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Serialisierung – was kommt jetzt?

Aufbau von digitalen Lieferketten
Serialisierung – was kommt jetzt?

Serialisierung – was kommt jetzt?
Frank Binder, globaler Leiter für Lieferkettenmanagement bei Santen Pharmaceuticals und Mitglied des Beratergremiums der Futurelink-Konferenz Bild: Tracelink
Die Futurelink-Konferenz bietet ein Forum, auf dem Führungspersönlichkeiten der gesamten Lifesciences-Industrie gemeinsam am Aufbau von digitalen Lieferketten zu arbeiten. Hierbei erörtern sie, wie serialisierte Daten Innovationen vorantreiben, Geschäftsabläufe transformieren und Patientenergebnisse verbessern können. Wir sprachen im Vorfeld der Konferenz mit Frank Binder, dem globalen Leiter für Lieferkettenmanagement bei Santen Pharmaceuticals und Mitglied des Beratergremiums, um seine Sicht bezüglich Serialisierungs-Compliance und digitaler Zukunft der Industrie zu erfahren.

Nachdem nun die Februarfrist der EU-Fälschungsrichtlinie verstrichen ist: Welche bislang unbehandelten Probleme sehen Sie für die Zukunft?

Frank Binder: Im Vorfeld der Umsetzung war die Bereitschaft bei den CMOs sehr unterschiedlich. Letztlich waren aber alle unsere Lieferkettenpartner rechtzeitig vorbereitet, und ich glaube, dass die Industrie die Serialisierungs-Compliance ganz gut bewältigt hat.

Was die unbehandelten Probleme anbelangt, lässt sich das aktuell noch nicht sagen. Die meisten Apotheken vertreiben noch immer Produkte, die vor der Frist hergestellt und freigegeben wurden, weshalb bislang noch nicht viel Verifizierung stattgefunden hat.

Wir erwarten einige Falschmeldungen und einige Schwierigkeiten, wenn die Produkte gescannt werden, was sich auf kleine Prozessprobleme zurückführen lässt. Beim Gesamtprozess wird es einige Schnitzer geben, wie das bei allen neuen Systemen vorkommt, was dann wiederum Untersuchungen von Packungen nach sich zieht, die eigentlich sicher waren. Ich erwarte, dass die Teams für Qualitätssicherung in wenigen Monaten sehr beschäftigt sein werden, wenn sie solche Vorfälle untersuchen müssen.

Wie, glauben Sie, wird sich die Serialisierung auf die Industrie auswirken, wenn man das Verhältnis zwischen Unternehmen und Geschäftspartnern betrachtet?

Binder: Bei der Produktion ist die Serialisierung unter Kontrolle – das Verfahren für den Umgang mit Seriennummern wurde bereits eingeführt. Es wurde getestet und ist ziemlich einfach, wenn es an den Produktionslinien richtig umgesetzt wird. Problematischer ist die Phase nach der Produktion. Die Logistikprozesse sind vielleicht am stärksten betroffen, weil sie jetzt viel genauer und kontrollierter funktionieren müssen. Die Logistikleiter müssen wissen, welche Packungen Sie auf Paletten setzen. Der Aufbau von Paletten, der Abruf und das Aufheben der Bereitstellung müssen genauer kontrolliert werden, was zahlreiche Änderungen im Lager und im Versand bedeutet.

Es wird eine Menge Ausnahmen geben, wenn Waren im Lager beschädigt werden und die entsprechenden Produkte identifiziert und dekommissioniert werden müssen. Dies bedeutet, dass Logistikanbieter von Drittunternehmen (3PLs) viel besser in den Prozess eingebunden werden müssen als bisher. Interessant wird auch sein, welche Vorgaben die Großhändler ihren Lieferanten in Bezug auf Palettierung oder Aggregation machen. Wir haben bereits gesehen, welche Forderungen die Großhändler in den USA und in Südkorea stellen, und ich erwarte etwas Ähnliches hier in Europa.

Welche digitalen Initiativen finden Sie besonders interessant?

Binder: Ich sehe ein großes Potenzial, wenn es um eine Verbesserung der Verbindungen zu unseren Partnern (CMOs und 3PLs) geht. Unsere Absicht ist es, die neuen digitalen Verbindungen zu unseren Handelspartnern zu nutzen, um Planungsdaten, Informationen zum Produktionsstatus und Nachfragedaten auszutauschen, und wir arbeiten an einer Szenario-Planung, um unsere Lieferkette zu straffen.

Mittelfristig wollen wir mit unseren Partnern aus der Lieferkette eine kollaborative Planung einführen. Indem unsere CMOs direkt die Nachfragedaten erhalten, können wir gemeinsam bessere Lieferpläne aufstellen.

Wir müssen uns auch überlegen, wie wir die Seriennummern so einsetzen, dass wir mehr Transparenz zum aktuellen Standort unserer Produkte erhalten. In der Vergangenheit sah es so aus, dass wir mit dem Verkauf an die Großhändler die Kontrolle verloren haben. Es könnte aber sinnvoll sein, auch einen Einblick in die nachgeordnete Lieferkette zu erlangen.

