Die Online-Befragung fand unter Federführung des DLG-Ausschusses für Sensorik und der Hochschule Fulda, Fachbereich Lebensmitteltechnologie, statt. Im Dezember 2021 beteiligten sich 177 Fach- und Führungskräfte aus der deutschsprachigen Lebensmittelwirtschaft an der Umfrage. Deutlich wurde, dass der Stellenwert der Sensorik im Mehrjahresvergleich sukzessive zugenommen hat und auch künftig weiter an Bedeutung gewinnen wird. Die vielseitigen Verbraucheranforderungen an den Geschmack von Lebensmitteln und Getränken, aber auch das von Rohstofflimitationen und Reformulierungen betroffene Rezepturmanagement machen vor allem in der Produktentwicklung und Qualitätssicherung den Einsatz professioneller sensorischer Methoden erforderlich.
Anwendungsfelder und Methoden
Bei den Anwendungsfeldern dominieren wie in den Jahren zuvor Aufgaben aus der Qualitätssicherung wie die „Überprüfung von Produktstandards“, die „Überprüfung von Reklamationen“ sowie „Wareneingangskontrollen“. Auffallend ist, dass der Bereich „Lagertests, MHD-Tests“ zugenommen hat. Vermutlich steht dies im Zusammenhang mit dem permanent verkürzten Time-to-Market und dem branchenübergreifend vermehrten Einsatz alternativer pflanzlicher Rohstoffe. In der Produktentwicklung werden sensorische Methoden vor allem bei der „Rezepturanpassung/-neuentwicklung“ genutzt.
Prüfermanagement
Charakteristisch ist für die Prüfer und Experten-Panels, die im Rahmen von analytischen Prüfungen als „Messinstrument“ eingesetzt werden, dass sie „sensorisch und produktspezifisch geschulte Mitarbeiter“ sind und sich als ein „konstantes Mitarbeiter-Panel“ regelmäßig zu Prüfungen zusammenfinden. Bei den Konsumentenpanels im Bereich der hedonischen Prüfungen wird von knapp der Hälfte der Befragten auf ein „konstantes Mitarbeiter-Panel“, also auf „betriebsangehörige nicht sensorisch geschulte Konsumenten“ zurückgegriffen. Rund 34 % der Befragten setzen projektabhängig auf wechselnde betriebsfremde Konsumenten.
Instrumentelle Sensorik
Geräte zur „instrumentellen Sensorik“ sind wichtige Bestandteile im Rahmen der Produktanalytik in der Lebensmittelbranche. Rund die Hälfte der Befragten nutzt unterstützend und ergänzend zur Humansensorik Geräte im Bereich der „optischen Analyse“, gefolgt von solchen zur „Texturanalyse“. Bei der „optischen Analyse“ dominieren, wie auch im Vorjahr, „Spektralfotometer“ und „Colorimeter, Chroma-Meter“. Eine Zunahme, wenngleich auf niedrigem Niveau, hat der Einsatz von in der Regel auf Kamerasystemen basierenden „elektronischen Augen“ erfahren. „Texture Analyser“ und „Viskosimeter“ sind nach wie vor die am meisten eingesetzten technischen Instrumente in der Texturanalyse.
Digitalisierung und Automatisierung
Rund 40 bis 60 % der Befragten setzen sich mit der „digitalen Prozessunterstützung“ in der Expertensensorik auseinander. Dabei sind die digitale „systematische Archivierung der Prüfergebnisse“ und die elektronische „Erhebung der Prüfergebnisse“ am häufigsten umgesetzt, gefolgt von der „Dokumentation einzelner Prüferleistungen“ und der „Dokumentation der Panelleistungen“. Geringere Anwendung (Angaben jeweils unter 15 %) finden aktuell IT-basierte bzw. automatisierte Datenanalysen in Form von Trendanalysen bzw. Auswertungen der Prüfer- und Panelleistungen.
