Frau Brink, als Sie gerade sich und Ihren beruflichen Werdegang vorgestellt haben, haben Sie sehr deutlich betont, dass Sie erst spät in die Qualitätssicherung gewechselt sind. Weshalb ist es Ihnen so wichtig, diese Tatsache zu unterstreichen?
Dr. Monika Brink: Bevor ich in die Quality kam, habe ich sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion praktische Erfahrung gesammelt. Dabei habe ich auch gesehen, wie andere Firmen bei verschiedenen Fragestellungen vorgehen. In dieser Zeit habe ich gelernt, wo es Herausforderungen in der Praxis gibt, welche Maßnahmen zur Behebung eingeleitet werden können, wie man Prozesse GMP-gerecht – unter Einhaltung der Good Manufacturing Practice – führen kann. Auf diese langjährige Erfahrung baue ich heute, um bestmögliche Qualitätssicherung bei Boehringer Ingelheim zu betreiben. Im Vergleich zu anderen Zweigen der chemischen Industrie ist bei der Produktion von APIs (Active Pharmaceutical Substances, Wirkstoffen) und in der Arzneimittelherstellung die Qualität und die Sicherheit in der Produktion und den Prozessen grundlegend wichtig.
Denn Qualitätsabweichungen können einen großen Einfluss auf die Produkte und dadurch auch auf die Gesundheit der Patienten und Patientinnen haben. Ich finde es deshalb extrem wichtig, dass man als Quality-Mitarbeitender zunächst Erfahrung in der Praxis sammelt, möglichst in unterschiedlichen Bereichen. Aber nicht nur die Kollegen und Kolleginnen in der Qualitätssicherung, auch die Mitarbeitenden, die sich um die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen kümmern, könnten von Praxiserfahrung profitieren.
Die Tätigkeit in der Qualitätssicherung umfasst unter anderem die Durchführung oder Begleitung von Audits, um die Qualität der Produkte, die Sie bei externen Partnern produzieren lassen, sicherzustellen. Dabei führen die unterschiedlichen Pharmahersteller jeweils eigene Audits bei ihren Zulieferern durch. Ein Unternehmen, das für verschiedene Pharmafirmen APIs herstellt, wird entsprechend von jedem Kunden individuell auditiert, was dort viele Ressourcen erfordert. Wie könnte man diese Praxis in Ihren Augen verbessern?
Brink: Es gibt deutliches Optimierungspotential in diesem Bereich. Ich denke, es könnten enorme Ressourcen eingespart werden, wenn wir Pharmahersteller miteinander kooperieren würden. Wenn es beispielsweise verlässliche, externe Auditoren als Partner gäbe, die unsere Anforderungen kennen und als Dienstleister die Qualität in den Produktionsstätten überprüfen, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Es müsste sich jedoch um integre, zuverlässige und qualifizierte Auditoren handeln. Schließlich bedeuten Qualität und Qualitätssicherung bei der Herstellung von pharmazeutischen Produkten gleichzeitig Garantie fürs Endprodukt und Sicherheit für die Patienten.
In meiner beruflichen Laufbahn habe ich gelernt, wie wichtig es ist, die gesamte Lieferkette im Blick zu haben, um überall höchste Qualität sicherzustellen. Sowohl in der Entwicklung von Wirkstoffen als auch in der klinischen Phase, aber auch in der kommerziellen Produktion von medizinisch wirksamen Substanzen und Produkten.
Welchen Einfluss haben der gestiegene Preisdruck – beispielsweise durch höhere Energiekosten – auf Ihre Produktionsstätten in Deutschland und Europa? Haben sich bei Ihnen Auswirkungen durch die erschwerten Liefersituationen ergeben?
Brink: Der Kostendruck ist für alle extrem hoch. Auch deshalb werden zum Beispiel APIs ohne Patentschutz kaum mehr bei uns in Deutschland produziert. Die Produktion ist überwiegend nach China oder Indien abgewandert, eine Herausforderung für die Lieferketten. Die gestiegenen Energiekosten belasten die Chemieindustrie in Deutschland sehr stark. Die hohen Preise für Erdgas und Strom stellen energieintensive Unternehmen – und hierzu gehört die chemisch-pharmazeutische Industrie – vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, dass der Staat hier unterstützend eingreift und wir begrüßen die Pläne für einen Industriestrompreis.
Wir? Meinen Sie damit sich als Mitarbeiterin von Boehringer Ingelheim sowie Ihren Arbeitgeber?
Brink: Wenn ich wir sage, dann spreche ich sowohl von mir, meinem Arbeitgeber aber auch vom Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e. V. (VAA). Ich bin seit über 20 Jahren im VAA aktiv und sitze seit 2021 auch im Bundesvorstand. Und wir sehen, dass zur Standortsicherung in Deutschland die schnelle Einführung eines Transformationsstrompreises notwendig ist. Die bereits stattfindende Deindustriealisierung wird durch die hohen Energiepreise weiter vorangetrieben. Insbesondere in der Chemie sind dadurch auch deutsche Arbeitsplätze bedroht.
Sie sind bereits seit vielen Jahren ehrenamtlich im VAA aktiv. Wie sind Sie in diese Arbeitnehmergewerkschaft gekommen?
