GMP-gerechte Produktion verlangt nach einer ganzheitlichen Betrachtung aller relevanten Bereiche. Qualität kann nicht in ein Produkt „hineinkontrolliert“ werden. Unter Berücksichtigung eines risikobasierten Ansatzes gilt es, Systeme differenziert zu betrachten und das jeweils notwendige Maß an Sicherheit in die Produktion einzubauen. Hier gilt der Grundsatz: soviel wie nötig und nicht soviel wie möglich.
Der Autor: Andreas Schildknecht Product Manager Pharma, Bosch Packaging Systems
Entsprechend dem EG-GMP-Leitfaden der Guten Herstellpraxis, Teil I, sind Arzneimittel so herzustellen, dass ihre Eignung für den vorgesehenen Gebrauch gewährleistet ist. Doch wieviel Aufwand hinsichtlich Hygiene, Sicherheit, Qualität und Dokumentation ist angemessen oder vielmehr notwendig, um dieses hohe Ziel zu erreichen? Die Pharmaindustrie muss heute mehr denn je die konträren Faktoren GMP-Anforderungen und betriebswirtschaftliches Handeln unter einen Hut bringen. Wissensbasiertes, frühzeitiges Risikomanagement ist hier ein Schlüssel für eine integrierte Anlagenplanung unter GMP-Gesichtspunkten.
Die regulatorischen Anforderungen gehen dabei über reine Hygieneaspekte weit hinaus. Zunehmend gelangen weitere Themen in den Fokus. So werden Systemlieferanten bereits in einer frühen Projektphase zur Identifizierung unkritischer Bereiche mit eingebunden, um eine differenzierte URS (User Requirement Specification) erstellen zu können, die GMP-Anforderungen berücksichtigt und Kosten optimiert.
Durch die erhöhten Anfordungen hinsichtlich Compliance und Convenience Packaging sowie durch neue Darreichungsformen ist die Pharmaverpackung heute deutlich diversifizierter als es die klassische Blisterverpackung war. Gleichzeitig führen die Aktivitäten auf globalen Märkten und der demografische Wandel zu unterschiedlichsten Patientenanforderungen und kleineren Chargengrößen. Da die Gesetzgeber heute einen risikobasierten Ansatz präferieren, gilt es die Wertschöpfungskette genau zu analysieren. Vorrang sollte dabei die Vermeidung von Risiken vor der Detektion möglicher Fehler haben.
Flexibilität ist eine wesentliche Herausforderung moderner Verpackungssysteme, wenn es um stabile und sichere Herstellprozesse geht. Im Folgenden werden Maßnahmen zur Umsetzung einer GMP-gerechten Produktion aufgezeigt. Die Modifikation und Erweiterung einer Blisterlinie durch den Einsatz von Delta-Robotern ermöglicht es, verschiedene Varianten einer Kombipackung herzustellen.
Neben den Risiken des Produkthandlings, die zu einer Beschädigung der empfindlichen Alu-Alu-Blister oder zu kosmetischen Defekten an den Inhalatoren führen könnten, wurden die Punkte untersucht, an denen qualitätskritische Entscheidungen gefällt werden. Hierzu wurde ein Prozessflussdiagramm erstellt. Dieses erleichtert nicht nur das Softwaredesign, es bildet auch die Grundlage für eine GMP-konforme Beschreibung aller Verpackungsvorgänge mit allen wichtigen Nebenarbeiten. Im Laufe des Projekts zahlte sich diese Form der Darstellung aus, da sie auch zur Planung von Qualifizierungsprüfungen herangezogen wurde.
Hohe Prozesssicherheit mit GMP-Design
Die integrale Konstruktionsweise gewährleistet eine hohe Funktionsdichte und damit eine Minimierung nicht wertschöpfender Prozesse. Gleichzeitig werden manuelle Eingriffe auf die Beschickung der Packmittel reduziert. Toträume, ein potenzielles Risiko für Verunreinigung und Untermischung werden eliminiert. Die Kettenträger wurden so schmal wie möglich konstruiert. Herabfallendes Produkt wird zum Äußeren der Zelle hin abgewiesen und damit sofort sicht- und leicht entfernbar. Fehlerhaftes Produkt wird in einen abschließbaren Reject-Behälter ausgeschleust.
