Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung einer einheimischen pharmazeutischen Produktion für die Arzneimittelversorgung in Europa verdeutlicht. Welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um die vorhandene Produktion hier zu halten und zu stärken und damit Versorgungsengpässe zu vermeiden, erläutert der neue Vorstandsvorsitzende des BPI, Dr. Hans-Georg Feldmeier.
Die Coronakrise hat gezeigt, wie wichtig eine einheimische pharmazeutische Industrie zur Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Arzneimitteln und Impfstoffen ist. Europäische Hersteller sind das Rückgrat der Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln und Medizinprodukten. In der Krise haben wir gesehen, dass in einzelnen Regionen der globalisierten Welt nationalstaatliche Interessen mehr und mehr Dominanz gewonnen haben. Die Gesundheitsindustrie in Deutschland und Europa hat dabei gezeigt, dass sie leistungsfähig ist. Trotz größter logistischer Herausforderungen konnte sie ihre Produktion aufrechterhalten. Darüber hinaus wurden schnell Testsysteme und in Rekordzeit neue, sichere Impfstoffe entwickelt. Ebenso erfolgt die Produktion der Impfstoffe zum großen Teil in europäischen Werken. Zulieferindustrie und Hersteller von Hilfsmitteln und intensivmedizinischen Produkten konnten ihre Kapazitäten entsprechend hochfahren.
Solide Preisbasis erforderlich
Zum Glück sind in Europa noch Kapazitäten vorhanden, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden. Allerdings haben wir in den letzten Jahren erhebliche Kapazitätsverluste zu beklagen. Die europäische Gesundheitspolitik hat in den vergangenen Jahren im Bestandsmarkt einen so hohen Preisdruck bei gleichzeitiger Überregulierung auf die Hersteller erzeugt, dass es zu einer Abwanderung von Herstellungskapazitäten für Arzneimittel und Wirkstoffe in Drittstaaten gekommen ist. Dadurch entstand eine riskante Marktkonzentration nicht nur bei den Wirkstoffherstellern. Dieser Sachverhalt gefährdet die Liefer- und Versorgungssicherheit, weil es dadurch nicht nur zu einer Deindustrialisierung im Bereich der Arzneimittelproduktion kommt, sondern dies auch Auswirkungen auf die europäische Zulieferindustrie hat. Durch die einhergehende Konzentration auf wenige Hersteller in manchen Bereichen werden wir zunehmend anfällig für Versorgungsengpässe. Angesichts der (anhaltenden)
Krisensituation muss die Politik erkennen, dass das Kaputtsparen des Bestandsmarktes, der mehr als 75 % der verschreibungspflichtigen Arzneimittel beinhaltet, ein Ende haben muss. Es muss möglich sein, hierzulande eine solide Preisbasis und die richtigen Rahmenbedingungen für eine sichere Arzneimittelversorgung zu schaffen. Dafür müssen wir in die Ressourcensicherung
investieren. Die deutschen und europäischen Pharmaunternehmen wollen ihren Beitrag dazu leisten. Sie brauchen dafür aber verlässliche Rahmenbedingungen, faire und vor allem auskömmliche Preise und Planungssicherheit. Tagestherapiekosten von
6 Cent im Bestandsmarkt bei Ausschreibungen sind kein nachhaltiges Konzept zur Sicherung unserer Gesundheitsversorgung.
Konzepte liegen vor
Gerade bei versorgungskritischen Arzneimitteln ist es sinnvoll, mittelfristig auch die Produktion zurückzuholen. Gleichzeitig lässt sich die Globalisierung nicht zurückdrehen. Das wäre auch nicht zielführend. Wir kämpfen als BPI deshalb aktiv dafür, die vorhandene Produktion in Europa zu halten und zu stärken. Dazu braucht es einen klaren politischen Willen und Realitätssinn und ein Ende der ruinösen Ausschreibungspraxis gerade bei patentfreien Arzneimitteln. Wir haben entsprechende Konzepte erarbeitet, um insbesondere bei Ausschreibungen den europäischen Produktionsanteil und damit unsere Versorgung zu sichern. Nun ist die Politik gefragt, dies auch umzusetzen.