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Oberflächendesinfektion mit Plasma

Alternative zu klassischen Entkeimungsverfahren
Oberflächendesinfektion mit Plasma

Dank seiner antimikrobiellen Wirkung eignet sich Plasma hervorragend zur Desinfektion und Sterilisation. Plasmatreat, ein Unternehmen für atmosphärische Plasmatechnologie, hat ein Verfahren entwickelt, das Krankheitserreger in kürzester Zeit sicher und umweltfreundlich von Oberflächen aller Art eliminiert. Hier erfahren Sie, wie dieses Verfahren für die Oberflächendesinfektion von Materialien, Geräten, Textilien, Produktionsanlagen, Lebensmitteln und Krankentransportwagen funktioniert.

Ob in der Nahrungsmittelproduktion, in Krankenhäusern oder in pharmazeutischen Prozessen: Die Oberflächendesinfektion ist in vielen Branchen ein Muss. So können bereits kleinste Kontaminationen bei der Fertigung, Abfüllung und Verpackung von Produkten wie Lebensmitteln, Getränken oder Medikamenten erhebliche gesundheitliche Probleme verursachen. Auch medizinische Instrumente, Geräte, Mobiliar und Schutzausrüstungsgegenstände müssen sorgfältig von Bakterien, Pilzen, Viren und Co. befreit werden. Zur Keimreduktion stehen zahlreiche unterschiedliche Desinfektions- und Sterilisationsverfahren zur Verfügung – von Heißluftsterilisation und Autoklavieren über die Nutzung ionisierender Strahlung (UV-, Röntgen- oder Gammastrahlung) bis hin zum Einsatz chemischer Substanzen wie Formaldehyd, Ethylenoxid oder Peressigsäure. Eine noch recht neue Methode ist die Behandlung mit Atmosphärendruckplasma.

Mit Plasma gegen Keime

Die antimikrobielle Wirksamkeit von Plasma ist bekannt und wissenschaftlich bestätigt. Niederdruck-Plasmaanlagen kommen bereits erfolgreich zur Anwendung. Doch aufgrund der erforderlichen Vakuumkammer sind diese in der Regel groß und schwer. Plasmatreat geht einen anderen Weg. Der Hersteller für Anlagen für atmosphärische Plasmatechnologie hat ein Sterilisationsverfahren entwickelt, das unter Normaldruck funktioniert. „Im Gegensatz zu den klassischen Techniken arbeiten wir weder mit Hitze, Druck, Strahlen oder Chemikalien. Das hat für viele Anwendungsbereiche Vorteile. Insbesondere empfindliche Materialien wie Kunststoff, Schäume und Textilien profitieren von einer Behandlung mit Atmosphärendruckplasma“, betont Prof. Dr. Thomas Schmitt-John, Leiter der Abteilung Plasma Life Science bei Plasmatreat, und ergänzt: „Zudem ist die Methode schnell, umweltfreundlich und kommt ohne aufwendige Apparaturen aus.“ Benötigt werden lediglich Luft, etwas Wasser und Strom.

Reaktionsfreudiges Gas

In der Industrie wird Plasma bereits seit langem erfolgreich zum Reinigen, Aktivieren und Beschichten von Oberflächen eingesetzt. Plasma ist ein ionisiertes Gas und entsteht durch die Einkopplung von Energie in gasförmige Materie, wobei den Elektronenhüllen der Gas-Atome einzelne Elektronen entzogen werden. Plasma enthält Ionen, freie Elektronen, angeregte Moleküle, Radikale und Molekülfragmente. Diese Mischung ist chemisch sehr reaktiv und kann mit Oberflächen, Flüssigkeiten oder auch Mikroorganismen interagieren. Bereits das aus der Industrie bekannte trockene Plasma besitzt eine antimikrobielle Wirkung. Wird es mit Wasser in Verbindung gebracht, lässt sich dieser Effekt noch einmal deutlich steigern. „Treffen die reaktiven Stickstoff- und Sauerstoffspezies aus dem Plasma auf Wassermoleküle bilden sich Hydroxylradikale (OH). Diese sind als sehr wirksame Desinfektionsmittel gut bekannt“, so Schmitt-John und macht deutlich: „Es sind aber nicht nur die Hydroxylradikale, die die antimikrobielle Wirkung hervorrufen. Vielmehr ist es ein Zusammenklang vieler verschiedener reaktiver Spezies. Auch Wasserstoffperoxid und Ozon gehören dazu.“

