Der Orkan, der in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1822 über der Nordsee tobte, gilt als einer der schwersten der Geschichte. Wer nicht im Hafen lag, hatte ein echtes Problem. Der einzige halbwegs sichere Ort war das offene Meer, weit weg von allen Klippen und Untiefen.
Dorthin versuchte auch der junge, unerfahrene Kapitän Heinrich Jacob Riesbeck sein Schiff zu retten – die „Gottfried“, ein kleiner zweimastiger Frachtsegler aus Eichenholz. Vergeblich. An Bord befand sich einer der unermesslichsten Schätze seiner Zeit: 97 Kisten mit ägyptischen Kunstwerken, die der preußische Adlige Freiherr Heinrich Menu von Minutoli für König Friedrich Wilhelm III. am Nil erworben hatte. Sie sollten den Grundstock für die ägyptische Sammlung des Preußenherrschers bilden. Paris und London wetteiferten ebenfalls darum, mit ihren archäologischen Sammlungen zu den führenden Kunstzentren Europas zu werden – mit dem Schatz an Bord der „Gottfried“ würde Berlin mühelos mit ihnen mithalten können.
Mumien trieben im Meer
Neben zahlreichen Mumien hatte Minutoli Altäre, Gefäße, Götterfiguren und Papyri in Ägypten erworben. Dazu kamen die Spitze einer Pyramide sowie ein tonnenschwerer Sarkophag aus rotem Granit. Wahrscheinlich waren es der gewaltige Sarkophag und die Pyramidenspitze, die dem jungen Kapitän und seinem Schiff zum Verhängnis wurden. Fest verzurrt stabilisierten sie noch das Schiff. Doch als das anhaltende Schlingern der wütenden Orkanwellen die Taue löste, durchschlugen die beiden Stein-Monstren die Bordwand. Binnen Sekunden verschluckte die Nordsee das Schiff mitsamt seinen ägyptischen Preziosen. Nur die leichteren Holzsarkophage, gefüllt mit mehr Luft als Mumie, ploppten wieder an die Oberfläche, hüpften wie Korken auf den Wellen und trieben gen Küste.
Noch heute liegt der gewaltige Schatz in der Elbemündung. Die Gottfried ist allerdings verschwunden, zerstört, zersplittert, hinweggefegt. Über der vermuteten Untergangsstelle steht auch bei Ebbe mindestens ein Meter Wasser – Tendenz steigend. Eine Bergung ist daher nicht möglich.