Oberflächen in Reinräumen müssen leicht zu reinigen und desinfizierbar sein. Daneben werden die Anforderungen an die Ergonomie des Arbeitsplatzes immer größer, wozu auch das Design der Oberflächen zählt. Zukunftsperspektiven eröffnen hier Kunststoffe mit sehr großem Härtegrad, die sowohl die Anforderungen an die Reinheit erfüllen als auch neue Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich Form- und Farbgebung bieten.
Oberflächen im Reinraum müssen aus Materialien bestehen, die reinigungsfähig und desinfizierbar sind. Man unterscheidet zwischen produktberührenden, produktzugewandten und nicht-produktberührenden Oberflächen: In der ersten Kategorie wird zurzeit hauptsächlich Edelstahl verbaut, in der zweiten besteht daneben die Möglichkeit zur Verwendung von Glas oder Acrylglas. Bei den nicht-produktberührenden Oberflächen steht eine große Menge von Werkstoffen zur Verfügung: Edelstahl, PVC, Nylon, verschiedenste Polycarbonate und weitere Kunststoffe.
Mancher Anwender stößt bei der Reinraumplanung auf ungeahnte Schwierigkeiten. Da hat einmal eine Apotheke alle Wände gemäß der frisch designten Corporate-Identitiy blau gestrichen, auch im reinen Laborbereich. Erst danach stellte man fest: Die verwendete Farbe ist nicht alkoholbeständig. Wenn aber kein Alkohol aufgetragen werden durfte: Wie sollte man nun die Flächen desinfizieren? Da im Reinraum also häufig Wischreinigung und Desinfektionen durchgeführt werden, müsste er dann nicht logischerweise als Nassraum auslegt werden – unter anderem mit einem besonders rutschhemmenden Boden? Damit die Mopps auf einer entsprechend rauen Oberfläche gut gleiten können, müsste dann jedoch unter Einsatz von besonders viel Feuchtigkeit gewischt werden, was ebenfalls nicht vorteilhaft ist. Damit liegt ein weiterer wichtiger Aspekt von Oberflächen im Reinraum auf der Hand: Stets ist ein Spagat zwischen rutschfestem Material und wischfähigen, desinfizierbaren Oberflächen zu vollführen.
Superharte Kunststoffe
Das Unternehmen Dittel Engineering aus Kochel am See berät Unternehmen bei Planung, Bau und Qualifizierung von Reinräumen. Professor Gernod Dittel geht davon aus, dass in Zukunft vermehrt Kunststoffe in Reinräumen eingesetzt werden. Einen entscheidenden Vorteil sieht er in den schier grenzenlosen Gestaltungsmöglichkeiten was Farben und Formen anbelangt. Dittel: „Die Planung von Reinraumarbeitsplätzen ist bisher primär auf das Funktionieren des Anlagenablaufs ausgerichtet. Auch die Vorschriften sorgen sich lediglich darum, dass der Arbeitsplatz ausführbar, schädigungslos und beeinträchtigungsfrei ist. Dabei wird vernachlässigt, wie stark doch ein positives Arbeitsumfeld die Arbeitszufriedenheit, das psychische Wohlbefinden und die Produktivität steigert. Farbe ist dabei ein wichtiges Element in der Arbeitsplatzgestaltung.“
Zukunftsperspektiven eröffnen derzeit Kunststoffe mit sehr großem Härtegrad. Sie erfüllen die Anforderungen an die Reinheit und eröffnen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Der große Härtegrad bringt eine hohe Scheuerresistenz mit sich. Die Folge: keine Kratzer, keine Nischen für potenziell pathogene Mikroorganismen, keine koloniebildenden Einheiten.
Kratzfeste Folien
Solch kratzfeste und chemikalienbeständige Oberflächen produziert beispielsweise der österreichische Kunststoffhersteller Senoplast. Die Folien mit selbstdesinfizierenden Eigenschaften lassen sich auf Oberflächen in aseptischen Umgebungen bzw. in Reinräumen aufbringen. Auf kontaminierten Oberflächen von solch superhartem Kunststoff kann eine ursprünglich vorhandene mikrobiologische Aktivität in kürzester Zeit von selbst verschwinden.