Die unternehmensinterne digitale Vernetzung der Daten aus der Lebensmittelsensorik mit Labormanagementsystemen (LIMS) und die Digitalisierung der Reklamationsbearbeitung sind bislang am stärksten als „digitale Geschäftsmodelle“ umgesetzt. Eine Vernetzung zwischen Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette ist hingegen am wenigsten realisiert. Rund 15 bis 25 % der Teilnehmer setzen sich damit derzeit in Projekten auseinander. Mit der digitalen Konsumentenforschung beschäftigt sich aktuell knapp ein Drittel der Befragten. Dabei dominiert der Einsatz von „Online-Fragebögen“ vor der Nutzung von „virtual Reality Instrumenten“.
Sensorik und Corona
Der Digitalisierungsgrad von Prozessen und der Einsatz von speziellen web-basierten und dezentral nutzbaren Softwareprogrammen sowie Apps begünstigte gerade während der Corona-Pandemie die Aufrechterhaltung sensorischer Tätigkeiten. Der höheren Effizienz standen allerdings entgegen: ein Mehraufwand beim Probenversand der dezentralen Verkostungen, intensive Reinigungsprozesse im Sensoriklabor sowie eine höhere Prüffrequenz der halbierten Prüfergruppen. Dreiviertel der Befragten nutzten keine Sensorik-Software, sondern Papierbögen. Dass die Verantwortlichen das Potenzial IT-gestützter Tools erkannt haben, zeigen die Ergebnisse zu den geplanten Investitionen, die größtenteils die Infrastruktur fokussieren. Weitere Verbesserungspotenziale, die aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie abgeleitet werden können, sind hybride Konzepte. Einen räumlichen Wechsel oder auch die Kombination von Präsenz und digital kann sich rund ein Drittel der Befragten sowohl bei Verkostungen als auch bei Panelschulungen vorstellen. Dabei spielen, die Präsenz ergänzende, digitale Briefings über Online-Konferenz-Tools oder E-Learning-Module ebenso eine Rolle wie gemeinsame zeitgleiche (synchrone) oder getrennte, individuelle bzw. flexible (asynchrone) Abläufe.
Zukunftsthemen und Aufgaben
Die TOP 5 Bereiche fallen unter den Oberbegriff „Rezepturmanagement“. Sie wurden von den Befragten als „sehr wichtig“ bzw. „wichtig“ eingeschätzt. Konkret handelt es sich um die Themen „Nachhaltigkeit“ „Gesundheit“, „Clean Labeling“ und „Produktinnovationen“, wobei sich die „Nachhaltigkeit“ an die Spitze der Bewertungen gesetzt hat. Auf den Plätzen 6 bis 10 folgen die „Reformulierung“ sowie aus dem Bereich der „Humansensorik“ die sensorischen „Methoden in Forschung & Entwicklung“ und die „Methoden in QS“. Bedeutend sind zudem „Fortbildungen“ zur vertiefenden und fortlaufenden „Qualifizierung“ in der Sensorik.
Fazit
Wie groß die Bedeutung der Digitalisierung auch für den Bereich der Lebensmittelsensorik ist und welche Potenziale zur Effizienzsteigerung bzw. Qualitätsverbesserung vor allem im Prüfer- und Datenmanagement erzielt werden können, hat die Corona-Pandemie gezeigt.
Hybride Konzepte, die geschickt vorhandene Online-Tools mit persönlichen Treffen verbinden, IT-Systeme zur Künstlichen Intelligenz und eine weitere Prozess-Automatisierung werden zukünftig die professionelle Lebensmittelsensorik weiter durchdringen. Mit diesen Entwicklungen einher geht die Notwendigkeit der weiteren Professionalisierung humansensorischer Tätigkeiten durch regelmäßige Fortbildungen und eine proaktive Auseinandersetzung mit den sich stetig weiterentwickelnden wissenschaftlich fundierten sensorischen Methoden zur Beurteilung von Lebensmitteln.
Der DLG-Trendmonitor 2022 ist folgendermaßen erhältlich: B.Schneider@DLG.org oder als Download unter: https://www.dlg.org/de/lebensmittel/themen/publikationen/trendmonitor/