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Auf die Strategie kommt es an

Digitalisierung schon mit dem Gebäude planen
Auf die Strategie kommt es an

Digitale Technologien und Systeme bieten viele Vorteile und neue Möglichkeiten, Prozesse zu gestalten. Es kommt darauf an, die geeigneten Tools auszuwählen, sie miteinander zu vernetzen und dabei die Cyber Security nicht außer Acht zu lassen. Um digitale Strukturen richtig aufzubauen, müssen sich zukunftsorientierte Unternehmen bei Neu- und Umbauvorhaben rechtzeitig damit auseinandersetzen.

Die Ziffern 4.0 bereiten vielen Pharmaunternehmen Kopfzerbrechen. Für die eher konservative Haltung gibt es einen guten Grund: Prozess- und Produktionssicherheit stehen im Fokus. Sind sie gestört und können die Produkte nicht geliefert werden, drohen mehr als nur finanzielle Einbußen. Auch ein gefährlicher Imageverlust ist damit verbunden. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Chancen, die neue digitale Technologien bieten. Werden sie richtig eingebunden, führen sie zu besser funktionierenden Gebäuden und Prozessen.

Viele Technologien sind bereits verfügbar und wirtschaftlich – es fehlt nur ihre durchdachte Integration und Vernetzung. Moderne Sensorik erlaubt es zum Beispiel, ein realistisches Bild von der aktuellen Situation im jeweiligen Gebäudeteil zu erhalten. Auf dieser Basis können Unternehmen beispielsweise entscheiden, ob zusätzliche Wärmepolster in der Produktion stehen sollten. Außerdem erhöht ein sinnvoll aufgebautes Tracking die Transparenz in Bezug auf die Wege, die Personen und mobile Anlagen in Gebäuden zurücklegen. Anhand dieser Informationen können die betroffenen Arbeitsabläufe analysiert und verbessert werden. Aktuell werden in der Pharmaindustrie vor allem Daten über Temperatur, Partikel oder Feuchte gesammelt – aber nicht über das Verhältnis zwischen Gebäude und Nutzer. Aufgrund fehlender Informationen entziehen sich viele Prozesse der Optimierung.
Ein weiteres Beispiel für die Möglichkeiten von digitalen Tools in der Pharmaproduktion bezieht sich auf die Oberflächen im Reinraum. Berührungen weitgehend zu vermeiden, Anlagen und Prozesse ohne Körperkontakt zu steuern, das ist keine Science Fiction. Sprachsteuerungssysteme wie iOS-Siri oder Amazon Alexa weisen bereits heute darauf hin, in welche Richtung die Zukunft der Pharmaindustrie geht. Dafür müssen allerdings alle Systeme miteinander vernetzt sein. Die Menge und Bandbreite an verfügbaren IoT-fähigen Geräten ist enorm. Aber ihr Potenzial wird meistens nicht voll ausgeschöpft, weil sie nicht von Anfang an intelligent miteinander verknüpft sind.
Guter Start als oberstes Gebot
Bauherren der Pharmaindustrie müssen sich bereits in der frühen Phase der Projektplanung Gedanken darüber machen, welche Ziele sie mit den neuen Technologien erreichen möchten. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt werden auch die baulichen Voraussetzungen geregelt. Sind die Räume einmal qualifiziert, können Änderungen erst nach einem genauen Verfahren erfolgen, was zusätzliche Kosten bedeutet. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist es deshalb, am Anfang des Projekts eine Digitalisierungsstrategie zu definieren. Jedes Unternehmen hat dabei unterschiedliche Bedürfnisse. Es gibt nicht das eine Rezept für die Digitalisierung. Dazu werden zunächst die Anforderungen in einem Lastenheft zusammengefasst und im Anschluss die notwendigen Digitalisierungsbausteine festgelegt.
Das Ziel ist, klare Vorgaben für die Planungsleistungen zu haben. Dabei ergänzt ein Digitalisierungsconsultant die klassischen Planungsbereiche wie Architektur und technische Gebäudeausrüstung. Denn ohne eine entsprechende Koordination ist eine so vielschichtige Aufgabe wie die Digitalisierung nicht alleine zu meistern. Vor allem müssen neue Tools und Technologien übergreifend verbunden werden. Die Aufgabe des Digitalisierungsconsultants ist es also, die Projekte von der ersten Phase bis hin zur Inbetriebnahme zu begleiten. Er stellt dabei sicher, dass die am Anfang festgelegte Strategie auch umgesetzt wird.
Intelligente Interaktion ermöglichen
