SOL – in diesen drei Buchstaben stecken nicht nur 90 Mio. Euro Gesamtinvestitionsvolumen, sondern auch das geballte Know-how für hochkomplexe Fertigungstechnologien von Medikamenten. Seit Oktober 2021 produziert Boehringer Ingelheim in der Solids-Launch-Fabrik alle Neueinführungen von Arzneimitteln in Tablettenform (Solida) für die globale Markteinführung.
Auf einer Grundfläche von 2800 m2 entstand in Ingelheim am Rhein auf drei Etagen einer der modernsten Betriebe des Unternehmens. Im Untergeschoss befinden sich Technik- und Lagerräume sowie Umkleiden; im Obergeschoss weitere Technik-, Büro- und Sozialräume. Im Erdgeschoss liegt der Kern der neuen Fabrik: die Produktion. Auf zwei Produktionslinien für kleinere und mittlere Chargengrößen kann unter anderem für klinische Studien und die Markteinführung produziert werden.
Als Smart Factory konzipiert
Das Besondere: Die Solids-Launch-Fabrik ist als Smart Factory konzipiert. Alle Maschinen und Anlagen sind vollständig digital vernetzt und nahezu alle Prozesse steuern sich selbst. „Durch das flexible und digital integrierte Konzept der neuen Tablettenfabrik und die enge Verzahnung mit der Entwicklung können wir unsere neuen Produkte schneller und effizienter auf den Markt bringen“, erklärt Dr. Anja Preißmann, Leiterin Human Pharma Supply Deutschland.
Sechs Lüftungsgeräte im Einsatz
Für die Produktion neuer Arzneimittel braucht es aber nicht nur die Expertise der Spezialisten von Boehringer Ingelheim und intelligent arbeitende Maschinen, sondern auch ein hygienisch reines Produktionsumfeld. Sechs Lüftungsgeräte (Zu- und Abluft) des Unternehmens Berlinerluft. Technik sorgen für partikelarme Luft in den Produktionsräumen der smarten Tablettenfabrik. Sie arbeiten mit einem Gesamtvolumenstrom von 324 000 m3/h. Zwei Zuluftanlagen mit je 67 500 m3/h Gesamtvolumenstrom liefern partikelarme Luft für den Reinraum. Eine kleinere Zuluftanlage mit 30 000 m3/h Gesamtvolumenstrom versorgt den unklassifizierten Bereich außerhalb des Reinraums, wie Büroräume oder Flur. Darüber hinaus lieferten die Lüftungs- und Klimatechnikspezialisten aus Berlin auch 10 000 m2 Lüftungskanäle und Formteile.
Perfekte Luftqualität im Reinraum
„In der Pharmaindustrie ist das Thema Luftqualität natürlich essenziell. Je höher die Reinraumklasse, desto weniger Partikel dürfen in der Luft enthalten sein“, verdeutlicht Hans-Peter Berg, Teilprojektleiter für TGA (SOL) und Gewerkeverantwortlicher in Raumlufttechnik bei Boehringer Ingelheim. Der Pharmahersteller fertigt in seiner Solids-Launch-Fabrik in Reinheitsklasse ISO 8 bzw. Reinraumklasse D. Dementsprechende Anforderungen erfüllen auch die Lüftungsgeräte aus Berlin.
Mindestluftwechsel gemäß Reinraumklasse D
Die Reinraumklasse D schreibt einen sechsfachen Mindestluftwechsel pro Stunde vor. „Im Betrieb fahren wir allerdings einen höheren Luftwechsel“, unterstreicht Berg.
Besonders praktisch und energieeffizient: In arbeitsfreier Zeit wird der Luftwechsel reduziert. „In der Solids-Launch-Fabrik arbeiten wir im Einschichtbetrieb in einer Fünftagewoche. Sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuhause, senken wir den Luftwechsel ab. Das spart Strom sowie Kühl- und Heizenergie“, so Berg weiter. Der Luftvolumenstrom jedes einzelnen Produktionsraumes lässt sich über die Gebäudeleittechnik einstellen.
Lüftungsanlagen in Hygieneausführung
Die Zuluftanlagen für die Smart Factory sind in Hygieneausführung gefertigt. Unter anderem Böden und Klappen sind dabei in Edelstahl ausgeführt. Außerdem arbeiten die Zuluftanlagen komplett mit Außenluft.
„In der Pharmaindustrie ist das der Standard. Seit Covid-19 nimmt die Anfrage nach Lüftungsanlagen mit 100-Prozent-Außenluftzufuhr auch in anderen Bereichen zu“, betont Uwe Speidel, Gebietsverkaufsleiter Süd Klimatechnik bei Berlinerluft. Technik. Das Berliner Unternehmen fertigt seine raumlufttechnischen Anlagen stets projekt- und kundenbezogen in seinem Competence Center Klimatechnik im saarländischen Bexbach.
Wärmerückgewinnung integriert
Eine weitere Anforderung an die Lüftungsanlagen war die Reduzierung des Energieverbrauchs durch ein hocheffizientes Wärmerückgewinnungssystem. „Wir mussten einen Wirkungsgrad von größer oder gleich 70 % erreichen – das war die Vorgabe von Boehringer Ingelheim. Klar, denn jedes Prozent Wirkungsgrad weniger kostet später viel Geld. Ein hoher Wirkungsgrad ist nicht nur kosten-, sondern auch umweltschonend“, so Speidel. Die raumlufttechnischen Anlagen in der Solids-Launch-Factory sind daher mit dem Ecocond-System ausgestattet.
Lebenszykluskosten sinken
Ecocond und Ecocond+ sind energieeffiziente Wärmerückgewinnungssysteme zum Heizen und Kühlen. Die sparsame Betriebsweise der Systeme senkt nachweislich die Lebenszykluskosten raumlufttechnischer Anlagen. Durch die Trennung der Luftströme sind auch im Störfall die Stoff- und Brandübertragung ausgeschlossen. Damit eignen sich die Systeme besonders für den Einsatz in Anlagen, in denen keine Keime, Gerüche, Feuchtigkeit, Schadstoffe und sonstige Kontaminationen übertragen werden dürfen. Das gilt ebenso für Umgebungen mit aggressiven Medien oder Prozessabwärme.
Langjährige Zusammenarbeit
Es war nicht das erste Mal, dass bei einem Projekt von Boehringer Ingelheim raumlufttechnische Anlagen der Berlinerluft. Technik zum Einsatz kamen. Bereits seit über 30 Jahren beliefern die Lüftungs- und Klimatechnikspezialisten aus Berlin den Pharmahersteller mit ihren Anlagen. Auch beim Neubau der Solids-Launch-Fabrik startete alles mit einer Ausschreibung. „Beim technischen Vergleich hatte die Berlinerluft. Technik mit ihren Lösungen die Nase vorn“, erklärt Berg. „In der Vergangenheit haben wir sehr gute Erfahrungen mit den Geräten der Berliner gemacht und auch bei diesem Projekt hat alles wieder hervorragend gepasst.“
Berlinerluft. Technik GmbH, Berlin
Autorin: Sabrina Deininger
Journalistin