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Die kontinuierliche Produktion setzt ein neues Prozessverständnis bei Arzneimittelherstellern voraus: Das Produkt des einen Prozesses bildet das direkte Ausgangsmaterial des folgenden. Vormals getrennte Prozesse und Komponenten wachsen zu einer Linie zusammen, die im Unterschied zum Batch-Verfahren über einen längeren Zeitraum unterbrechungsfrei in Betrieb ist. Mit dieser Umstellung verändern sich auch die Anforderungen an die Prozesskontrolle: Kontrollsysteme werden notwendig, deren Sensorik sich störungsfrei in die kontinuierliche Linie integrieren lässt und permanent alle relevanten Parameter erfasst.
Im Rahmen der Tablettenproduktion hat sich die kontinuierliche Direktverpressung als wirtschaftlich attraktives Anlagendesign bewährt (siehe dazu phpro 4/2021). Das Verfahren, bei dem die Teilprozesse Dosieren, Mischen und Tablettieren zu einer Linie verschmelzen, wirkt sich neben einer erhöhten Produktionseffizienz besonders vorteilhaft auf die Prozesssicherheit und Produktqualität aus. Indem das Pulver in einem kontinuierlichen Strom vom Mischer direkt in die Tablettenpresse gelangt, können zum Beispiel qualitätsmindernde Faktoren deutlich reduziert werden. So lassen sich Vibrationen beim Transport von Zwischenprodukten vermeiden, die ansonsten unter Umständen zu einer Entmischung führen. Zudem lässt sich eine kontinuierliche Direktverpressungslinie durch das schlanke Design der Gesamtanlage besonders sicher und effizient kontrollieren.
PAT für die Direktverpressung
Bei der kontinuierlichen Tablettierung stellt der Einsatz von Echtzeit-Qualitätskontrollsystemen die Effizienz und Produktqualität sicher. Mittels Prozessanalysetechnologie (Process Analytical Technology, PAT) werden laufend die kritischen Qualitätsattribute (Critical Quality Attributes, CQAs) des Materialstroms erfasst. Dabei sollten hochentwickelte Sensoren die Überwachung und Steuerung aller relevanten Prozessparameter ermöglichen. Welche konkreten Prozessfaktoren für eine konstant hohe Produktqualität zu analysieren sind, hängt von den Prozessschritten des kontinuierlichen Verfahrens ab.
Die Messtechnologien, die sich für kontinuierliche Linien eignen, können grob in drei verschiedene Gruppen untergliedert werden: Inline-, Online- und Atline-Technologien. Bei Inline- und Online-Verfahren werden die Messungen direkt im Produktionsfluss durchgeführt, was eine schnelle Reaktion bei Qualitätsabweichungen und die unmittelbare Steuerung des Produktionsprozesses ermöglicht. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Varianten liegt dabei in der Art, wie das PAT-System in den Prozess integriert ist: Bei der Online-Technik wird eine separate Probenentnahmeschleife verwendet, während die Inline-Technik Messungen direkt am Prozessstrom durchführt.
Bei Atline-Techniken werden die Proben klassischerweise aus dem Prozess entnommen. Im Optimalfall lässt sich das externe Prüfgerät sogar komplett in die Produktionslinie integrieren, sodass keine zusätzlichen Eingriffe mehr von Bedienern erforderlich sind. So ist es möglich, die Atline-Analysen direkt nach der Herstellung im Produktionsraum durchzuführen. Auf diese Weise können die Hersteller schnell auf eventuelle Prozessabweichungen reagieren.
NIR-Spektroskopie als erste Wahl
Als effizienteste Analysemethode für die Direktverpressung hat sich die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) erwiesen. Ihr größter Vorteil besteht darin, dass der Spektralbereich von 700 bis 2500 Nanometern zahlreiche unterschiedliche Wirkstoffe erfasst. Die Infrarotstrahlen dringen tief in die Tablette ein, ohne sie zu schädigen. Als Inline-Methode ermöglicht die NIR-Spektroskopie schnellere Qualitätskontrollen an größeren Probenmengen während des gesamten Herstellungsprozesses. Damit eignet sie sich optimal für den Echtzeiteinsatz in Hochleistungsmaschinen.
Außerdem liefert dieselbe NIRS-Messung Informationen sowohl über die chemischen als auch über bestimmte physikalische Eigenschaften einer Probe. Die Wirkstoffkonzentration aktiver Präparate lässt sich dadurch ebenso zuverlässig ermitteln wie andere Faktoren, darunter Dichte und Feuchtigkeitsgehalt. In der Direktverpressung besitzt NIRS folglich ein großes Potenzial als PAT-Werkzeug. Es ebnet den Weg zu einem besseren Verständnis des Gesamtprozesses und gibt den Herstellern die volle Kontrolle über alle wesentlichen Produktionsparameter.
Alternativverfahren für Spezialfälle
Bei einem Wirkstoffgehalt von unter einem Prozent stößt die Nahinfrarotspektroskopie jedoch an ihre Grenzen. In diesen Fällen können Anwender auf die Raman-Spektroskopie zurückgreifen. Sie ist dank eines starken Lasers in der Lage, selbst geringe Wirkstoffkonzentrationen exakt zu bestimmen. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie weniger empfindlich auf Prozessvariationen reagiert. Dafür erfordert sie jedoch mehr Erfahrung in der Bedienung, um etwa Überlagerungen durch Fluoreszenz zu verhindern. In Spezialfällen können auch Methoden wie laserinduzierte Fluoreszenz (LIF), UV oder Terahertz-Spektroskopie genutzt werden.
Die Zahl und Position der eingesetzten Sensoren variieren je nach PAT-Technologie und Anwendungsfall. Besonders in der Forschung und Entwicklung wird oft schon ein Sensor nach dem Mischer eingesetzt, bevor das Pulver in die Tablettenpresse gelangt, manchmal auch zusätzlich an der Fill-O-Matic. Die Inline-Messung zur Tablettenprüfung findet direkt in der Tablettenpresse statt, die Atline-Messung nachgelagert im Checkmaster.
Ausblick
Die verschiedenen Messverfahren werden seit fast 20 Jahren stetig weiterentwickelt. Dennoch bleibt auch festzustellen, dass sich PAT bis heute nicht großflächig in der Tablettenproduktion durchsetzen konnte. Noch immer kommen teilweise Geräte zum Einsatz, mit denen nur ein erfahrener PAT-Spezialist sicher und effizient umgehen kann. Solche Techniken stammen häufig von Drittanbietern und werden über eine zusätzliche Software in die Produktionslinie eingebunden, wodurch die Komplexität dieser Systeme stark zunimmt. Hier besteht weiterhin ein Optimierungsbedarf hin zu robusteren, leicht bedienbaren und vollständig integrierten PAT-Systemen. Passende Konzepte sind bereits in der Umsetzung.
Abschließend lässt sich festhalten: Mit der richtigen Prozessanalysetechnologie bietet das Verfahren der Direktverpressung eine rundum qualitätssichernde und wirtschaftliche Lösung auf dem Weg zur kontinuierlichen Pharmaproduktion. Auch im Hinblick auf neue Anlagenkonzepte, die in naher Zukunft weitere Komplexitätsreduzierungen in Aussicht stellen, werden die Analysemethoden der Nahinfrarot- und Raman-Spektroskopie eine tragende Rolle spielen. Anwender können sich auf neue Technologiesprünge beim Continuous Manufacturing einstellen, die PAT und Direktverpressung als integrale und zugleich hochflexible Einheit definieren.
Fette Compacting GmbH, Schwarzenbek