Unterschiedliche Zutrittskontrollen für Bürogebäude und Produktion, voneinander unabhängige Sensoriksysteme, fehlende Verknüpfung zwischen Sensoren, Auswerteserver und Steuerung: Das sind nur wenige Beispiele dafür, dass digitale Technologien zwar bereits oft eingesetzt, aber noch nicht ausreichend miteinander vernetzt werden. Hinzu kommt die Herausforderung Big Data. Bereits heute werden viele Daten erhoben und ausgewertet. In den wenigsten Fällen erfolgt das allerdings gezielt. Das Ergebnis: Die Daten sind in Hülle und Fülle verfügbar, ihre Bearbeitung erweist sich aber als eine lästige Aufgabe. Meistens fehlt es auch an Personal, das sich mit den Informationen auseinandersetzt und sie bewertet. Damit fehlt die Basis für wichtige Entscheidungen, auch die Optimierungspotenziale können nicht erreicht werden.
All das sind Gründe, warum ein übergreifendes System, eine Art „Brain“, zu den festen Bestandteilen einer Digitalisierungsstrategie gehört. Zum einen erlaubt es den verschiedenen Systemen, miteinander zu kommunizieren. Zum anderen fungiert es als Schnittstelle, die zudem selbstlernend und intelligent ist. Dadurch ermöglicht dieses Brain die Automatisierung bestimmter Prozesse, die sonst einen Aufwand von mehreren Arbeitskräften erfordern. Lösungen dafür gibt es bereits auf dem Markt – etwa die Watson-Technologie von IBM oder die Systeme von Thing Technologies oder PTC.
Von der Planung bis in den Betrieb
Bisher entfaltet das Building Information Modeling, kurz BIM, seine Stärken vor allem in Bezug auf die Planung von Gebäuden. Es geht dabei hauptsächlich um die digitale Bündelung von Planungsdaten in einem System. Damit ist es möglich, das Gebäude zunächst virtuell fertigzustellen, bevor es in Beton, Stahl und Glas tatsächlich gebaut wird.
Allerdings ist BIM auch – und gerade für den späteren Betrieb – sehr wichtig. In erster Linie geht es auch hier um die Daten. Werden sie von Anfang an kontinuierlich abgeglichen, zentral erfasst und gepflegt, ermöglichen sie später ein besseres Facility Management. Beispielsweise sorgen sie für mehr Transparenz bezüglich der Reinigung der Räume: Welche Bereiche wurden tatsächlich genutzt und sollen gereinigt werden? Gerade in der Pharmaproduktion ist dies ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.
Auch für die Instandhaltung hat die Datentransparenz große Vorteile. Ist eine Anlage beispielsweise störungsgefährdet, schlägt das Brain Alarm und erkennt im Optimalfall auch, worin das Problem liegt. Das System wertet Informationen aus und lernt mit der Zeit immer mehr über das Verhalten von Gebäuden, Anlagen und Personen. Der Clou aber ist, dass das Brain imstande ist, die verschiedenen Daten miteinander zu verknüpfen, Muster und Zusammenhänge zu erkennen und auf dieser Basis intelligente Lösungen zu generieren. Das Ergebnis: weniger Störungen, mehr Prozesssicherheit und eine effizientere Produktion.
Die Sicherheit hat Vorrang
Ausfälle wie etwa bei der Telekom im November 2016 zeigen, welche Gefahren im Digitalisierungsbereich lauern. Neben den finanziellen Risiken geht es bei Pharmaunternehmen vor allem um die Reputation. Wer seine Daten und Anlagen nicht absichert, verliert Kundenvertrauen. Um das zu verhindern, gilt es, ein Cyber-Security-Management-System aufzubauen. Hier geht es darum, die Regeln festzulegen, nach denen Anlagensysteme, Gebäudetechnik und sensible Unternehmensbereiche vernetzt werden.
Zur Cyber-Security-Strategie zählt außerdem die Frage nach dem Umgang mit Rechenzentren. Die gestiegenen Sicherheitsanforderungen führen dazu, dass eigene Serverkapazitäten oftmals nicht mehr wirtschaftlich sind. Eine Alternative zum teuren Eigen-Aufbau stellt das Rechenzentrum-Housing oder -Hosting dar. Auf IT-Strukturen spezialisierte Anbieter stellen Unternehmen die notwendige Infrastruktur zur Verfügung. Da diese Dienstleister alle Aspekte wie mehrfach abgesicherte Stromversorgung, qualifiziertes Personal und eine Betreuung rund um die Uhr abdecken, ist auch die Verfügbarkeit der Daten – damit auch die Produktionssicherheit – gewährleistet.
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Klaus Dederichs
Associate Partner, Drees & Sommer
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