Brink: Bei Sanofi Aventis war ich als stellvertretende Betriebsleiterin tätig und wurde von einem Kollegen angesprochen, der in der Werksgruppe aktiv war. In einer sogenannten Werksgruppe sind alle VAA-Mitglieder eines Unternehmens vereint. Er stellte mir den VAA und seine Vorteile vor. Ich fand das Gesamtpaket aus Rechtsschutz, Vernetzung und Vertretung im Betriebsrat einfach ansprechend und entschied mich für eine Mitgliedschaft. Im Jahr 2002 wurde ich bei Sanofi von meinen Kolleginnen und Kollegen in den Werksgruppenvorstand gewählt und zur VAA-Delegiertentagung – dem höchsten Verbandsgremium – entsandt, um dort unsere Meinungen und Interessen zu vertreten. Seit dieser ersten Delegiertentagung wollte und will ich aktiv den VAA mitgestalten.
Welche Vorteile bietet eine VAA-Mitgliedschaft? Weshalb sind Sie Ihrem Verband schon seit so vielen Jahren als aktives Mitglied treu?
Brink: Der VAA ist ein Berufsverband und gleichzeitig die Gewerkschaft für akademische Angestellte in der chemischen und pharmazeutischen Branche. Wir vertreten die Interessen von Akademikern und Akademikerinnen in unserer Industrie. Als Akademikergewerkschaft haben wir zusammen mit IGBCE und BAVC, unseren Sozialpartnern, einen Manteltarifvertrag geschlossen. Dieser gilt für Hochschulabsolventen mit naturwissenschaftlicher und technischer Fachrichtung und sieht unter anderem sehr lange Kündigungsfristen und überdurchschnittlich dotierte Entschädigungsansprüche bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten vor. Ein weiterer Tarifvertrag regelt die Mindesthöhe des Jahresgehalts im zweiten Beschäftigungsjahr. Außerdem bietet der VAA seinen Mitgliedern Unterstützung im rechtlichen Bereich. Unsere festangestellten VAA-Juristen und Juristinnen in Köln und Berlin bieten unseren Mitgliedern arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz. Wir prüfen Verträge und Zeugnisse, verhandeln direkt oder indirekt mit Arbeitgebern und führen auch Prozesse, sofern diese nicht abwendbar sind.
Für mich als langjähriges aktives VAA-Mitglied stand vom ersten Moment meiner Mitgliedschaft das Networking im Mittelpunkt. Auch unser Frauennetzwerk VAA connect finde ich großartig. Es ist eine vortreffliche Plattform für den Erfahrungsaustausch und die Interaktion mit anderen Frauen in der Branche. Außerdem führen wir für Studenten und junge Mitglieder Veranstaltungen durch mit Blick in die Arbeitswelt, bieten Bewerbungstrainings und helfen bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung. Die nächste VAA-connect-Präsenzveranstaltung findet übrigens am 27. November 2023 bei Schott in Mainz statt.
Eine abschließende Frage, Frau Brink: Sie engagieren sich ehrenamtlich für den VAA, machen Ihren Job in der „Quality“ mit Leidenschaft und setzen sich darüber hinaus für Ihre Kolleginnen und Kollegen bei Boehringer Ingelheim ein. Sie sind nämlich auch als Betriebsrätin tätig. Wie schaffen Sie es, all diese Aufgaben zu vereinen und ihnen gerecht zu werden?
Brink: Das ist eine gute Frage! Zuerst das vermeintlich Einfache: Das Betriebsratsamt ist ein Ehrenamt und die Betriebsratstätigkeit wird regelmäßig während der regulären Arbeitszeit ausgeübt. Betriebsratsmitglieder sind nach § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer normalen Tätigkeit bei voller Entgeltfortzahlung zu befreien. Das heißt, meine Aufgaben im Quality-Job sind so gestaltet, dass ich meine eigentliche Tätigkeit und die Betriebsratsarbeit während meiner Arbeitszeit erledigen kann.
Was mein Engagement für den VAA betrifft, ist dies seit über 20 Jahren mein Hobby. Ich muss jedoch zugeben, dass es wohl kein alltägliches Hobby ist. Ich habe mir privat immer die Zeit nehmen können, um ehrenamtlich in VAA-Werksgruppen, in Kommissionen und jetzt im Vorstand mitarbeiten zu können Dies war vermutlich auch nur deshalb möglich, weil wir keine Kinder haben. Dank der virtuellen Besprechungen ist mein Engagement inzwischen einfacher und effizienter möglich. Der VAA als Berufsverband und Gewerkschaft steht für Themen, die mir wichtig sind, und deshalb investiere ich gerne meine Zeit, um aktiv mitgestalten zu können.
Kurzprofil Monika Brink
Dr. Monika Brink arbeitet als Senior Manager Quality Third Party Management bei Boehringer Ingelheim. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit ist sie seit 2021 ehrenamtlich im Bundesvorstand des VAA aktiv. Der VAA vertritt als Akademikergewerkschaft die Interessen von rund 30.000 leitenden Angestellten, hochqualifizierten Fachkräften und jungen Akademiker und Akademikerinnen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie.
Autorin: Jasmin Qaud-Taher, freie Fachjournalistin für prozesstechnik-online.de
Rubrik: Menschen, Macher, Motivationen – Berufsalltag in der Prozesstechnik