Letztlich glaube ich auch, dass künstliche Intelligenz (KI) bei Planung und Umsetzung eine größere Rolle spielen wird. Wenn die Liefer- und Umsetzungsprozesse gut definiert wären, könnte KI beispielsweise in vielen Fällen die Buchung des Transports übernehmen. Wenn wir zwischen allen pharmazeutischen Herstellern und ihren unterschiedlichen Partnern eine Verbindung aufbauen würden, könnten wir alle Prozesse auf digitale Weise anstoßen, was zu erheblichen Effizienzgewinnen führen würde.

Könnten Sie uns einige der Herausforderungen bei den digitalen Prozessen in Organisationen oder deren Lieferketten nennen?

Binder: Aktuell ist Standardisierung das Thema der Stunde, weil bislang jeder sein eigenes System hat. Zwar ist es bereits obligatorisch, dass die jeweiligen Systeme untereinander kommunizieren, aber eine Standardisierung würde noch weitere Effizienzen freisetzen. Das von der Serialisierung geschaffene digitale Netzwerk könnte genau zu diesem Zweck genutzt werden. Selbst dann, wenn alle Parteien ein ureigenes Interesse an der Lieferkette haben, bleiben einige entscheidende Herausforderungen und Fragen bestehen, beispielsweise, ob sie Schnittstellen mit allen ihren Partnern haben wollen. Wer soll dafür bezahlen? Welche Standards sollen gelten?

Wie weit, glauben Sie, wird die Industrie im digitalen Bereich nach fünf Jahren sein?

Binder: Ich glaube, in fünf Jahren gibt es bei der Planung deutlich mehr Zusammenarbeit zwischen Pharmaindustrie, CMOs und Logistikpartnern. Ich bin auch überzeugt, dass der Austausch von Planungs- und Transaktionsdaten auf digitale Weise zur Normalität wird, während E-Mails und Excel-Tabellen bald der Vergangenheit angehören werden. Wir werden auch feststellen, dass KI genutzt wird und sich ereignisgesteuerte Lieferketten durchsetzen, bei denen vordefinierte Geschäftsregeln auf bestimmte Ereignisse angewandt werden. Die nächste Futurelink-Veranstaltung in diesem Jahr findet vom 2. bis 4. Oktober in Nashville, USA, statt und nimmt die nächste Welle globaler Track-and-Trace-Anforderungen in den Fokus. 

www.prozesstechnik-online.de

Suchwort: phpro0419tracelink


Das Interview führte für Sie: Daniela Held

Redakteurin


Die Futurelink-Konferenz findet vom 11. bis zum 13. Juni 2019 in Barcelona statt

Serialisierung weiter gedacht:   Futurelink Barcelona

Die Futurelink-Konferenz in Barcelona bringt vom 11. bis zum 13. Juni 2019 führende Köpfe der Lifesciences-Industrie in Europa zusammen, um gemeinsam an der digitalen Transformation der pharmazeutischen Lieferkette zu arbeiten. Zu den Top-Referenten des jährlich von Tracelink veranstaltete Events gehören:

  • Frank Binder, Corporate Officer und Leiter Supply Chain Management, Santen
  • Naseem Amin, CEO und Direktor, GMP-Orphan
  • Anton Charitonow, Pharma Business Unit Manager und Projektleiter, CRPT
  • Roddy Martin, ehemaliger AMR Research/Gartner Analyst und Supply Chain Thought Leader.
  • Helmut Müller-Neumayr, Geschäftsführer, Loxxes Pharma GmbH
  • Luca Pezzano, Betriebsleiter, IBI Lorenzini
  • Nicolas Florin, CEO, Schweizerische Arzneimittel-Verifikationsorganisation
  • Bjoern Rosner, Leiter des Global Serialization Program, Biogen
  • Kai Mjaanes, General Manager, Norwegen Arzneimittel-Verifizierungsorganisation
  • Mitja Pirman, Geschäftsführerin, Slovenian Medicines Verification Organization (ZAPAZ)
  • Nilton Melo, Leitung, Apothekenbeschaffung, Addenbrooke‘s Krankenhaus
  • Magdalena Wohlfarth, IT Global Program Manager Track & Trace, B. Braun AG
  • Carlos Ruiz, Leiter Pharma Operations, Almirall
  • Dr. Martin Hug, Chefapotheker, Universitätsklinikum Freiburg
  • Mansour Al-Rebdi, Spimaco
  • Emmanouela Nikolakopoulou, Rechtsberaterin, Europäische Organisation zur Überprüfung von Arzneimitteln
  • Robert Hughes, Leiter des globalen Serialisierungsprogramms, DHL
  • Pasi Kemppainen, Global Serialization and Traceability Management Berater, Santen

Die Futurelink-Konferenz wurde entwickelt, um auch nach Ablauf der Frist für die EU-Fälschungarichtlinie, die Geschäftsziele zu diskutieren, die Unternehmen durch ihre Serialisierungsinvestitionen erreichen können. FutureLink ist die einzige Branchenveranstaltung, die die gesamte Lieferkette zusammenführt.

Für die strategische Ausrichtung des Konferenzprogramms wurde ein Beirat gebildet, der renommiertesten Vordenkern der Branche zusammensetzen, darunter Frank Binder und Naseem Amin.

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