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CSRD als Sprungbrett verstehen

EU-Richtlinie als Chance für einen Digitalisierungsschub in der Lebensmittelindustrie
CSRD als Sprungbrett verstehen

CSRD als Sprungbrett verstehen
Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) kann als Sprungbrett für die Digitalisierung dienen Bild: Konsta – stock.adobe.com
Die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) ist seit Anfang 2023 in Kraft. Das Bundesjustizministerium hat dazu bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Er sieht vor, dass Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen detailliert Bericht erstatten müssen. Die Regelung wird enorme Auswirkungen auf den Lebensmittelsektor hierzulande haben, denn Deutschland ist weltweit der drittgrößte Exporteur von Lebensmitteln. Gleichzeitig birgt die CSRD ein beträchtliches Potenzial für die Verbesserung von Geschäftsprozessen, Lieferketten sowie eine bessere Kosteneffizienz bei den Produzenten.

Was besagt die CSRD?

Die EU-Richtlinie führt europaweit einen neuen Rechtsrahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein und könnte ihre Wirkung auch weltweit entfalten. Sie soll Investoren und Stakeholdern eine standardisierte Möglichkeit bieten, die Auswirkungen des Geschäftsbetriebs von Unternehmen auf Mensch und Umwelt, aber auch die Folgen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das jeweilige Unternehmen zu bewerten und damit zu einer besseren Risikoeinschätzung zu gelangen.

Die Zeit drängt, denn bereits 2025 werden große, kapitalmarktorientierte Unternehmen berichtspflichtig, ein Jahr später folgen auch kleine und mittelständische Unternehmen. Konkret fallen alle börsennotierten Unternehmen in der EU – mit Ausnahme von Kleinstunternehmen – unter die Richtlinie, ebenso alle Privatunternehmen, die zwei der folgenden Kriterien erfüllen: eine Bilanzsumme von über 25 Mio. EUR, einen Nettoumsatz von über 50 Mio. EUR oder mehr als 250 Beschäftigte. Laut KPMG betrifft dies europaweit rund 50 000 Unternehmen, davon ca.15 000 in Deutschland.

CSRD basiert auf doppelter Wesentlichkeit

Ein wesentliches Merkmal der CSRD ist ihre Stringenz und Granularität: Sie erfordert die Offenlegung von Umweltauswirkungen (CO2-Emissionen, Wasserverbrauch und Abfallmanagement), berücksichtigt aber auch soziale Aspekte wie z. B. die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette, die Menschenrechte, Corporate Governance und die Korruptionsbekämpfung.

Das grundlegende Konzept der CSRD ist die „doppelte Wesentlichkeit“. Demnach müssen Unternehmen sowohl darüber berichten, wie sich ihre Aktivitäten auf die Umwelt auswirken könnten (Inside-Out-Risiken), als auch darüber, wie sich die Umwelt auf ihre Tätigkeiten auswirkt (Outside-In-Risiken), z. B. durch das Risiko des Klimawandels. Die wichtigsten Kennzahlen sind in einem digitalen XHTML-Format vorzulegen und werden unabhängig geprüft.

Um die neuen Anforderungen zu erfüllen, müssen Lebensmittel- und Getränkehersteller ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung ganzheitlicher, langfristiger und detaillierter gestalten. Sie sind verpflichtet, langfristige Kennzahlen festzulegen, jährlich darüber Rechenschaft abzulegen sowie wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in ihre Berichterstattung einzubeziehen. Um all dies leisten zu können, müssen Geschäftsdaten gesammelt, miteinander verknüpft und analysiert werden. Die gewonnen Erkenntnisse fließen dann in die Berichterstattung ein.

CSRD als Treiber der Digitalisierung

Im Rahmen einer PWC-Studie gaben 64 % der Befragten an, dass die komplexe technische Umsetzung der CSRD-Vorgaben eine Herausforderung für ihr Unternehmen darstellt. Für die Mehrheit der Unternehmen (74 %) liegt die Komplexität bei der Umsetzung der CSRD-Anforderungen vor allem darin, dass sie die gesamte Wertschöpfungskette betrachten müssen.

Eine der wesentlichen CSRD-Auswirkungen ist die Notwendigkeit, auf robuste Systeme zur Erfassung, Analyse und Weitergabe relevanter Daten zu setzen. Häufig genug fallen in den Unternehmen jedoch immer noch manuelle Prozesse an, die auf Tabellenkalkulationen basieren.

