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Biotest betreibt eigene Sammelzentren für Blutplasma zur Gewinnung des für die Produktion benötigten Rohstoffs. Des Weiteren erforscht, entwickelt und produziert das Unternehmen Plasmaproteinpräparate am Standort Dreieich. Biotest trennt das gesammelte Plasma in seine Bestandteile auf und verarbeitet es zu Gerinnungsfaktoren, Immunglobulinen und Albumin. Der Vertrieb dieser lebensrettenden Medikamente hatte einen so nachhaltigen Erfolg, dass sich das Unternehmen entschlossen hat, bis 2021 seine Produktionskapazitäten mehr als zu verdoppeln. Die Plasma-Fraktionierung soll von 1,5 auf fast 3 Mio. l steigen, die Immunglobulinproduktion von 6 auf 12,5 und die Albuminproduktion von 42 auf 75 t. In der neuen Anlage werden insbesondere die Ausbeuten gesteigert.
Projekt „Biotest Next Level“
In diesem Projekt hat Biotest einen neuen Komplex am Stammsitz errichtet. In dessen Zentrum steht ein Produktionsgebäude mit neuen pharmatechnischen Anlagen. PW dient dabei vielfältigen Zwecken – u. a. als Speisewasser für die WFI- und RD-Erzeuger und als Clean-in-Place-Lösungsansatz. Die neuen Produktionsanlagen sollen auch zu mehr Prozesseffizienz und Rentabilität beitragen, denn künftig will Biotest aus einem Liter Plasma nicht mehr drei, sondern fünf Produkte herstellen.
Auf höchste Verfügbarkeit ausgelegt
Leistungsträger bzw. „Herz und Kreislauf“ der Prozesse sollte ein neu gebautes Gesamtsystem zur Erzeugung, Lagerung und Verteilung von PW werden. Von der Zuverlässigkeit dieser Anlage würden alle Prozesse bei Biotest abhängen. Deshalb hatte der Kunde beschlossen, seinen seit Jahren bewährten Partner BWT mit der Planung und Errichtung der Basiserzeugung von PW und Reinstdampf zu beauftragen. Ergebnis: eine Lösung aus standardisierten Anlagen, die höchstmögliche Verfügbarkeit und Produktionssicherheit bietet. Neben dem vielfach bewährten und umfassenden Produktportfolio überzeugte auch das Projektmanagement, wovon sich Florian Reitzenstein, Projektverantwortlicher PW & RD des Generalplaners VTU Engineering, ein frühes Bild machen konnte: „Wir waren überrascht, wie engagiert sich BWT in das Projekt eingebracht hat, noch weit im Vorfeld der heißen Bewerbungsphase und mit fast dem gesamten späteren Projektteam. Diese Unterstützung war wertvoll für uns und hat uns bei der Auslegung des Projekts entscheidend geholfen.“
Genügend Leistung steht bereit
Die Leistungsvorgabe des Kunden betrug enorme 30 m3/h Reinstwasser. Den Kern der BWT-Lösung bildete entsprechend die Baureihe Osmotron Pro. Die Idee des Engineerings bestand darin, drei kleinere, komplett vorgefertigte und im Werk getestete PW-Erzeuger Osmotron Pro 10.000 PW 2S anstelle einer sehr großen bzw. zweier größerer Maschinen zu setzen. Die Überlegung: Im Fall der Nichtverfügbarkeit einer einzigen Großmaschine bliebe nur noch das Reinstwasser in den Lagertanks als Puffer – zu riskant. Auch eine Zwei-Erzeuger-Lösung erwies sich als suboptimal. Bei der vorgeschlagenen Dreier-Kombination dagegen blieben noch 67 % Produktionskapazität, sollte eine Anlage einmal nicht verfügbar sein, seis im Regenerations-, seis im Sanitisierungsfall. Als attraktiv erwies sich die Konfiguration auch im Hinblick auf die Zukunft: Steigt der Bedarf weiter, fügt sich ein vierter Osmotron Pro 10.000 PW 2S problemlos in die im Kellergeschoss des neuen Produktionsgebäudes untergebrachte Medienzentrale ein. Hier befindet sich auch der 25 m3 umfassende, erdbebensicher gebaute PP-Tank für die 26%ige NaCl-Sole, die zur Regeneration der Enthärter gebraucht wird. Angeliefert wird die Flüssigsole per Lkw, das manuelle Salz-Handling und Ansetzen der Sole entfällt komplett. BWT errichtete diese Anlage inklusive Pumpenstation und Zuführsystem zu den Osmotrons. Neben jedem Osmotron steht ein kleiner Tagestank mit genügend Sole für zwei Regenerationen.
Leistungsfähige Verteilsysteme
Als Komplettanbieter von Reinstmedien-Versorgungen wurde BWT entsprechend auch mit der Lagerung und Verteilung des Reinstwassers beauftragt. Die geforderte Speichermenge für PW beträgt beeindruckende 125 m3 und wurde von den BWT-Ingenieuren aufgeteilt in fünf hinter den Osmotrons positionierten Tanks mit je 25 m3 Fassungsvermögen. Drei Tanks dienen der Versorgung des NVI-Loops, zwei sind für die Versorgung des VVI-Loops zuständig (NVI und VVI bezeichnen getrennte Kreisläufe der Nach- bzw. Vor-Virus-Inaktivierung). Biotest setzt darüber hinaus mehrere BWT-Loopos – so die Bezeichnung für Kompaktanlagen zur Verteilung, Sanitisierung und Qualitätsüberwachung von Reinstwasser – ein, um das PW in die verschiedenen Gebäudeteile zu bringen. Die Förderleistung der beiden größten Loopos beeindruckt mit über 120 m3/h.