Die Delta-Roboter werden direkt von drei Servomotoren angetrieben. Gekapselte Gehäuse verhindern, dass Produkte durch herabtropfendes Öl kontaminiert werden. Die Greifer können alle auf der Linie geplanten Formate abarbeiten. Der Blisterroboter bedient gleichzeitig auch einen Speicher. Der Greifer für den Inhalator stabilisiert simultan das aufgerichtete Tray. Der Speicher besteht aus sechs unabhängigen servomotorischen Blisterschächten, die vom Roboter be- und entladen werden. Zudem entkoppelt er die Blisteranlage vom Kartonierer. Dies erhöht nicht nur die Anlageneffizienz und Verfügbarkeit, es ermöglicht auch eine stabile und kontinuierliche Produktion bei gleichbleibend hoher Qualität.
Reprocessing wird aus GMP-Sicht grundsätzlich als kritisch betrachtet und sollte möglichst vermieden werden. Falls doch erforderlich, sollte dafür ein reproduzierbarer Prozess etabliert werden. Hier bildet der Speicher die Schnittstelle zur definierten und sicheren Wiedereinbringung von Blistern in den Prozess.
Um das Risiko einer Untermischung oder Verwechslung zu minimieren, ist sicherzustellen, dass keine Materialien nach Chargenende in der Anlage verbleiben, aber auch dass In-Prozess-Kontrollen und Identitätsprüfungen durchgeführt werden sowie elektronische Kontrollen wie Codeleser einwandfrei arbeiten. Hier bieten moderne Verpackungsanlagen eine klar strukturierte Line-Clearance-Prozedur und Bilanzierung. Fail-safe-programmierte Sensoren führen eine fortlaufende Selbstdiagnose durch. Visionsysteme ermöglichen eine 100%ige Identifikation von Packmitteln sowie die Verifizierung variabler Druckdaten.
GMP-konforme Prozessautomation
Von besonderer Bedeutung ist die FDA/GMP-Compliance von produktionsrelevanten IT-Systemen. Mit dem Bedürfnis nach leistungsfähigeren Steuerungen, mehr Bedienungskomfort und der Speicherung von Prozessdaten, löst der Industrie-PC mehr und mehr speicherprogrammierbare Steuerungen ab oder ergänzt diese.
Der 1997 von der FDA in Kraft gesetzte Code of Federal Regulations Title 21 (21 CFR part 11) regelt den Umgang mit chargenrelevanten Dokumenten, die ausschließlich in elektronischer Form erfasst, gepflegt, gespeichert und/oder signiert werden. Entsprechend der Publikation der Europäischen Kommission des überarbeiteten Kapitels 4 des EU-GMP-Leitfadens (Inkrafttreten 30.06.2011) wird das SFM (Site Master File) verbindlich für pharmazeutische Hersteller. Im Appendix 8 sind GMP-kritische Gerätebestandteile zu kennzeichnen und entsprechende Computersysteme aufzuführen.
Gleichzeitig kann mit einem computergestützten Usermanagement-System nachweislich der GMP-Forderung zum Einsatz „sachkundigen Personals“ Folge geleistet werden. So können, je nach Qualifikation, den Bedienern unterschiedliche Rechte zugewiesen werden.
Pharmazeutische Anlagen müssen hohe Prozesssicherheit während des gesamten Lebenszyklus gewährleisten und ihre Eignung nachweisen. Dies gilt sowohl im Routinebetrieb als auch für die Durchführung einer regelmäßigen kritischen Revalidierung. Reparatur und Wartung sollen die Qualität der Produkte sicherstellen und nicht etwa gefährden. Dies verlangt nach der Sicherstellung von Maintenance-Aktivitäten und der frühzeitigen Erkennung schadhafter Ausrüstung. Hier bieten moderne Mensch-Maschine-Interfaces Hilfestellung bei der Diagnose und Fehlerbehebung sowie bei der Planung und Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen.
Personenschutz
Auch die Arbeitssicherheit ist ein wichtiger GMP-relevanter Aspekt. Insbesonders im Umgang mit hochaktiven oder sensibilisierenden Materialien, wie Pulver zur Inhalation, können spezielle Zonenkonzepte und/oder der Einsatz eines RABS (Resticted Access Barrier System) notwendig werden. Geschlossene Zellen können ebenfalls helfen, den Kontakt von Personal mit solchen Substanzen, im Fall einer Beschädigung von Blistern, zu minimieren. Außerdem verhindern sie den Eingriff in den Arbeitsbereich des Roboters während des Betriebes.
Halle 1, Stand 337
prozesstechnik-online.de/cav1011436
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