David Baker, Demis Hassabis und John M. Jumper haben in diesem Jahr den Chemie-Nobelpreis für entscheidende Beiträge zur Vorhersage und zum Design von Proteinen erhalten. Pharmaunternehmen nutzen diese Techniken mittlerweile umfassend, um schneller Wirkstoffe für neue Medikamente zu entwickeln. So werden die Nobelpreis-gewürdigten Pionierarbeiten der Preisträger vielen Menschen unmittelbar zugute kommen.
Proteine sind eine vielfältige Gruppe von Biomolekülen. Sie spielen eine zentrale Rolle bei allen Lebensvorgängen, ermöglichen beispielsweise den Stoffwechsel, die Muskelbewegung und die Nervenaktivität. Zentral sind sie auch bei Krankheiten und bei ihrer Behandlung: Denn zum einen greifen die meisten Medikamente dadurch in Krankheiten ein, dass ihre Wirkstoffe bestimmte Proteine im Körper in ihrer Aktivität blockieren oder unterstützen (oft sind das Enzyme oder Hormonrezeptoren). Zum anderen sind viele Arzneimittelwirkstoffe selbst Proteine, beispielsweise im Fall von Gerinnungsfaktoren oder Antikörpern.
Schneller zu wirksamen Strukturen
Um wirksam zu sein, müssen Wirkstoffe in ihrer Form und weiteren Eigenschaften zu den Molekülen im Körper passen, an denen sie ins Krankheitsgeschehen eingreifen sollen. Lange Zeit konnten Pharmaforscher das nur durch zahlreiche „Versuch und Irrtum“-Experimente oder mit extrem aufwendigen physikalischen Methoden zur Strukturaufklärung erreichen. Dank immer zuverlässigerer Computermethoden zur Strukturvorhersage von Proteinen und zum Proteindesign können sie aber nun oftmals wesentlich schneller zu aussichtsreichen Wirkstoffkandidaten kommen – beispielsweise zu neuen Antikörpern, die sich biotechnisch herstellen lassen. Häufig kombinieren sie diese Techniken noch mit weiteren Instrumenten der künstlichen Intelligenz. Doch nur diejenigen Wirkstoffkandidaten, die in Versuchen mit Zellkulturen und Versuchtieren zeigen, dass sie wirklich die vorhergesagten Eigenschaften haben, werden anschließend auch mit Menschen in klinischen Studien erprobt.
KI als Tool in Forschung und Entwicklung
Professor David Baker (USA) erhält den Chemienobelpreis für rechnergestütztes Proteindesign. Die zweite Hälfte teilen sich Dr. Demis Hassabis und Dr. John Jumper, die beide in Großbritannien für Google Deep Mind arbeiten, für die Vorhersage der komplexen Strukturen von Proteinen. Beide arbeiten an der Software AlphaFold, ein bahnbrechenden KI-System, das die 3D-Struktur von Proteinen anhand ihrer Aminosäuresequenzen vorhersagt. Die Vorhersagen sind über die AlphaFold Protein Structure Database frei zugänglich. Im Mai 2024 wurde die aktuelle Version AlphaFold 3 vorgestellt. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Softwareversionen ist diese Version in der Lage, nicht nur die 3D-Struktur von Molekülen vorherzusagen, sondern auch ihre Interaktion untereinander und mit anderen Molekülen. Nach Aussage von DeepMind kann sie dies in bislang nicht gekannter Genauigkeit. Die Entwickler erwarten, dass AlphaFold 3 die Entwicklung neuer Medikamente stark beschleunigen wird.
Weitere Informationen zum Einsatz von Protein-Strukturvorhersage und Proteindesign und weiteren KI-Tools in der Pharmaforschung finden sich auch im Biotech-Report: „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2024“