Insekten sind in vielen Kulturen, etwa in Asien oder Südafrika, fester Bestandteil der Ernährung. In Europa sind sie als Nahrungsmittel bisher eher ein Nischenprodukt. Dabei liegt der Fokus der industriellen Produktion derzeit auf Mehlwürmern (Tenebrio molitor), deren Larven viele Proteine aufweisen.
Mehlwürmer vs. Rindfleisch
„Mehlwürmer haben gegenüber Rindfleisch den Vorteil, dass sie etwa halb so viel CO2 produzieren und damit die Umwelt weniger belasten“, erklärt Dr. Azad Emin vom KIT. Der Verfahrenstechniker leitet die Nachwuchsgruppe „Extrusion von Biopolymeren“ im Teilinstitut Lebensmittelverfahrenstechnik (LVT) des Instituts für Bio- und Lebensmitteltechnik des KIT.
Insekten dürfen nicht mehr erkennbar sein
Als unverarbeitetes Lebensmittel – beispielsweise als Snack – lehnen viele Verbraucherinnen und Verbraucher Insekten noch ab. Erste Studien zeigen jedoch, dass bei Produkten, bei denen die Insekten nicht mehr erkennbar sind, die Akzeptanz steigt.
Zu Pulver verarbeitet sei eine Einführung in den deutschen Markt über traditionelle Lebensmittel wie Brot denkbar, das nach wie vor zu den Hauptenergiequellen gehört, erläutert Emin. „Weizenmehl mit Insektenanteilen kann das Grundnahrungsmittel mit Proteinen anreichern und so auch eventuelle Defizite aus anderen Proteinquellen ausgleichen.“
Einsatz von Extrusionsverfahren
Für die Verarbeitung der Insekten nutzen Lebensmitteltechnikerinnen und -techniker die Extrusion – ein Verfahren, das schon seit langem genutzt wird, um zum Beispiel Pasta oder Zerealien herzustellen. Durch Zufuhr von Wasser entsteht eine teigartige Masse, die zunächst über Schneckenwellen geführt, erhitzt und schließlich durch eine Düse gepresst wird. Anschließend wird die trockene Masse gemahlen.
Veränderte Teigeigenschaften durch Insektenmehle
Um eine hohe Verbraucherakzeptanz zu erreichen, sollen sich die neuen Mehle in Geschmack, Backeigenschaft und Textur kaum von herkömmlichen Backmehlen unterscheiden. Da der höhere Protein- und Fettgehalt in Insektenmehlen allerdings zu Veränderungen im Teig führt, untersuchen die Forschenden am LVT diese auf ihre physikalischen und funktionellen Eigenschaften wie Löslichkeit, Wasserhaltevermögen oder Elastizität. Ziel ist, diese durch das Extrusionsverfahren gezielt so zu verbessern, dass sie die gewünschten Eigenschaften von Backmehlen erhalten.
Bessere Verdaubarkeit
„Ein weiterer Vorteil des Verfahrens ist die Deaktivierung von Enzymen sowie die Reduktion mikrobieller Kontaminanten. Zusätzlich könnte eine verbesserte Verdaubarkeit erreicht werden“, so Emin.
Da bisher wenig über die Auswirkungen der Extrusionsbedingungen auf die Verdaubarkeit und Bioverfügbarkeit der in Insekten enthaltenen Nährstoffe bekannt sei, werden diese nun detailliert in Zusammenarbeit mit dem Max-Rubner-Institut untersucht.
Neue Perspektiven für das Bäckerhandwerk
Die Extrusion in Verbindung mit dem Erschließen neuer Rohstoffe könne auch dem traditionellen Bäckerhandwerk, insbesondere kleinen Betrieben, neue Perspektiven eröffnen, auch mit Blick auf Lebensmitteltrends. Die Zusammenarbeit mit ortsansässigen Betrieben mache außerdem eine regionale Herstellung und Weiterverarbeitung möglich.
Externe Brotprüfungen und Verbraucherbefragungen
„In unserer weiteren Forschung wollen wir die Anwendbarkeit der produzierten Mehle im handwerklichen Maßstab überprüfen. Dazu sollen bei externen Brotprüfungen neben Form und Aussehen auch die Textureigenschaften untersucht werden. Zusätzlich wollen wir Personenbefragungen durchführen“, berichtet Emin und betont, dass die gewonnenen Ergebnisse wichtig für die nachhaltig alternative Erschließung von Lebensmitteln aus Insekten seien.
Förderung durch das BMEL
Die Untersuchungen der Karlsruher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind Teil des Verbundprojekts „Funktionalisierung insektenbasierter Mehle mittels Extrusion für die Zubereitung von Backwaren“.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert das Projekt seit 2019 für die Laufzeit von drei Jahren. Weitere Projektbeteiligte sind das Max-Rubner-Institut, das Europäische Zentrum für Dispersionstechnologien und die Störrmühle GmbH.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe