Der Aufsichtsrat der Siemens AG hat einstimmig den nächsten Schritten der Unternehmensstrategie Vision 2020+, inklusive dem Spin-off von Siemens Gas and Power (GP), zugestimmt. Der Konzern möchte durch eine deutliche Fokussierung des Portfolios auf dynamische Wachstumsmärkte und Effizienzsteigerungen seine mittelfristigen Wachstums- und Renditeziele erreichen. Das gab der Vorsitzende des Vorstands der Siemens AG, Joe Kaeser, im Rahmen der Präsentation der Quartalszahlen bekannt.
„Wir fokussieren Siemens mit der Vision 2020+ und machen unsere Geschäfte schneller und flexibler. Gleichzeitig schaffen wir gute Perspektiven für die Geschäfte, die sich im Strukturwandel bewähren und neue Wachstumsfelder adressieren müssen“, sagt Kaeser. Der CEO betont, dass Siemens aus einer Position der Stärke heraus die Weichen für die Zukunft stellt und exzellent positioniert ist. In den Wachstumsmärkten Automatisierung, industrielle Digitalisierung und intelligente Infrastruktur will Siemens deutlich zulegen und seine führende Stellung weiter ausbauen. Der Aufsichtsrat unterstützt den Vorstand bei der weiteren Umsetzung des Strategiekonzepts Vision 2020+. Auch die Arbeitnehmervertretung billigt den Plan für GP und unterstützt das Wachstumskonzept der Firmenleitung.
“Die Operating Companies Digital Industries (DI) und Smart Infrastructure (SI) bilden künftig den industriellen Kern von Siemens. Ergänzt wird dieser durch die konzernweiten Technologie- und Serviceeinheiten sowie die strategische Mehrheitsbeteiligung an Siemens Healthineers. Auch Siemens Mobility soll als Wachstumsgeschäft weiter gestärkt werden.
Eigenständigkeit von Siemens Gas and Power
Siemens Gas and Power soll über eine Abspaltung und anschließende Börsennotierung im Zuge einer Abgabe an die Aktionäre vollständige Unabhängigkeit und unternehmerische Freiheit erhalten. Das Geschäft umfasst die Aktivitäten in den Bereichen Öl und Gas, konventionelle Energieerzeugung, Energieübertragung und die jeweils dazugehörigen Servicegeschäfte. Darüber hinaus plant die Siemens AG, den Mehrheitsanteil (59 %) an Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE), dem Marktführer im Geschäft mit Erneuerbaren Energien, in die neue Gesellschaft einzubringen. Eine Börsennotierung wird bis zum September 2020 angestrebt. Dabei gibt Siemens die Mehrheit am neuen Unternehmen ab, bleibt aber als starker Ankeraktionär engagiert. Der Anteil soll anfänglich bei etwas weniger als 50 % liegen und auf Sicht die Sperrminorität nicht unterschreiten. Siemens wird dabei das neue Unternehmen weiter unterstützen, wie zum Beispiel durch professionelle Leistungen der Siemens Financial Services, das Vertriebsnetzwerk der Siemens-Regionen oder die Lizenzierung der starken Marke „Siemens“. Über die Abspaltung und spätere Börsennotierung soll eine außerordentliche Hauptversammlung,voraussichtlich im Juni 2020, entscheiden. Siemens wird sowohl die neue GP als auch die SGRE dekonsolidieren.
„Damit entsteht ein einzigartig ganzheitlich aufgestellter Spezialist im Energie- und Elektrizitätssektor, der wie kein anderer Wettbewerber die gesamte Bandbreite im Energiemarkt abbildet“, erklärte Kaeser. „Durch die Kombination des Leistungsspektrums der konventionellen Erzeugung mit der Stromversorgung durch Erneuerbare Energien decken wir die Nachfrage der Kunden vollständig ab. Damit können wir aus einem Guss ein optimiertes und wenn nötig kombiniertes Leistungsangebot vorlegen. Wir sind überzeugt, dass diese strategische Entscheidung für alle Beteiligten positiv ist und es ermöglicht, langfristig Wert für Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre zu schaffen“, so Kaeser weiter. „Durch die Unabhängigkeit können wir unsere Position der Stärke effektiver nutzen, um unsere Kunden in sich schnell wandelnden Energiemärkten zu unterstützen”, sagte Lisa Davis, CEO von Siemens Gas and Power.
Deutliches Wachstum und Effizienzsteigerung geplant
Zusätzlich zur Stärkung der Portfoliostrukturen wird Siemens die Kosteneffizienz quer durch alle Bereiche deutlich verbessern. Ziel ist eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Produktivität. Damit sollen mittelfristig die jährliche Wachstumsrate des Umsatzes und die Gewinnmarge des industriellen Geschäfts um jeweils zwei Prozentpunkte steigen. Das Ergebnis je Aktie soll mittelfristig stärker wachsen als der Umsatz. Langfristig soll die Gewinnmarge des Industriellen Kerngeschäfts 14 bis 18 % (angepasste EBITA-Marge) erreichen. Smart Infrastructure hat einen klaren Plan zur Wachstumssteigerung. Erstens will SI das Produktgeschäft, insbesondere in Asien, stärken. Zweitens soll das attraktiveService-Geschäft ausgebaut werden. SI beabsichtigt außerdem, seine Aktivitäten in Zukunftsfeldern wie der Infrastruktur für Elektromobilität, dezentralen Energiesystemen, intelligenten Gebäuden und Energiespeichern – auch mithilfe von stärkerem Einsatz von Digitalisierungslösungen – auszuweiten. Dies soll zu einem jährlichem Umsatzwachstum von 4 bis 5% über das gesamte Portfolio hinweg führen.
Digital Industries will die Geschäfte in der Industriellen Digitalisierung stärken und die Marktführerschaft weiter ausbauen. Ziel ist es, 25 % schneller als der Markt zu wachsen. Die Rentabilität wird beispielsweise durch die Integration zweier Divisionen, die Verbesserung von internen Prozessen wie Logistik, vereinfachtes Controlling oder durch die verstärkte Nutzung des eigenen industriellen Software-Portfolios optimiert. Diese Maßnahmen haben auch strukturelle Auswirkungen auf Arbeitsplätze, da künftig teilweise andere Qualifikationen benötigt werden. Beim Wachstum setzt DI auf das Digital-Enterprise-Portfolio, Zukunftstechnologien wie Edge und Cloud Computing, Künstliche Intelligenz oder additive Fertigung. Darüber hinaus konzentriert sich DI noch stärker auf die Branchenanforderungen der Automobil- und Luftfahrtindustrie, aber auch der Bereiche Nahrungs- und Genussmittel, Electronics, Batteriefertigung, Pharma und Chemie.Wie angekündigt, wurden wesentliche Elemente der zentralen Konzerneinheiten von Siemens, wie die Verwaltung, dezentralisiert. Zudem sollen die verbleibenden Konzernleitfunktionen deutlich schlanker werden.
Insgesamt werden die neu geplanten Effizienzverbesserungen die Kosten um rund 2,2 Mrd. Euro bis 2023 senken. Die Wachstumspläne sehen vor, dass Siemens bis 2023 rund 20 500 neue Stellen schaffen wird. Die in Summe etwa 10 400 im Zuge von Effizienzanpassungen gestrichenen Stellen führen damit zu einem Netto-Aufbau von rund 10 000 Arbeitsplätzen weltweit im selben Zeitraum.