Das durch die Corona-Pandemie geprägte Jahr 2020 hat deutliche Spuren in der Industrie hinterlassen. Auch die chemisch-pharmazeutische Industrie ist betroffen. Insbesondere die Hersteller von Grundstoffchemikalien hatten erhebliche Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Die Daten der ICIS Top 100 Rangliste globaler Chemieunternehmen zeigen einen durchschnittlichen Umsatzrückgang von 34 % im Jahr 2020. Aber bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 hat eine Aufholjagd der Chemieindustrie begonnen, die bis ins Jahr 2021 andauert. In Deutschland stieg die Produktion allein im 1. Halbjahr 2021 um 5,9 %, der Umsatz legte um 12 % zu, so die Zahlen des VCI. Und die Prognose für 2021 lautet: “Historisches Rekordniveau für Umsatz und Investitionen.” Wir werfen einen Blick auf die aktuellen Zahlen.
Mitte August legte der VCI die aktuellen Halbjahreszahlen für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland vor. Demnach kann diese trotz Corona-Pandemie und Lieferkettenproblemen eine starke Bilanz für vorlegen. Der Umsatz stieg dank guter Nachfrage im In- und Ausland sowie kräftig anziehender Preise (+ 4,7%) für chemisch-pharmazeutische Produkte um 12% auf 111 Mrd. Euro. Die Zahl der Beschäftigten blieb unverändert bei 464.400. Da die Industrieproduktion auf allen Kontinenten ihren Erholungskurs fortsetzte, konnte Deutschlands drittgrößte Branche ihre Produktion von Januar bis Juni um 5,9% ausweiten. Die Kapazitätsauslastung der Anlagen stieg auf über 86% und lag damit deutlich oberhalb des für die Branche üblichen Niveaus.
Auch für die zweite Jahreshälfte bleibt die die chemisch-pharmazeutische Industrie durch den großen Nachfrageüberhang ihrer Kunden zuversichtlich. Der VCI rechnet für das Gesamtjahr mit einem Produktionsanstieg von 4,5% und einem Umsatzwachstum von 11%. „Zum zweiten Mal nach 2018 wird unsere Industrie in diesem Jahr die Schallmauer von 200 Mrd. Euro durchbrechen und mit einem Umsatzrekord das Vorkrisenniveau deutlich übertreffen“, so Christian Kullmann, Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI).
Eine Rekordzahl erwartet der VCI auch für die Investitionen der Unternehmen im Inland. Der Chemieverband geht davon aus, dass die Investitionen für Sachanlagen im laufenden Jahr von 8,4 auf knapp 9 Mrd. Euro steigen. Der Grund: Aufgeschobene Projekte aus dem Vorjahr werden nachgeholt und Kapazitäten ausgeweitet.
VCI-Quartalsbericht 2. Quartal 2021
Rekord-Budget für Forschung und Entwicklung
Aktuell wurden in Frankfurt auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bekannt gegeben. Diese zeigen, dass die Branche weiterhin auf innovative Produkte und Verfahren als Garant für ihre Wettbewerbsfähigkeit setzt. Im Jahr 2020 sind die FuE-Budgets um rund 2,5% auf 13,7 Mrd. Euro gestiegen und für 2021 rechnet der VCI sogar mit einem Ausgabenrekord in Höhe von 14 Mrd. Euro für Forschungsprojekte. „Die hohe Innovationsorientierung der chemisch-pharmazeutischen Industrie hat uns bei der Krisenbewältigung geholfen. Auch wenn unsere Forscherinnen und Forscher unter deutlich erschwerten Bedingungen arbeiten mussten“, sagte Thomas Wessel, Vorsitzender des Ausschusses Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI in Frankfurt. Um die negativen Folgen der Corona-Pandemie auf die Forschungsbudgets zu mildern, hat nach Angaben des VCI knapp die Hälfte der Chemie- und Pharmaunternehmen die Laufzeiten von FuE-Projekten gestreckt. 27% der Unternehmen haben ihre Forschungsvorhaben später gestartet. Aber nur vereinzelt wurden Projekte gestrichen (16%) und noch seltener Innovationsaktivitäten ganz aufgegeben.