Kontinuierliche Sanitisierung
Loopo-Lösungen bieten alle Vorteile einer modernen PW-Verteilung und eliminieren auch das Risiko mikrobiologischer Kontamination. BWT konstruierte drei Hauptloops mit drei weiteren Subloops. Die dabei eingesetzten sechs Loopos werden jeweils mit parallel laufenden Doppelpumpen betrieben – für maximale Ausfallsicherheit. Ein Teil des Reinstwassers wird BWT-Steritrons zugeleitet. Diese kompakten elektrolytischen Generatoren erzeugen daraus Ozon, das benötigt wird, um die Tanks mikrobiologisch sicher zu betreiben. Noch eine Besonderheit des Komplettsystems liegt in der kleinen Laboranlage mit Verteilsystem, die ein kleiner Loopo versorgt. Die Anlage wurde am Stück vormontiert per Lift in den im 5. Stock befindlichen Labortrakt eingebracht.
Hohe Anforderungen an Reinstdampf
Sterilen, pyrogenfreien Reinstdampf benötigt jeder Pharmahersteller, um u. a. seine Anlagen, Tanks und Rohrleitungen zu sterilisieren und die Reinräume zu befeuchten. Für Biotest installierte BWT zwei bedarfsgeregelte Vapotron-Anlagen mit jeweils 1500 kg/h Leistung. Die Anlagen sind mit einer thermischen Entgasung ausgestattet und die Dampfqualität wird kontinuierlich am Erzeuger und am Strangende der Hauptverteilung überwacht. Hierzu wurden auch 35 Probeentnahmeeinheiten geliefert und installiert. Auch bei der Reinstdampferzeugung wurde „Luft nach oben“ eingebaut – zwei optionale zusätzliche Erzeuger finden Raum und Anschluss. Am Ende bewährte sich auch das Konzept der Generalplaner, das die Lieferanten verpflichtete, innerhalb ihres Raumes sämtliche Versorgungsanlagen auf ihre Anlagen zu verrohren. Entsprechend installierte BWT die Schwarzmedienanbindungen und die Elektroversorgung bis hin zu definierten Schnittstellen an der Raumgrenze. Koordiniert wurde diese Arbeitsteilung innerhalb eines integrierten 3-D-Modells.
Alles unter Kontrolle
Alle Anlagen sind über das Maschinennetz, das physikalisch vom IT-Netz getrennt ist, zusammengeschaltet. Vorteil: Biotest überblickt und kontrolliert das Gesamtsystem auch außerhalb des Gebäudes und kann die Daten für Predictive Maintenance, zur Zustands- und Wartungsplanung sowie zur Analyse direkt an BWT und seine Reinstmedienexperten weitergeben. Die Verantwortlichen von Biotest zeigten sich von dieser Lösung besonders begeistert.
Verfügbarkeitsfaktor Service
Entsprechend der existenziellen Rolle, welche die Reinstmedienerzeugung im Produktionsprozess bei Biotest spielt, war auch der After-Sales-Service bei der Auftragsvergabe hoch gewichtet worden. Vorteilhaft wirkte sich hier die gute geografische Aufstellung des Serviceteams im Rhein-Main-Gebiet und das umfassende Ersatzteilangebot aus, das die BWT-Logistik vorhält. Entscheidend aber waren die guten Erfahrungen, die Biotest mit dem Service von BWT bereits gemacht hatte. „Dokumentation, GMP-gerechtes Arbeiten, die Serviceleistungen vor Ort – das alles wird von BWT sorgfältig und umfassend vorbereitet und läuft völlig problemlos“, erklärt Simon Teichgreeber, verantwortlicher Projektmanager bei Biotest. „Auch neue Serviceleute kennen sich sofort mit allem aus, was der hoch standardisierten Systemtechnik zu verdanken ist, die BWT im Programm hat.“ Noch ein Vorteil der OEM-Servicepartnerschaft: Selbst hochkomplexe Anlagen können in kürzester Zeit komplett gewartet bzw. instand gesetzt werden.
Lebenszyklus in besten Händen
Gemäß dem hohen, selbst gesetzten Standard sollte BWT schließlich den Lebenszyklus der neuen Anlage verantworten, inklusive Wartung und Instandhaltung, Kalibrierung, Dichtungswechsel, Sterilfilterwechsel, Integritätstest und Verbrauchsmaterial-Management. Der Leistungsumfang umfasst zusätzlich die initiale Organisation der durch Biotest vor Ort zu lagernden, für den Betrieb kritischen Ersatzteile.
Produktionsstart 2020
Investiert wurden bislang 250 Mio. Euro, 300 Mio. sind insgesamt geplant, auch sollen 300 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden. Neben neuen Produktionsanlagen entstanden Flächen für Büros, Labore sowie Lager für Rohstoffe und Fertigwaren. Das neue Produktionsgebäude am Rande des Biotest-Werksgeländes in Dreieich ragt 32 m in den Himmel. Die Vorbereitungen für Qualifizierung und Validierung laufen auf Hochtouren, 2018 stand die Operational Qualification an, Ende 2019 erfolgte das FDA Approval, 2020 startet dann die neue Produktion.
BWT Pharma & Biotech GmbH, Bietigheim-Bissingen