unternehmen haben bereits Produktionsstandorte im Ausland. Die Mehrheit dieser Unternehmen plant die Auslandsinvestitionen weiter auszuweiten.
Wir sehen deutlich, dass der Strukturwandel weiter Fahrt aufnimmt“, fährt Kellermann fort. „Unrentable Geschäftsfelder werden aufgegeben, gleichzeitig wird in in Digitalisierung, neue Märkte und Produkte, neue Geschäftsmodelle sowie neue Technologien investiert, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“.
Ergebnisse der VCI-Mitgliederumfrage
Auswertung speziell für den Mittelstand
Autorin:
Daniela Held