Sexualhormone binden sich im Körper an Rezeptoren und lösen in den Zellen spezifische Reaktionen aus. Sie wirken nicht nur auf die Geschlechtsorgane, sondern haben auch starken Einfluss auf die Gehirntätigkeit und die Stimmungslage. In der Medizin werden Sexualhormone eingesetzt, wenn die körpereigene Produktion nicht ausreicht (Hormonersatztherapie) oder bestimmte Wirkungen im Körper erzielt werden sollen, wie beispielsweise zur Empfängnisverhütung.
Produktion in Konstanz
Der deutsche Pharmahersteller Dr. Kade produziert zahlreiche Hormonprodukte, in erster Linie für gynäkologische Anwendungen. Am Standort Konstanz hat das Unternehmen im Jahr 2009 einen hochmodernen Gebäudekomplex in Betrieb genommen, der ausschließlich auf die Verarbeitung von Hormonen unter Containmentbedingungen ausgerichtet ist. „Wir setzen in Konstanz auf ein maßgeschneidertes Containment“, erklärt Christian Franke, Herstellungsleiter bei Dr. Kade. „Mit der richtigen Ausstattung können wir die gesetzlichen Sicherheitsstandards erfüllen, unsere Mitarbeiter rundum schützen, effizient produzieren und flexibel auf Veränderungen in der Produktnachfrage reagieren.“
High Containment gefordert
Bei der Verarbeitung von Sexualhormonen hat der Arbeitsschutz höchsten Stellenwert. Franke erläutert, welche Sicherheitsbestimmungen und technischen Anforderungen für Dr. Kade gelten: „In den Tabletten verarbeiten wir Östrogene und Gestagene, wobei die niedrigste Dosierung bei 30 µg pro Tablette liegt. In hauseigenen Gefährdungsbeurteilungen wurden die Arbeitsplatzgrenzwerte für die von uns verarbeiteten weiblichen Sexualhormone mit 0,04 bis 5,21 mg/m3 Luft definiert. Wir bewegen uns damit im Gefährdungsbereich OEB 4 bis OEB 5. Das heißt, eine klassische Reinraumlösung reicht nicht mehr aus. Zusätzlich brauchen wir eine isolierte Anlage mit durchgehendem Containment.“
Für die Solidaproduktion hat Dr. Kade im Jahr 2010 einen Einfachrundläufer des Typs 1090i Containment/WiP von Fette Compacting erworben. „Mit der Tablettenpresse verarbeiten wir seitdem ausschließlich Östrogene und Gestagene zu verschreibungspflichtigen Medikamenten“, so Franke. „Die Wirkstoffe werden in erster Linie zur Empfängnisverhütung eingesetzt. Außerdem produzieren wir auf der Anlage von Fette Compacting auch Präparate zur Hormonersatztherapie in den Wechseljahren. Diese Tabletten beinhalten Östrogene und Gestagene, die klimakterische Beschwerden lindern.“
Sichere Tablettierung
Für die sichere Produktion bis OEB Level 5 ist die Tablettenpresse bei Dr. Kade mit Wash-in-Place-Technologie (WiP), Air Management und Process Equipment im Isolator ausgestattet. Ein System mit Doppelklappenventilen ermöglicht die kontaminationsfreie Materialzufuhr und reduziert das Risiko einer Kreuzkontamination. Bediener können über integrierte Handschuhe (Gloveports) und RTP-Zugänge (Rapid Transfer Ports) in den Pressraum eingreifen und Werkzeuge austauschen, ohne das Containment zu unterbrechen. Zudem sorgt die Tablettenpresse mit einer Kombination aus austauschbaren Segmenten und automatisierter Reinigung für einen schnellen Produktwechsel.
