Die Investoren wollen Profitabilität, die Regulatoren eine stabile und nachgewiesene Produktqualität. Und beide jeweils mehr davon. Auf der einen Seite steigt der Regulierungsdruck: Verbesserte Messtechnologien, zunehmende Markttransparenz, Konsumentenempfindlichkeit in puncto Produktqualität und -nebenwirkungen sowie aggressiver investigativer Journalismus gegenüber Pharmakonzernen veranlassen Aufsichtsbehörden dazu, strenger aufzutreten. Auf der anderen Seite tobt der Preiskampf – nicht zuletzt bedingt durch den Wegfall von Patentrechten und Produktionsverlagerungen in Billiglohnländer. Für Unternehmen ist es eine massive Herausforderung, die Produktqualität unter diesen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Viele Pharmaunternehmen leiden unter dieser Problematik, thematisieren sie aber nicht; schon einmal gar nicht in der Öffentlichkeit. Es gilt, einen Ruf zu wahren.
Schreckgespenst Behördenaudits
Vor dem Hintergrund der Compliance-Effizienz-Problematik passiert daher oft erst einmal gar nichts. Das allerdings führt meist zu einem bösen Erwachen, etwa bei Mängelfeststellungen seitens der Regulierungsbehörden – und allerspätestens dann, wenn ein Warnschreiben (Warning Letter) einer Behörde ins Haus flattert. Dann wird es hektisch. Es muss extrem schnell und substanziell reagiert werden, um nicht aus Märkten ausgeschlossen zu werden und Profite zu verlieren. Heftige Diskussionen auf höchster Ebene branden auf, immense Gelder werden bereitgestellt, die Manpower wird durch externe Rekrutierung vergrößert und Compliance-Experten zurate gezogen. Hauptsache, man kommt den regulatorischen Ansprüchen irgendwie zügig nach.
Das Problem: Hohe Compliance bringt, wenn sie überstürzt unter Notfallbedingungen durchgedrückt wurde, oft sehr hohe Effizienzeinbußen mit sich. Schließlich geht es den hinzugezogenen Compliance-Spezialisten zu diesem Zeitpunkt ausschließlich um den Erhalt der Rechtskonformität aller Prozesse, nicht um Effizienz oder die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.
Das böse Erwachen folgt dann im Nachhinein, wenn die Marktposition des Unternehmens neu bewertet wird. Durch die ineffiziente Aufblähung der Organisation wird der Ruf nach Effizienz laut, der Heerschar der Compliance-Experten folgt die der Effizienzberater. Schnell rutschen dann unerwünschte Forderungen in den Fokus, bis hin zu Personalkürzungen oder gar Standortschließungen, weil das Unternehmen nun zwar regelkonform, aber nicht länger effizient arbeitet.
Sprich, durch die Lösung des Complianceproblems wurde ein anderes, nicht minder kritisches Effizienzproblem geschaffen. Wie aber können Unternehmen diesen Teufelskreis durchbrechen, damit Compliance und Effizienz kein dauerhaftes Pingpongspiel starten, sondern das Unternehmen sich an beiden Fronten gleichermaßen wettbewerbsfähig aufstellen kann?
Neuer Ansatz notwendig
Ein neuer Ansatz muss her, der sowohl Compliance als auch Effizienz Rechnung trägt – am besten proaktiv, im Notfall auch reaktiv: Compliance- und Prozessexperten müssen gemeinsam als Team die Herstellungs- und die Qualitätsprozesse durchleuchten. So können sie anhand der Compliancestandards effiziente Produktionsverfahren aufsetzen. Basierend auf der aktuellen Situation des Herstellers gilt es, Compliancelücken zu schließen und gleichzeitig unter Berücksichtigung der Regulierungsvorgaben effiziente Prozesse zu definieren. Dies sollte in Form von Roadmaps erfolgen, die Zustandsdiagnosen und Lösungen für drei Dimensionen erarbeiten: Prozesse, Governancestrukturen und Unternehmenskultur.
Drei Beispiele
Ein eingängiges Beispiel liefert die SOP-Landschaft (gelenkte Qualitätsmanagementdokumente wie Prozess- und Verfahrensanweisungen). Optimalerweise strukturiert ein Pharmaunternehmen diese so um, dass die Mitarbeiter in der Herstellung nicht mehr eine halbe Million Buchstaben, sondern nur noch ein Fünftel davon zu lesen haben, um ihrer produktiven Arbeit nachgehen zu können. Hierzu muss es analysieren, wer genau welche Aktivitätsrolle ausfüllt und welche SOP-Inhalte für genau diese – und nur diese – Aktivitäten relevant sind. Die Produktionshalle wird so clever mit dem Qualitätsmanagement verlinkt. Das Ergebnis: Die Produktivität steigt, und das Auditrisiko sowie die Frustration bei den Mitarbeitern sinken.
Ein weiteres Beispiel ist der Change-Control-Prozess (die Änderungskontrolle). Hierfür müssen Maßnahmen abgearbeitet werden, die bei einem veränderten Herstellungsprozess die regulatorische Compliance der freizugebenden Produkte sicherstellen. In der Praxis kommt es zu enormen Verzögerungen und Backlogs in der Freigabe, wenn an dieser Stelle Compliance und Effizienz nicht gleichzeitig betrachtet werden.
Letztes Beispiel: die periodischen Product Quality Reviews als Teil des Produktqualitätsmanagements. Laut Regulierung müssen diese durchgeführt werden und mit den Daten – zum Beispiel abweichenden Analyseresultaten (Out of Specifications (OOS)) oder Abweichungen (Deviations) – in den diversen GMP-Systemen konsistent sein. Sind die Datenflüsse aus Produktion und Qualitätskontrolle nicht sinnvoll strukturiert, ist diese Aktivität ein Nerven- und Ressourcenfresser, verbunden mit sehr kritischen Auditrisiken. Pharmaunternehmen sollten dieses Risiko in einem Aufwasch beseitigen, indem sie compliancerelevante Informationsströme effizient gestalten.
Regelkonform und effizient
Die Beispiele zeigen: Dem Pingpongspiel von Compliance- und Effizienzanforderungen – und den damit verbundenen kostenintensiven Beraterwellen – kann Einhalt geboten werden. Unternehmen müssen effiziente Prozesse regelkonform und regelkonforme Prozesse effizient gestalten. Wer im Zuge von Efficient Compliance Qualitätsprozesse wie Herstellprozesse betrachtet, geht den richtigen Schritt, um die Produktivität zu maximieren und unnötige Frustrationen aus dem System zu verbannen.
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