Ideal für temperaturempfindliche Materialien

Für die Desinfektion und Sterilisation mithilfe von Plasma hat Plasmatreat spezielle Düsen entwickelt. Diese erzeugen das Plasmagas nach dem Prinzip der dielektrischen Barriereentladung (engl. Dielectric Barrier Discharge, kurz DBD) statt wie beim üblichen Atmosphärendruckplasma durch eine lichtbogenartige Entladung. Das hat den Vorteil, dass die Temperatur niedriger ist. So lassen sich auch thermoempfindliche oder -labile Materialien schnell und sicher entkeimen. Mit der Plasmatechnologie werden Entkeimungsraten von 1 Mio kbE (koloniebildende Einheiten) erreicht. Das entspricht einer Keimreduktion von 6 log-Stufen und damit den Anforderungen für eine Sterilisation. Selbst besonders stabile multiresistente Keime lassen sich mit Plasma abtöten – so die Ergebnisse jahrelanger Forschung im mikrobiologischen Labor im Technologiezentrum von Plasmatreat.

Wasser verstärkt die sterilisierende Wirkung von Plasma

Die Behandlung kann entweder mit plasmaaktiviertem Wasser (PAW) oder plasmaaktiviertem Wasserdampf (PAWV = Plasma-Activated Water Vapor) erfolgen. Beide Verfahren sind sehr ähnlich und unterscheiden sich hauptsächlich durch den Aggregatzustand sowie die Intensität der Plasmaaktivierung. So entsteht PAWV durch die Mischung von Wasser und Plasma als Gase, während bei der Herstellung von PAW Gas in Wasser eingebracht wird. Wird ein Kondensat von PAWV aufgefangen, erhält man wieder PAW.

Die entkeimende Wirkung von PAWV ist sowohl gegen vegetative Bakterien (bakterizid) als auch gegen bakterielle Endosporen (sporozid) sowie Pilze (fungizid) belegt. Neben der direkten Oberflächensterilisation ist auch die Entkeimung von (kleineren) Produktionsräumen möglich. Die antibakterielle Wirkung von PAW ist ähnlich wie beim PAWV, allerdings ließ sich bisher keine sporozide Wirkung für PAW nachweisen. Im Fall von PAW können Produktionsort und Ort der Anwendung verschieden sein, sodass die Sterilisation nicht unmittelbar nach der Herstellung des plasmaaktivierten Wassers erfolgen muss, sondern eine Lagerung und somit spätere Verwendung dieses Desinfektionsmittels möglich ist. PAW kann vergossen, versprüht oder vernebelt werden und eine direkt behandelte Oberfläche in wenigen Sekunden sterilisieren. Neben der direkten Oberflächensterilisation ist auch ein Waschen von Objekten im plasmaaktivierten Wasser möglich.

Schutzkleidung schnell und sicher sterilisieren

Zur Anwendung kommt das PAWV-Prinzip unter anderem im neuen Plasma-Sterilisationsschrank PTSC580. Das Gerät wurde von Plasmatreat für die Wiederaufbereitung von Einweg-Schutzkleidung in der Corona-Pandemie entwickelt und ermöglicht es, gefährliche Krankheitserreger schnell, sicher und materialschonend zu eliminieren. Dazu wird im Inneren des Schrankes mithilfe von Plasma und Wasser beziehungsweise plasmaaktiviertem Wasser eine desinfizierende Atmosphäre aufgebaut. Der hochreaktive Sauerstoff und die Hydroxylradikale durchdringen wie eine Gasdesinfektion selbst dichte Gewebe und führen zur Wechselwirkung mit den zugängigen Oberflächen, ohne diese signifikant zu schädigen. Der Sterilisationsprozess läuft vollautomatisch ab und dauert insgesamt nur eine halbe Stunde. Bereits benutzte Atemschutzmasken, Schutzanzüge, Brillen und Handschuhe können so gereinigt und weitere Male verwendet werden. Auch Beatmungsschläuche und Endoskope lassen sich künftig wiederaufbereiten.

