Fremdpartikel in Hilfsstoffen und anderen chemischen Rohstoffen können eine Bedrohung für die Qualität des pharmazeutischen Endprodukts und die Patientensicherheit darstellen. Darüber hinaus können sie gegen regulatorische Anforderungen verstoßen, zu Unterbrechungen in der Lieferkette führen, Medikamentenmangel hervorrufen und den Ruf eines Unternehmens schädigen. Doch nicht alle Partikel sind gefährlich: Technisch unvermeidbare Partikel (TUP) entsprechend der Definition des International Pharmaceutical Excipient Council (IPEC), die bei der Herstellung, Handhabung oder Verpackung von Hilfsstoffen entstehen, stellen weder ein erhöhtes Risiko für die Patientensicherheit dar, noch beeinträchtigen sie die Wirksamkeit oder Qualität des Arzneimittels.
Verunsicherung in der Industrie
TUP sind seit jeher in Hilfsstoffen enthalten. Doch erst in den letzten Jahren ist die Besorgnis über ihre Anwesenheit dramatisch gestiegen. Das IPEC geht davon aus, dass mehrere Warnschreiben der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) an Pharmaunternehmen der Auslöser waren. Darin wies die Behörde auf negative Befunde aus Inspektionen sowie eine unzureichende Untersuchung ungewöhnlicher, sichtbarer Partikel hin. Eventuell reiche es schon aus, mit dem Lieferanten zu sprechen oder der Behörde zu erklären, um welche Partikel es sich handelt und warum sie kein Risiko für Patienten darstellen, so der Rat der FDA.
Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Anstatt aufzuklären, haben die Schreiben zu großer Verunsicherung in der Industrie geführt. Darüber hinaus wurde die unrealistische Erwartung geweckt, dass kein einziger sichtbarer Partikel in einem Wirkstoff vorhanden sein sollte, unabhängig von seiner Größe oder der Gesamtmenge in einer Charge. Doch TUP sind, wie ihr Name schon sagt, unvermeidbar. Sie lassen sich mit heutigen Technologien nicht auf wirtschaftlich sinnvolle Art komplett beseitigen. Stattdessen hilft ein proaktiver Umgang: Indem Hersteller Kunden über die Anwesenheit von TUP und deren jeweilige Eigenschaften informieren, helfen sie bei der Entscheidung, ob ein Eingreifen nötig ist.
Proaktive Kommunikation
Spezifische Orientierungshilfen der Regulierungsbehörden für den Umgang mit TUP in pharmazeutischen Wirkstoffen würden allen beteiligten Parteien helfen. Einige Versuche wurden bereits unternommen: Die vom Active Pharmaceuticals Ingredients Committee (APIC) entwickelten Richtlinien vermitteln ein gemeinsames Verständnis für die Anwesenheit von Fremdpartikeln. Sie informieren über Instrumente, die bei der systematischen Identifizierung von Partikeln, bei korrektiven oder präventiven Maßnahmen sowie bei der Risikobewertung helfen.
Auch IPEC veröffentlichte nach den FDA-Warnschreiben einen Leitfaden. Darin ist beschrieben, wie Informationen über die Identität und Herkunft von Partikeln in Hilfsstoffen zur Verfügung gestellt werden können. Vor allem aber regt IPEC mehr Kommunikation zwischen Herstellern und Anwendern von Hilfsstoffen an. Damit wird ein sehr wichtiger Punkt der FDA bestätigt: Eine offene Kommunikation ist entscheidend. Erfahrungen zeigen, dass die proaktive Suche nach Fremdpartikeln und die Bereitstellung von Informationen bei der Risikominderung helfen. TUP-Profile beispielsweise haben sich sowohl für Hilfsstoff- als auch für Pharmahersteller als sehr nützlich erwiesen.
TUP-Profile erstellen
Basierend auf den Erfahrungen von Zulieferern und Anwendern chemischer Roh- und Hilfsstoffe hat Merck Prozesse implementiert, um Kunden proaktiv Informationen über TUP für ihre Emprove-Hilfsstoffe zur Verfügung zu stellen. Ziel ist es, Kunden über die Anwesenheit der Partikel zu informieren und Details über die getätigten Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen (CAPA) sowie verwendete Minderungsstrategien zu liefern. Die Ursachenanalyse spart den Kunden Zeit und Ressourcen und ermöglicht eine unabhängige Bewertung der potenziellen Auswirkungen von in ihren Produkten enthaltenen Partikeln.
Der erste Schritt zur Erstellung eines TUP-Profils besteht in der Situationsanalyse. Dazu gehören die Inspektion von Chargen und die Auswertung von Reklamationen: Welche Produkte haben mehr Beschwerden über Fremdpartikel erhalten als andere? Sind TUP erkannt, bewertet und inspiziert, werden – sofern vorhanden – entsprechende Richtlinien überprüft. Schritt zwei ist die Ursachenanalyse: Wo kommen die Partikel her? Können sie ganz vermieden oder zumindest reduziert werden? Um diese Frage zu beantworten, wird der Produktionsprozess überprüft.
Kommunikation von TUP-Profilen
Die Erstellung eines TUP-Profils kann mehrere Monate dauern. Was zunächst nach einer großen Investition aussieht, zahlt sich letztlich aus. Denn das Auffinden von Fremdstoffen kann dazu führen, dass ganze Rohstoffchargen von den Anwendern abgelehnt werden. Zeit, Geld und Ressourcen werden verschwendet, um Partikel zu untersuchen, die nie eine Gefahr für die Patientensicherheit darstellten und technisch unvermeidbar waren. Der letzte und sehr wichtige Schritt bei den TUP-Profilen besteht daher in der Kommunikation und der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Dabei ist ein standardisierter Prozess für die Handhabung typischer und atypischer Partikel unbedingt zu empfehlen.
TUP-Profile sollten immer Informationen über die Größe, Zusammensetzung und erwartbare Anzahl der Partikel enthalten. Im Idealfall sollte jedes Profil mit einem Flussdiagramm der Produktionsprozesse verknüpft sein und Bilder der Partikel für einen schnellen Vergleich mit anderen Partikeln in der Rohmaterialcharge enthalten. Dies kann zu erheblichen Zeiteinsparungen bei Identifizierung und Analyse führen – insbesondere, wenn die Partikel sich sehr ähnlich sind. Darüber hinaus sollten Informationen über die Löslichkeit, bekannte Grenzwerte und Möglichkeiten zur Entfernung der Partikel angegeben werden.
Mit dem Unvermeidbaren umgehen
TUP-Profile spielen eine wichtige Rolle in der Qualitätskontrolle. Sie ermöglichen es Pharmaherstellern, eine schnelle und zuverlässige Risikobewertung durchzuführen. Darüber hinaus tragen sie dazu bei, zwischen Situationen zu unterscheiden, die Aufmerksamkeit und Handeln erfordern, und solchen, in denen keine Reaktion erforderlich ist. Das wiederum reduziert unnötige Maßnahmen und Krisenmanagement. Ein proaktiver Umgang mit TUP und die offene Kommunikation können somit sowohl Risiken mindern als auch wertvolle Ressourcen schonen. Ein gutes Beispiel dafür stellen die beschriebenen TUP-Profile von Merck für das Emprove-Portfolio dar.
Merck KGaA, Darmstadt