Konsequenterweise weist die Kunststofffolie eine Zulassung für die Reinraumklassen 1 bis 9 der DIN EN ISO 14644 sowie nach den Vorgaben der GMP, Klasse A bis D auf. Sie ist in vielen unterschiedlichen Farbtönen verfügbar und muss nicht einmal teuer sein. Kein Wunder, dass die Kunststofffolie von Senoplast zu den fünf Nominierten des letztjährigen Cleanroom Awards gehörte. Der Reinraum-Preis wird von der Reinraumakademie aus Leipzig vergeben und auf der Fachmesse Cleanzone feierlich verliehen.
Mobiler Reinraum
Ein weiterer Vorteil der Kunststoffe ist ihre leichte Verarbeitbarkeit. „Kunststoffe lassen sich vor Ort leicht bohren, verschrauben oder nacharbeiten. Dadurch verringert sich die Rüstzeit erheblich“, so Dittel weiter. Außerdem sind Kunststoffe sehr leicht, was sie für mobile Einsätze geeignet macht. Das Adriatic Institute of Technology (AIT) in Ancona, zu dessen Gründern Dittel gehört, entwickelt im Moment einen mobilen Reinraum, der aus transportfähigen Modulen besteht, sich leicht auf- und abbauen und je nach Bedarf um beliebig viele Module erweitern lässt. Für den Bau sollen in erster Linie faserverstärkte Kunststoffe verwendet werden. Geplant ist der Einsatz für Labore, mobile Krankenhäuser, Isolierstationen, Biolabore oder Forschungsstationen. Der Prototyp von Shellbe, so heißt der mobile Reinraum, wird auf der Cleanzone in Frankfurt am 8. und 9. November 2016 zu sehen sein. Namenspaten waren sowohl Shelter für Schutz als auch Shell für Hülle.
Antimikrobielles Design
Alternativen zu superharten Kunststoffen stellen Elastomere mit antimikrobiellen Eigenschaften dar. Der gewünschte Effekt wurde herkömmlicherweise durch Beimischung von Silber oder durch eine Extrabeschichtung erreicht. Günstiger geht es, wenn man ein von Kunststoffen her bekanntes Verfahren überträgt und dem Ausgangsgemisch vor der Weiterverarbeitung eine geringe Menge spezifischer Metallionen zusetzt. Diese reagieren an der Elastomeroberfläche mit dem Wasser aus der Umgebungsluft. So entstehen Übergangsmetallsäuren. Ihre Oxoniumionen sorgen für einen sauren pH-Wert der Oberfläche, wodurch eine Barriere gegen Mikroorganismen aufgebaut wird. Während bei manchen anderen Verfahren die antimikrobielle Wirkung nach einiger Zeit verloren gehen kann, werden die Metallionenmischungen bei der neuen Alternative nicht verbraucht. Dies kann zu einer sehr langen Wirkdauer führen. Die Entwicklung befindet sich allerdings noch im Pilotstadium und soll erst ab Ende 2016 in der industriellen Produktion angewendet werden. Der Einsatzbereich dürfte zunächst nicht im Reinraum selbst liegen, aber in seiner näheren Umgebung, z. B. an Türgriffen und Geländern.
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Top-Informationen rund um den Reinraum
Cleanzone 2016
Auch wenn klassische Werkstoffe wie Edelstahl im Bereich von Reinräumen und aseptischen Umgebungen eine starke Stellung haben, stößt man immer wieder auf mögliche Alternativen. Superharte Kunststoffe mit selbstdesinfizierender Oberfläche, die neues Design ermöglichen, sollten bereits in Kürze eine höhere Bedeutung bekommen. Noch weiter in die Zukunft gedacht könnten sich sogar Elastomere mit eingebauter antibakterieller Wirkung für bestimmte Anwendungen qualifizieren. Einen kompakten Überblick über diese gesamte Thematik gewährt die Reinraummesse Cleanzone am 8. und 9. November 2016 in Frankfurt am Main. Auf der Fachmesse präsentieren internationale Hersteller ein umfassendes Produktangebot über den gesamten Lebenszyklus des Reinraums. Um sich über aktuelle Themen und Trends auszutauschen, steht der Cleanzone Kongress und die Aktionsbühne Cleanzone Plaza zur Verfügung. Weitere Informationen finden Sie unter wwww.cleanzone.messefrankfurt.com
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