Branchenspezifische MES-Systeme (Manufacturing Execution System) sind speziell auf die Produktionsprozesse in der Lebensmittelindustrie zugeschnitten und bieten Transparenz und Kontrolle über alle Fertigungsabläufe. Die Erkenntnisse lassen sich für datengestützte Entscheidungen nutzen und reduzieren die Verschwendung von Ressourcen. Integrierte Sensoren und Zähler ermöglichen beispielsweise eine genaue Überwachung des Strom-, Gas- und Wasserverbrauchs. Die Daten werden in Echtzeit erfasst und auf einem Dashboard angezeigt. Das System schlägt Alarm, wenn der Verbrauch definierte Schwellenwerte überschreitet, es erkennt automatisch Verschwendung und liefert granulare Verbrauchsmuster im Zeitverlauf.

Die Produktion besser verstehen

Auf diese Weise gelang es Mousline, ein französischer Hersteller von Instant-Kartoffelpüree, seinen Energieverbrauch zu senken. Das Unternehmen benötigt für den Herstellungsprozess erhebliche Mengen an Dampf und betreibt einen speziellen Biomassekessel sowie eine Wasseraufbereitungsanlage, um diesen Bedarf zu decken. Der Hersteller verwendet ein System, das Echtzeitdaten über die Gesamtanlageneffektivität (Overall Equipment Effectiveness – OEE) und den Energieverbrauch liefert. Außerdem stellt es Daten bereit, die zur Steigerung der Produktivität und zur Senkung der Energiekosten beitragen. Damit gelang es dem Unternehmen, unnötige Verbrauchsspitzen zu identifizieren und den Zusammenhang zwischen bestimmten Produktionsprozessen und hohen Energiekosten besser zu verstehen.

Lieferketten im Fokus

Neben den Produktionsprozessen stehen auch die Lieferketten der Lebensmittelhersteller im Fokus: Sowohl der Transport der Ernte zum verarbeitenden Betrieb als auch der Weg der fertigen Produkte in den Einzelhandel muss überwacht und optimiert werden, um den Berichtspflichten gerecht zu werden. Daraus erwachsen auch konkrete Chancen für kürzere Transportwege und niedrigere Kosten. Gleichzeitig lassen sich Lieferzeiten verkürzen und damit die Produktfrische verbessern. Mittels KI-Tools wird die beste Route gewählt, das Flottenmanagement verbessert und die Echtzeitverfolgung und Automatisierung von Lieferungen unterstützt.

Bereit für das, was kommt

Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie kann von der Digitalisierung ihrer Produktions- und Lieferkettenprozesse – über die reine Erfüllung der CSRD-Verpflichtungen hinaus – stark profitieren. Eine verbesserte Transparenz der Lieferketten kann für die CSRD im Rahmen der Berichterstattung über Umweltauswirkungen hilfreich sein. Ein weiterer Vorteil: Lebensmittelhersteller können die von den Verbrauchern immer häufiger gewünschten Informationen über die Herkunft ihrer Produkte bereitstellen.

Darüber hinaus ist auch der Aspekt der Lebensmittelverschwendung wichtig für die CSRD-Richtlinie. Schätzungen zufolge geht ein Drittel der für den menschlichen Verzehr produzierten Lebensmittel verloren oder wird verschwendet. Allein in Deutschland ging man 2021 von rund 11 Mio. t Lebensmittelabfällen aus. Das Bewusstsein dafür wächst: Verbraucher sehen darin ein wachsendes Problem – zum einen aus finanzieller Sicht, aber auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und die Ernährungssicherheit. Eine bessere vor- und nachgelagerte Rückverfolgung von Zutaten und Produkten bei Lieferanten, Logistikdienstleistern und Partnern kann in Verbindung mit Asset Management und IoT-Technologien dieser Entwicklung entgegensteuern und dazu beitragen, dass Verschwendung in der Landwirtschaft, in den Produktionshallen, beim Transport, im Lager und im Laden besser vermieden werden.

Fazit

Eine wichtige Grundlage für die Einhaltung der CSRD in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist die Integration verschiedener, branchenspezifischer Softwarelösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. ERP-Systeme, Supply-Chain-Management-Tools, MES-Systeme und andere Plattformen sollten sowohl untereinander als auch mit Drittsystemen zusammenarbeiten. Entscheidend ist der ungehinderte Datenfluss durch sämtliche Bereiche der Lebensmittelindustrie und der ungehinderte Zugriff aller Akteure auf dieselben Echtzeitdaten. So wird aus der Herausforderung CSRD eine echte Chance: eine bessere Klimabilanz und mehr Kundenzufriedenheit.


Autor: Marcel Koks

Senior Director, Industry and Solution Strategy für die F&B Branche,
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