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Insektenbioraffinerie erfolgreich aufgebaut

So werden Bioabfälle zu neuen Wertstoffen
Insektenbioraffinerie erfolgreich aufgebaut

Insektenbioraffinerie erfolgreich aufgebaut
Besichtigung der InBiRa-Insektenbioraffinerie: Als Vertreter der EU- und Landespolitik begutachten Nicolas Gibert-Morin (dritter von links) und Staatssekretär Dr. Andre Baumann (dritter von rechts) die Larvenmast am Fraunhofer IGB. Bild: Fraunhofer

Am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart wurde erfolgreich eine Insektenbioraffinerie aufgebaut − dank einer Förderung durch das Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg mit Landes- und EU-Mitteln. In dieser verwerten die Larven der Schwarzen Soldatenfliege organische Reststoffe und Bioabfälle und produzieren dabei begehrte Wertstoffe, z. B. für die Chemieindustrie. Nach drei Jahren Forschung fand das Projekt InBiRa nun seinen Abschluss. Zu diesem Anlass stellten die Fraunhofer-Forschenden und ihre Partner die Projektergebnisse bei einer Abschlusskonferenz vor. Ihr Fazit: Die Pilotanlage bietet eine einzigartige neue Plattform für innovative technische Produkte.

Wohin mit überlagerten Lebensmitteln und Bioabfällen aus Gastronomie und Biotonne? Jedenfalls muss nicht zwangsläufig alles einfach nur als Biomüll entsorgt und beispielsweise kompostiert werden. Was nicht mehr essbar ist, lässt sich trotzdem sinnvoll als Ressource nutzen. Möglich machen es die Larven der Schwarzen Soldatenfliege: Sie vertilgen die Abfälle nicht einfach nur, sie produzieren bei ihrem Wachstum Wertstoffe, die für die Industrie interessant sind − Proteine, Fette oder Chitin, aus denen Folgeprodukte hergestellt werden können. Am Fraunhofer IGB in Stuttgart wurde im Projekt InBiRa in den vergangenen drei Jahren erstmals eine Insektenbioraffinerie aufgebaut, um die Mast, Verarbeitung und Verwertung der Insekten im Pilotmaßstab zu erforschen.

Projektleiterin Dr.-Ing. Susanne Zibek, die am Fraunhofer IGB die Arbeitsgruppe Bioprozessentwicklung im Innovationsfeld Industrielle Biotechnologie führt, zieht nach drei Jahren intensiver Forschungsarbeit Bilanz: „Mit unserer Insektenbioraffinerie können wir überlagerte Lebensmittel und Bioabfälle als Rohstoff für hochwertige technische Produkte nutzen und damit erstmals eine heimische Quelle für kurzkettige Fette erschließen, die tropische Fette in vielen Anwendungen ersetzen könnten.“

Komplexer Prozess: Wie funktioniert eine Bioraffinerie?

Im Rahmen der Konferenz ging Zibek insbesondere auf die Komplexität der aufgebauten Pilotanlage ein. „Grundsätzlich ähnelt das Prinzip einer Bioraffinerie dem einer klassischen Erdölraffinerie“, so die promovierte Chemieingenieurin. „Auch hier wird ein Rohstoff mit komplexer Zusammensetzung in seine einzelnen Bestandteile aufgetrennt.“ In der InBiRa-Anlage werden alle benötigten Prozessschritte im Pilotmaßstab abgebildet. Das beginnt bei der Mast der Larven (dem Farming), geht über die Trennung der Fett- und Proteinfraktion (Primärraffination) weiter und reicht bis zu deren Umwandlung zu den jeweils gewünschten Zwischenprodukten (Sekundärraffination).

Während der drei Jahre Projektlaufzeit wurden alle Schritte intensiv durchgeführt und ausführlich evaluiert. „Dafür haben wir ca. 20 Prozesseinheiten definiert, verfahrenstechnisch für die vorhandenen Stoffströme ausgelegt und schließlich für die Pilotanlage am IGB aufgebaut − daran zeigt sich schon die Komplexität des Verfahrens“, erläutert Zibek.

Bioraffinerie mit großem Potenzial, um technische Produkte nachhaltig herzustellen

Konkret entstehen am Ende chemische Grundstoffe – sogenannte Plattformchemikalien – für Kraftstoffe, Kosmetika, Reinigungsmittel, Kunststoffe oder auch Pflanzendünger. Die Liste der möglichen Endanwendungen ist lang. Die Insektenbioraffinerie birgt also ein enormes Potenzial für die erfolgreiche Transformation hin zu einer kreislaufbasierten Bioökonomie, wie sie etwa in der Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg angestrebt wird.

Da Baden-Württemberg auf bioökonomische Ansätze setzt, um nachhaltiger zu werden, war das Interesse der Landespolitik − und auch darüber hinaus − entsprechend groß. Allen voran nahmen Vertreterinnen und Vertreter aus dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, dem Landesministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie von der Europäischen Kommission an der Abschlusskonferenz teil.

Das Umweltministerium Baden-Württemberg förderte den Aufbau der InBiRa-Anlage am Fraunhofer IGB mit Mitteln des Landes und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), die im Rahmen des EFRE-Programms „Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling“ vergeben wurden.

Die Zukunft der Insekten-Bioraffinerie

Neben dem Fraunhofer IGB, dem die Koordination des Projekts unter Leitung von Dr.-Ing. Susanne Zibek oblag, waren weitere Partner aus Forschung und Industrie am InBiRa-Projekt beteiligt. So steuerten das Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) und für Siedlungswasserbau Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart ihre jeweiligen wissenschaftlichen Kompetenzen bei, ebenso das ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH. Von Industrieseite war die Hermetia Baruth GmbH mit ihrer Expertise bei der Insektenmast involviert und die PreZero Stiftung & Co. KG stellte Bioabfälle für den Betrieb der InBiRa-Anlage zur Verfügung.

Am Ende der Abschlusskonferenz erörterten die Beteiligten aus Forschung, Politik mit potenziellen Anwendern aus der Abfallwirtschaft in einer Podiumsdiskussion die Potenziale der neuen Technologie sowie die Herausforderungen hinsichtlich regulatorischer Rahmenbedingungen und mögliche Lösungsansätze. InBiRa-Projektleiterin Zibek zeigte sich nach Projektabschluss optimistisch, dass die entwickelte Bioraffinerie schon bald konkrete Anwendung in der Praxis finden wird: „Ich bin zuversichtlich, dass wir demnächst einen Transfer in die Industrie umsetzen können, sodass wir mit den Larven eine sinnvolle Verwertung von überlagerten und sogar verdorbenen Lebensmitteln zu neuen Produkten für die chemische Industrie herstellen können.“

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