Beim PTSC580 handelt es sich derzeit noch um einen Prototyp. Die Wirksamkeit von Plasma gegen bakterielle Endosporen auf glatten und rauen Oberflächen ist belegt. Tests, die die keimabtötende Wirkung auch gegen Viren bestätigen, stehen noch aus. Daran arbeitet Plasmatreat aktuell mit Hochdruck. „Wir befinden uns in einem Graubereich. Wir wissen, dass unser Verfahren wirkt und haben auch ausreichend Beweise – zugelassen ist das Verfahren aber noch nicht. Dieser Prozess dauert unglaublich lang“, erklärt Geschäftsführer Christian Buske. Sein Kollege Schmitt-John ergänzt: „Bakterielle Endosporen sind extrem widerstandsfähig und gelten als die resistenteste Lebensform. Viren sind sehr viel empfindlicher. Labortests werden die Wirksamkeit von Plasma gegen Viren in Kürze verifizieren.“ Eine erste Anlage wird derzeit vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) getestet.

Mobile Oberflächendesinfektion

Der Plasma-Sterilisationsschrank ist eine Weiterentwicklung des Verbundprojektes Moplasdekon (Mobile Plasma-Dekontamination). Moplasdekon ist ein neuartiger, mobiler Plasma-Desinfektor zur schnellen und chemikalienfreien Dekontamination von verseuchten Oberflächen und Gegenständen. Polymere Schutzanzüge von Einsatzkräften können ebenso effektiv desinfiziert werden wie die Innenräume ganzer Krankentransportwagen. Eine spezielle Gassensorik überprüft zudem die Wirksamkeit der Plasmabehandlung gegenüber den pathogenen Erregern vor Ort. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV), dem Unternehmen m-u-t GmbH, dem assoziierten Partner Bayerisches Rotes Kreuz (BRK) sowie einer Vielzahl an weiteren Partnern sowie wissenschaftlichen Instituten entstanden. Als industrielles Produkt wird die Moplasdekon-Anlage bei einem Gewicht von nur 25 kg von einer Person tragbar, mobil einsetzbar und leicht bedienbar sein. Ein eingebauter Lithium-Ionen-Akku sichert zu jedem Zeitpunkt die Stromversorgung. Mit der Anlage soll es zukünftig möglich werden, an jedem Ort der Welt verseuchte Gegenstände ohne den Einsatz aggressiver Chemikalien zu entkeimen.

Plasma: Die Zukunft der Sterilisation

Noch sind die Sterilisationsverfahren von Plasmatreat nicht für den Einsatz in der Industrie oder der klinischen Routine zugelassen, doch das Potenzial ist groß. Egal ob Lebensmittel, Medizin oder Pharma: Plasma erlaubt eine schnelle, einfache, umweltfreundliche sowie kostengünstige Sterilisation und eröffnet völlig neue Möglichkeiten zur schonenden Reinigung unterschiedlichster Materialien, Geräte und Textilien. Auch die Desinfektion von Personen in Schutzanzügen, die Handdesinfektion und die Hygienisierung von Lebensmitteln-Produktionsanlagen bzw. Verpackungen ist denkbar. Selbst Lebensmittel können durch die Behandlung mit PAWV oder PAW schnell und einfach sterilisiert werden. Die Industrie profitiert darüber hinaus von der Inline-Integrierbarkeit, der einfachen Steuerung sowie der maximalen Prozesssicherheit der Plasmatreat-Systeme. „Plasma wird sicherlich nicht alle herkömmlichen Desinfektionsverfahren ersetzen“, so Schmitt-John. „Aber überall dort, wo eine besonders schnelle Sterilisation oder die Dekontamination empfindlicher Materialien wie Kunststoffe und Textilien gefordert ist, wird die Plasmadesinfektion den ihr gebührenden Stellenwert bekommen.“

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