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Gläserne Tabletten

Computertomograf blickt ins Innere
Gläserne Tabletten

Um Medikamente gezielt dem Körper zuzuführen, setzt die Medizin auf Funktionstabletten, die ihre Wirkstoffe nach einem Plan abgeben. Ein komplexer Aufbau sorgt dafür, dass dies funktioniert. Doch damit werden die Tabletten auch Gegenstand für die High-Tech-Qualitätssicherung. Eine elegante Prüfmethode ist die industrielle Computertomografie.

Die meisten Tabletten sind heute längst keine einfachen Pillen mehr, die aus einem einheitlichen Pulver gepresst werden, vielmehr handelt es sich um wohldurchdachte, teils komplizierte „Konstruktionen“. Außen sind sie mit einer Beschichtung versehen, einem besonderen Filmcoat, der sich erst nach einer bestimmten Zeit auflöst. Das Innere besteht aus einer oder mehreren Füllungen. Das können Treibladungen sein oder Pellets, kleine Tabletten in der Tablette. Solche Pellets, die eigentlichen Wirkstoffträger, sind zumeist magensaftresistent. Sie gelangen nach Auflösung der äußeren Kapsel in den Darm, um ihre Wirkstoffe erst dort abzugeben. Damit die Verabreichung plangemäß erfolgt, sind bei der Herstellung mehrere Qualitätskriterien einzuhalten: Die Dicken der Filmcoats um die Kapsel und die Pellets müssen in einer vorgegebenen Toleranz liegen. Dasselbe gilt für das Volumen der Pellets. Bei der Produktion kann es vorkommen, dass die winzigen Kügelchen zu Clustern verbacken oder gequetscht werden. Dabei können sie aufplatzen und ihre Magensaftresistenz verlieren. Ein Mindestvolumen unbeschädigter Pellets ist wichtig, damit die Dosierung stimmt.

Wie fast immer in solchen Fällen ist eine zerstörende oder zerstörungsfreie Prüfung möglich. Zerstörende Methoden sind mit Präparationsaufwand verbunden und verlangen unter Umständen viele Schnitte durch ein oder mehrere Prüfobjekte. Eleganter ist die zerstörungsfreie Prüfung mithilfe des Computertomografen und der entsprechenden Analysesoftware. Das Qualitätslabor erhält Volumendaten, der Informationsgehalt ist um einiges größer, die Ergebnisse sind schneller verfügbar.
Geringe Kontraste
Die Anwendung der CT auf Pharmaprodukte setzt allerdings etwas Erfahrung voraus, weiß Peter Ernst, Geschäftsführer beim CT-Dienstleister Quality Analysis zu berichten: „Es entstehen Volumendaten mit sehr geringen Grauwertunterschieden. Es kommt daher auf eine optimale Justierung der Anlage an. Die anschließende Auswertung funktioniert in der Regel nicht auf Knopfdruck, sondern erfordert viel Fingerspitzengefühl.“ Das ist eine ganz andere Ausgangslage als etwa bei Metall- oder Kunststoffspritzguss, wo Gasblasen und Fremdkörper andere Dichten als der Grundstoff haben. Große Dichteunterschiede bedeuten große Unterschiede bezüglich der Röntgendurchlässigkeit. Es entsteht ein CT-Datensatz mit deutlichen Grauwertkontrasten.
Die fast identische Röntgendurchlässigkeit der Bestandteile einer Tablette bedingt dagegen nur sehr feine Grauwertunterschiede. Dennoch, die Analysesoftware VGStudio Max von Volume Graphics, die Quality Analysis nutzt, spürt auch diese auf. Die Auswertung basiert auf den Modulen zur Wandstärken- und Defektanalyse, die sonst bei technischen Bauteilen aus Aluminium oder Kunststoff zur Anwendung kommen. Die Aufgabenstellung ist ähnlich und die Software so flexibel, dass sie die Dicke eines Filmcoats oder ein Pellet wie eine Gusswandstärke und einen Einschluss zu behandeln erlaubt.
Erweiterte Oberflächenfindung
Um quantitative Aussagen über Dicken oder Volumina treffen zu können, werden die Oberflächen der einzelnen Elemente bestimmt. Dafür müssen die Pellets und sämtliche Hüllschichten zunächst vorsegmentiert werden. Bei großen Dichte- respektive Grauwertunterschieden ließen sich viele Analyseschritte automatisieren. Sind die Kontraste aber gering, greift der Qualitätstechniker auf ein Konzept der Software zurück, das der Heidelberger Softwarehersteller in den letzten Jahren immer wieder optimiert hat. Dieses Konzept besteht aus einer Reihe von Tools, um Objekte in sogenannte Regions of Interest (ROI) zu zerlegen. „Innerhalb der ROI erfolgt die Oberflächenfindung mithilfe der lokalen Grauwerte – das ist das Besondere“, erklärt Christof Reinhart, Geschäftsführer bei Volume Graphics. „Der Anwender kann diese Regionen selbst vorgeben. Er definiert dabei eine Startkontur, von dieser ausgehend errechnet das Programm sehr schnell den realen Oberflächenverlauf.“ Der Anwender nutzt dabei ähnliche Funktionen wie der Bildbearbeiter im digitalen Fotostudio (Lasso, Zauberstab etc.), nur dass er sich in der 3-D-Welt bewegt. Mit Voxeln als kleinsten Bausteinen des CT-Datensatzes – vergleichbar mit den Pixeln in der 2-D-Welt – gleichen die Begrenzungslinien der gefundenen Oberflächen anfangs einer Treppenstruktur. VGStudio Max bietet aber eine „erweiterte Oberflächenfindung“. Diese rechnet subvoxelgenau, d. h. sie schneidet die Voxel dort durch, wo die Oberfläche real verläuft und glättet damit die Treppenstruktur. Das Ergebnis ist ein hochgenauer Oberflächenverlauf, Ausgangsbasis für ebenso genaue Messungen. Beispielsweise lassen sich nun die nur wenige µm dicken Coats der Tabletten bestimmen. Der Anwender kann sich an jedem Punkt die Dicke der segmentierten Schicht anzeigen lassen.
Ginge es um technische Objekte, von denen eine CAD-Konstruktion vorliegt, ließen sich diese Daten als Startkontur für die erweiterte Oberflächenfindung nutzen. Bedingt durch ihre Herstellung ist der Aufbau von Tabletten bzw. die Verteilung der Pellets aber völlig dem Zufall überlassen. Das ist auch der Grund, warum es bei Anwendungen mit sehr kontrastarmen Daten vielleicht mehr als sonst auf die Erfahrung des Qualitätstechnikers ankommt, wie er seine ROIs definiert. Hilfreich ist freilich eine Scan-Technologie auf dem aktuellen Stand. Je kontrastreicher die Ausgangsdaten, desto schneller liegen am Ende die Ergebnisse vor. Der CT-Dienstleister in Dettingen/Teck nutzt aktuell eine Micro-CT-Anlage mit einer 80-kV-Röntgenröhre und einem 4k-Detektor. Die Auflösung bei dieser Anwendung beträgt 5 µm.

Richard Läpple
Freier Journalist
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