Mit der neuen EU-HTA-Verordnung wird die Nutzenbewertung von neuen Therapien erstmals auf europäischer Ebene geregelt. Diese wird parallel zur europäischen Zulassung durchgeführt. Ziele sind der schnellere Zugang zu neuen Therapien, die Verringerung von Doppelarbeit und die Harmonisierung der klinischen Bewertung. Die Zusammenarbeit auf EU-Ebene kann Europa als Pharmastandort stärken. Es kommt nun darauf an, EU-HTA (engl. Health Technology Assessments) als vorhersehbaren, praktikablen und koordinierten Rahmen auszugestalten, um den größtmöglichen gemeinsamen Nutzen zu schaffen und den schnellen Zugang zu neuen Therapien in Deutschland zu erhalten. „Europa muss im internationalen Innovationswettbewerb ein paar Meter aufholen. Das geht nur, wenn vorhandene Kompetenzen gebündelt werden und in kompakte Verfahren münden. Das verspricht die europäische Nutzenbewertung und deshalb ist sie ein guter Schritt,“ sagt vfa-Präsident Han Steutel.
Rechtlicher Rahmen für die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten
Die neue Verordnung schafft den rechtlichen und organisatorischen Rahmen für die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bei gemeinsamen klinischen Bewertungen neuer Arzneimittel sowie der dazugehörigen wissenschaftlichen Beratungen. Die Rahmenvorgaben sind nun zu konkretisieren. In den kommenden drei Jahren werden die Prozesse, Methoden und Anforderungen des EU-HTA durch die Mitgliedsstaaten ausgestaltet. Danach sollen zunächst die neu zugelassenen onkologischen Medikamente bzw. Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP, engl. Advanced Therapy Medical Products) bewertet werden, um das Verfahren anschließend schrittweise auf weitere Medikamentengruppen auszuweiten.
Was ist Europäische Nutzenbewertung?
Seit Januar 2018 liegen die Pläne zur Einführung einer europäischen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel. dem europäischen Gesetzgeber (Europäischer Rat und EU-Parlament) vor. Arzneimittel-Nutzenbewertungen werden bereits in vielen nationalen Gesundheitssystemen durchgeführt.
Die EU arbeitet daran, nach dem Vorbild der europaweiten Zulassung von Arzneimitteln, die Vielzahl der nationalen medizinischen Bewertungen zu harmonisieren. Darüber hinaus schlägt die Kommission gemeinsame wissenschaftliche Beratungen von Zulassungsbehörden und Institutionen zur Nutzenbewertung vor. Diese haben das Ziel, Studienanforderungen für die Zulassung und für die medizinische Bewertung besser abzustimmen. Die EU-Mitgliedstaaten haben bei diesen Themen bereits seit vielen Jahren freiwillig im Rahmen des „Europäischen Netzwerks für Health Technology Assessment“ (kurz: EUnetHTA) zusammengearbeitet. Diese bestehende Kooperation soll nun auf eine solide rechtliche Basis gestellt und verstetigt werden, um die Zusammenarbeit auch nach Auslaufen der Projektförderung 2021 sicherzustellen. Die nationale Verantwortung Erstattungsbeträge zu verhandeln, bleibt davon unberührt.
Was ist Nutzenbewertung im deutschen Kontext?
Im deutschen Gesundheitssystem gilt seit 2011 das sogenannte AMNOG-Verfahren für die Preisregulierung innovativer Medikamente. Es besteht im Wesentlichen aus den zwei Komponenten Zusatznutzenbewertung und darauf aufbauender Preisverhandlung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Entscheidungsgremium der gesetzlichen Krankenversicherung, bewertet zunächst den Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels gegenüber einer von ihm festgelegten Vergleichstherapie. Das Ergebnis dieser Bewertung ist dann maßgeblich für die Preisverhandlung zwischen Hersteller und dem Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV).
Wie ist die künftige Arbeitsteilung nach den Plänen der EU?
Das deutsche AMNOG-Verfahren kann nach den Plänen der EU-Kommission im Kern so weitergeführt werden. Lediglich der erste Teil der Zusatznutzenbewertung, die Bewertung der medizinischen Studienlage, soll in Zukunft gemeinsam auf europäischer Ebene durchgeführt werden. Für diese medizinische Bewertung beauftragt der G-BA heute in der Regel das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) mit der Erstellung eines Berichts. In Zukunft würde das IQWiG auf europäischer Ebene an dem gemeinsamen Bewertungsbericht mitarbeiten. Die tatsächliche Entscheidung über den Zusatznutzen, auf Basis des europäischen Berichts, verbliebe weiterhin im nationalen Aufgabenbereich des G-BA. Auch wäre der GKV-SV in Deutschland nach wie vor für die nachgelagerten Preisverhandlungen mit dem Hersteller verantwortlich.
Europa als Pharmastandort stärken
Die Zusammenarbeit auf EU-Ebene kann Europa als Pharmastandort und die globale Wettbewerbsfähigkeit des Sektors stärken. Der vfa und sein europäischer Dachverband EFPIA (engl. European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations) haben sich deshalb mit Forderungen nach Harmonisierung und verbindlicher Nutzung der klinischen Bewertungen stets für ein effizientes EU-HTA eingesetzt. Der Kompromisstext räumt den Mitgliedsstaaten jedoch weitreichende Spielräume für nationale Nachbewertungen ein, die den Zielen nach Die Mitgliedsstaaten sollten jetzt die Chance nutzen als Europa weiter zusammenzuwachsen und so Synergien zu schaffen.