„Da wir mehrere Produktlinien auf der Maschine fahren, ist ein schnelles Umrüsten für uns ein wesentliches Effizienzkriterium“, betont Franke. „Das Rüsten der Anlage ist bei uns immer mit einer vorhergehenden Reinigung verbunden. Den Anfang machen die Vor- und Hauptreinigung im geschlossenen Containment. Erst danach öffnen wir die Tablettenpresse, reinigen gegebenenfalls manuell nach und demontieren die nicht mehr benötigen Teile. Nach einer passiven Trocknung rüsten wir die Anlage erneut, desinfizieren die produktberührenden Teile und stellen das Containment wieder her.“
Mit der Wip-Ausstattung von Fette Compacting konnte Dr. Kade die Reinigungs- und Umrüstzeiten im Vergleich zu vorherigen Anlagen um mehr als die Hälfte reduzieren. Franke fasst zusammen: „Das Reinigen und die Demontage dauern in der Regel etwa vier Stunden, ausgeführt durch drei Bedienern. Nach der passiven Trocknung über Nacht dauert das Rüsten mit zwei Bedienern noch etwa zwei Stunden. Insgesamt nimmt bei uns das aktive Umrüsten also rund sechs Stunden Zeit in Anspruch. Damit sind wir für eine High-Containment-Situation sehr effizient.“
Halle 3, Stand 418
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Containment 2025 – ein Blick in die Zukunft
Containment-Technologien haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Zugleich steigen auch die Anforderungen an den Arbeitsschutz aufgrund neuer hochaktiver und hochgefährlicher Wirkstoffe. Was das für die künftige Technologieentwicklung bedeutet, hat Richard Denk in einer Expertengruppe der International Society for Pharmaceutical Engineering (ISPE) analysiert.
Herr Denk, in den vergangenen 20 Jahren sind im Bereich des Containments immer neue Technologien für eine sichere und effiziente Pharmaproduktion hinzugekommen. Doch geht das auch in den nächsten Jahren so weiter? Wie wird sich die Pharmawelt in absehbarer Zeit verändern und was heißt das für die Zukunft des Containments?
Denk: In der DACH-Gruppe der ISPE haben wir uns intensiv mit diesen Fragen beschäftigt und mit zahlreichen Branchenvertretern gesprochen. Daraus ist die Initiative Pharma 2025 hervorgegangen, in der wir uns auch mit dem Thema Containment beschäftigen. Zusammengefasst zeichnen sich drei Schwerpunkte ab.
Welche wären das?
Denk: Als erster Punkt hat sich herauskristallisiert, dass das prozessintegrierte Containment an die Stelle eines adaptierten Containments tritt. Der Produktionsprozess wird mit dem Containment verschmelzen. Dadurch wird eine optimale, auf den kleinsten Raum reduzierte Containment-Produktion möglich sein. Als eine Konsequenz reduzieren sich die kontaminierten Oberflächen, was erhebliche Vorteile für das Reinigen und Umrüsten mit sich bringt. Sollte es dann noch möglich sein, im Inneren des Containments einen kleinen, in sich geschlossenen Reinraum zu schaffen, könnte sich auch das GMP-Umfeld um den Prozess vereinfachen. Erste Entwicklungen zu diesem Thema werden bereits umgesetzt, zum Beispiel in der Verpackung von Tabletten und Kapseln.
Und der zweite Punkt?
Denk: Einwegsysteme (Single Use) werden
ein weiterer Schwerpunkt der nächsten zehn Jahre sein. Einwegtechnologien haben den entscheidenden Vorteil, dass der Herstellprozess einfach und schnell an ein benötigtes Containment angepasst werden kann. Die größten Stärken haben Single-Use-Systeme bei kleineren Produktionsmengen sowie in der Forschung und Entwicklung. Häufige Produktwechsel und hohe Flexibilität bei der Prozessführung sprechen ebenfalls für Einwegtechnologien. Beispiele für derartige Systeme sind Einwegfolien und Einwegisolatoren für den Transport und die pharmazeutische Verarbeitung von hochaktiven Substanzen. Auch die Biotechindustrie ersetzt Edelstahlsysteme zunehmend durch Single-Use-Technologien.
Und was wäre der letzte Punkt aus Sicht des Containments?
Denk: Die kontinuierliche Herstellung (Continuous Manufacturing) wird für die Herstellung von hochaktiven oder hochgefährlichen pharmazeutischen Substanzen eine wichtige Rolle spielen. Die kontinuierliche Herstellung hat mehrere Vorteile gegenüber der Batch-Produktion: Das Process Equipment wird kleiner und hat dadurch eine geringere Oberfläche, die gereinigt werden muss. Auch sind die Prozesse miteinander verbunden oder es werden mehrere Prozessschritte in einem Apparat ausgeführt. Dadurch reduzieren sich die Containment-Schnittstellen.