Das rasante Wachstum von Bionorica in Verbindung mit zahlreichen neuen Fertigungslinien ließen den Prozesswärmebedarf in den letzten Jahren stetig steigen. Viele Vorgänge bei der Herstellung der Arzneimittel auf Pflanzenbasis benötigen Prozesswärme in Form von Dampf. Besonders energieintensiv sind z. B. die Extraktion von pflanzlichen Rohstoffen, die Aufkonzentration, die Trocknung sowie die Aufbereitung von Reinigungsmitteln. Den gestiegenen Bedarf konnte die Bestandsanlage aus dem Jahr 1993 mit 4 t/h Dampfleistung nicht mehr abdecken. Unter Berücksichtigung der Umweltphilosophie des Unternehmens plante das Ingenieurbüro Farmbauer eine von Grund auf neue Dampfversorgung. Besondere Herausforderung war die Realisierung des neuen Kesselhauses. Aufgrund der Gebäudesituation am Standort Neumarkt stand nur eine sehr begrenzte Grundfläche für den Bau zur Verfügung. Doch es gab Luft nach oben und so installierte der zuständige Anlagenbauer Petry die Module zur Wasseraufbereitung und die nachgeschalteten Abgaswärmetauscher auf eine zweite Ebene, direkt unter dem Dach des Kesselhauses. Im Erdgeschoss fanden die beiden Dampfkessel vom Typ UL-S ihren Platz. Sie liefern besonders effizient und ressourcenschonend insgesamt bis zu 10 t/h Dampf – ganz im Sinne von Bionorica.
Abwärme effizient nutzen
Um die anfallende Abgasabwärme aus der Dampferzeugung sinnvoll zu nutzen und damit den Brennstoffverbrauch und die Emissionen möglichst niedrig zu halten, hat man sich für jeweils zwei Abgaswärmetauscher entschieden. Allein diese beiden Komponenten sparen im Verlauf von 10 Jahren über 800 000 Euro an Erdgaskosten ein. Dabei wird die Umwelt durch die Einsparung von 21 t CO2-Emissionen entlastet, das entspricht einem Emissionsausstoß von mehr als 12 000 Pkws. Zunächst wird das Abgas durch die integrierten Economiser geleitet und das Speisewasser vorgewärmt, wodurch sich der Einsatz von Brennstoff bei der Dampferzeugung reduziert. Durch den kontinuierlich hohen Bedarf an warmem Brauchwasser für die Laugen-/Säurestation in der Produktion bot es sich an, zusätzlich Brennwertwärmetauscher nachzuschalten. Das Abgas wird in diesen noch weiter abgekühlt. Die somit gewonnene Energie erhöht die Temperatur des Brauchwassers von 10 °C aus der Leitung kommend auf etwa 55 °C. Die Investition in die Brennwertwärmetauscher wird sich bereits nach rund zwei Jahren amortisiert haben. Zur weiteren Effizienzsteigerung und Senkung der Abgasverluste sind die Kessel mit Verbrennungsregelungen ausgerüstet. Diese funktionieren ähnlich wie die Lambda-Regelung in einem Pkw.
Aber nicht nur die Abgasabwärme der Dampfkessel, auch prozessbedingte Abwärme aus der thermischen Entgasung lässt sich zurückgewinnen. Ein installierter Brüdenkühler kondensiert den Brüdendampf. Die daraus gewonnene Energie dient zur Vorwärmung des Zusatzwassers bevor es den Speisewasserbehälter erreicht. Das spart wiederum Aufheizenergie und damit Brennstoffkosten beim Entgasungsprozess.
Optimale Wasserqualität
Wasser ist nicht gleich Wasser. Frischwasser muss zuerst aufbereitet und thermisch entgast werden, bevor es zur Dampferzeugung eingesetzt werden kann. Der Enthärtung ist die thermische Entgasung nachgeschaltet, um schädliche korrosive Bestandteile wie Kohlendioxid und Sauerstoff zu entfernen. Hier fand das im Bosch-Werk vormontierte Vollentgasungsmodul WSM bestehend aus Speisewasserbehälter, Steuerung und Dosieranlage seinen Einsatz. Die Anlage nimmt Zusatzwasser und Kondensat aus dem Prozess auf und erhitzt es auf 103 °C. Mit zunehmender Temperatur entweichen die gelösten Gase über das Dach zusammen mit dem Brüdendampf. Zurück bleibt gasfreies Speisewasser, das mit drehzahlgeregelten Pumpen über den Economiser in den Kessel geleitet wird.