Blick in die Welt: China größter Markt für chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse
Auch außerhalb Deutschlands stehen die Räder nicht still und der globale Chemiemarkt insgesamt erholt sich von den Einbußen durch die Corona-Krise. Dabei war und ist China der größte Produzent und gleichzeitig der größte Verbraucher von Chemikalien. Im Jahr 2020 konnte das Reich der Mitte einen Umsatz von mehr als 2 Bio. Euro bei der Produktion von Chemikalien verzeichnen (Quelle: VCI). Dieser Wert konnte im Vergleich zum Vorjahr weiter ausgebaut werden. Beim Chemieverbrauch belegte China mit mehr als 2,1 Bio. Euro die Spitzenposition. Die Produktion wurde in den letzten zehn Jahren stetig ausgebaut, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 8,7% Prozent, in den letzten fünf Jahren 5,7%. Im weltweiten Vergleich investierte niemand so stark in seine Chemieindustrie wie China. 2020 beliefen sich die Investitionen in die Chemieindustrie auf fast 115 Mrd. Euro, ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.
Bei der Produktion folgten die USA auf Platz zwei mit einem deutlich geringeren Umsatzvolumen von fast 685 Mrd. Euro.
China wichtigster Handelspartner
Trotz der steigenden Produktionskapazitäten kann China seinen hohen Bedarf an Chemie- und Pharmaprodukten nicht decken und ist daher Nettoimporteur von Chemikalien. Das Handelsbilanzdefizit schrumpfte 2020 zwar um fast 9 Mrd. Euro gegenüber Vorjahr, es fiel allerdings mit -53,5 Mrd. Euro weiterhin deutlich negativ aus. Nur Anorganika sowie Fein- und Spezialchemikalien erzielten Handelsbilanzüberschüsse.
In Asien ist China daher der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Die deutsche Chemieindustrie exportierte 2020 Waren im Wert von mehr als 9,8 Mrd. Euro nach China. Dies waren rund 5% der deutschen Chemieexporte. Umgekehrt kamen Chemiewaren im Wert von fast 5,4 Mrd. Euro von China nach Deutschland. Dies entsprach einem Anteil an den Chemieimporten von 3,8%.
Deutsche Chemieunternehmen sind mit Vertriebs- und Produktionsstätten auch vor Ort aktiv. Die Direktinvestitionen deutscher Chemieunternehmen in China beliefen sich 2019 auf rund 7,7 Mrd. Euro. Insgesamt waren 237 Tochtergesellschaften deutscher Chemieunternehmen in China tätig. Zusammen erwirtschafteten sie einen Umsatz von rund 27 Mrd. Euro.
Deutsche Chemieindustrie positioniert sich weltweit auf Platz drei
Deutsches Unternehmen führt Top100-Ranking der Chemieunternehmen weltweit an
Im Ranking der Top 100 Chemieunternehmen steht Deutschland 2020 vor China. Der Informationsdienst ICIS hat seine jährliche Liste der ICIS Top 100 Chemieunternehmen bekannt gegeben, in der die globalen Produzenten nach ihrem Umsatz im Jahr 2020 geordnet sind. Mit einem Umsatz von 72,3 Mrd. US-Dollar im Jahr 2020 führt die BASF als größtes Chemieunternehmen der Welt die Liste an. An zweiter Stelle steht dann das chinesische Unternehmen Sinopec mit einem Chemieumsatz von 57,0 Mrd. US$, gefolgt von dem US-amerikanischen Unternehmen Dow mit 38,5 Mrd. US$ Umsatz, dem britischen Unternehmen Ineos mit 33,6 Mrd. US$ Chemieumsatz und dem US-amerikanischen Unternehmen Lyondellbasell mit 27,8 Mrd. US$ Umsatz.
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(Daniela Held)