Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, die im Auftrag des Verbands forschender Pharma-Unternehmen (vfa) erstellt wurde, fehlen derzeit rund 176 000 Fachkräfte in pharmarelevanten Berufen. Ein so großer Fachkräftemangel ist ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie in Deutschland.
Die für die Pharmabranche zuständige Gewerkschaft IGBCE und der vfa fordern daher in einem gemeinsamen Positionspapier die Politik auf, dringend notwendige Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftepotenzials zu ergreifen. Besonders dramatisch sei die Situation in der Produktion, wo gemäß der Studie jede vierte Stelle nicht besetzt werden könne. Auch in Forschung und Entwicklung sowie IT-Berufen gäbe es erhebliche Engpässe, die die Innovationskraft der Branche gefährden. Die pharmazeutischen Clusterregionen wie das Rhein-Main-Gebiet und Oberbayern wären besonders stark betroffen. Diese Engpässe würden nicht nur die Weiterentwicklung der Branche, sondern auch die Versorgungssicherheit mit wichtigen Arzneimitteln behindern.
Drei zentrale Handlungsfelder
Ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland ist älter als 55 Jahre. Damit werden 6,7 Millionen Menschen dem Arbeitsmarkt im Laufe des kommenden Jahrzehnts nicht mehr zur Verfügung stehen; qualifizierter Nachwuchs in ausreichender Zahl aber fehlt. Zwar sind pharmarelevante Berufe insgesamt aktuell weniger von Engpässen betroffen als andere Bereiche wie etwa die Pflege oder das Handwerk. Dennoch konnte im Jahr 2023 fast jede dritte vakante Stelle in pharmarelevanten Berufen nicht mit passend qualifiziertem Personal besetzt werden. Um dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken wurden drei zentrale Handlungsfelder definiert:
- Vorhandene Fachkräftepotenziale besser ausschöpfen und „Gute Arbeit“ stärken: Es ist entscheidend, alle verfügbaren inländischen Fachkräftepotenziale auszuschöpfen. Dazu zählen die Integration von Frauen, älteren Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig müssen Unternehmen attraktive Arbeitsbedingungen schaffen und flexible Arbeitszeitmodelle anbieten. Die Politik muss bestehende Hemmnisse im Steuer- und Sozialsystem beseitigen.
- Produktivität steigern und Weiterqualifizierung fördern: Um den steigenden Kompetenzanforderungen gerecht zu werden, müssen Weiterbildungsangebote gezielt ausgebaut und der Erwerb von Zusatzqualifikationen gefördert werden. Besonders wichtig ist es, An- und Ungelernte durch passgenaue Programme zu qualifizieren und den Quereinstieg in MINT-Berufe zu erleichtern. Die Bundesregierung sollte die bestehenden Förderprogramme zur Weiterbildung weiterentwickeln und den Zugang zu diesen Programmen vereinfachen.
- Gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland: Die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland ist unverzichtbar. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet hierfür eine solide Grundlage, muss jedoch konsequent umgesetzt und weiter ausgebaut werden. Die Politik sollte sicherstellen, dass die Verwaltungsprozesse deutlich beschleunigt und zentrale Anlaufstellen für Unternehmen geschaffen werden.
Der vfa und die IGBCE sind sich einig: Die im Positionspapier beschriebenen Maßnahmen sind notwendig, um den Wohlstand und die Innovationskraft Deutschlands zu sichern. Eine erfolgreiche Fachkräftesicherung ist nicht nur Aufgabe der Wirtschaft, sondern erfordert auch geeignete Rahmenbedingungen seitens der Politik. Insgesamt helfe auch ein sozialpartnerschaftlicher Auftritt, in dem der Wert der Pharmaindustrie für den Industriestandort Deutschland und die Versorgungssicherheit auf der einen Seite und Vorteile „Guter Arbeit“ wie hohe Löhne, umfassende Tarifbindung sowie betriebliche Mitbestimmung auf der anderen Seite deutlich kommuniziert werden, um Menschen für die Branche zu gewinnen.
IW-Studie „Fachkräftemangel: Hemmschuh für den Pharmastandort Deutschland“
Das gemeinsame Positionspapier der IGBCE und des vfa