Eine weitere wesentliche Einsparung wird durch die Kondensatrückgewinnung realisiert. Mithilfe des Kondensatmoduls lässt sich anfallendes Kondensat von den Verbrauchern zurückgewinnen und somit der Zusatzwasserbedarf immens reduzieren. Das Modul sammelt, speichert und fördert es nach Bedarf in die Vollentgasungsanlage zurück. Da das Kondensat bereits über eine höhere Temperatur verfügt, reduziert sich der Energieeinsatz innerhalb der thermischen Entgasung noch weiter.
Aber bitte leise
Bionorica achtet auf einen geräuscharmen Betrieb – für das Wohlbefinden von Mitarbeitern und Nachbarn. Große Wirkung zeigen die drehzahlgeregelten Verbrennungsluftgebläse der Erdgasbrenner. Sie passen die Drehzahl an die tatsächliche Kessellast an, dadurch wird die Schallemission der Luftregelklappe und des Gebläses erheblich reduziert. Darüber hinaus fällt die Stromrechnung wesentlich niedriger aus, da mit einer Drehzahlregelung bis zu 70 % an elektrischer Energie in Teillast eingespart werden kann. Die schalldämpfenden Brennerhauben reduzieren die Brennergeräusche zusätzlich. Auch die natürlichen Verbrennungsgeräusche, die sich durch das Abgassystem über den Schornstein verbreiten, sind dank der installierten Abgasschalldämpfer minimiert. Der Schalldruckpegel sinkt um bis zu 21 dB(A) – zum Vergleich: Bereits eine Minderung von 10 dB entspricht einer Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke.
Automatischer Betrieb
Die SPS-basierten Steuerungen BCO und SCO bei Bionorica ermöglichen eine komfortable Steuerung und Überwachung der beiden Kessel und der Gesamtanlage. Die Kesselsteuerungen BCO analysieren und speichern sämtliche Betriebswerte. Intelligente Funktionen helfen dem Bedienpersonal bei Bionorica, die Kessel mit konstant hoher Effizienz zu betreiben. Sind beispielsweise die Absalzwerte zu hoch oder abgasseitige Verschmutzungen aufgetreten, werden diese über die Zustandsüberwachung visualisiert. Des Weiteren vereinfacht die integrierte Anfahrautomatik den Kesselstart aus dem kalten Zustand sämtliche Arbeitsvorgänge wie das schrittweise Öffnen des Dampfentnahmeventils erfolgen automatisiert. Das beugt Bedienfehler vor und schont die Kessel.
Das Herzstück der Steuergeräte ist die Anlagensteuerung SCO. Sie fasst alle Kessel- und Modulsteuerungen zusammen und überträgt Daten über eine Modbus-Anbindung an die zentrale Leittechnik von Bionorica. Über die SCO können die Vollentgasung, das Kondensatmodul, die Kondensat- und Leitfähigkeitsüberwachung und die Kessel angesteuert werden. Mithilfe der integrierten Folgesteuerung lassen sich beide Dampferzeuger besonders wirtschaftlich betreiben und selbst stark schwankender Dampfbedarf kann ohne Effizienzverluste abgedeckt werden. Sobald der Führungskessel den geforderten Dampfdruck nicht mehr erzeugen kann, schaltet der Folgekessel automatisiert zu. Beide Kessel werden durch eine Heizschlange warmgehalten, für eine besonders schnelle Verfügbarkeit.
Positives Ergebnis
Bereits nach knapp fünf Monaten war die komplette Errichtung des Kesselhauses und der gesamten Dampfkesselanlage abgeschlossen. Für einen unterbrechungsfreien Betrieb während der Bauphase versorgten die Bestandskessel die Produktion weiterhin mit Prozesswärme. Mit einem sehr hohen Wirkungsgrad von knapp 103 % bezogen auf den Heizwert überzeugen die neuen Dampfkessel in ihrer Effizienz und schonen Ressourcen nachhaltig. Die Maßnahmen zur Wärmerückgewinnung helfen, die Verbräuche und die CO2-Emissionen zu reduzieren. Darüber hinaus profitiert Bionorica von einer verbesserten Betriebsweise dank des hohen Automatisierungsgrades. Sämtliche Vorgänge von der Absalzung über die Kondensattechnologie bis hin zum adaptiven Wechsel von Führungs- und Folgekessel erfolgen automatisiert.
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Annemarie Wittmann
Marketing/Kommunikation,
Bosch Industriekessel