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Bionik: Der Natur über die Schulter geblickt

Der Natur über die Schulter geblickt
Bionik: Konzepte gegen den Klimawandel

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Die Bionik vereint Biologie und Technik. Der Hauptgedanke: von der Natur lernen. Was sich über Jahrmillionen entwickelt hat, kann nicht so schlecht sein. Ein Beispiel: die Haifischhaut. Ihre Struktur wird für Schwimmanzüge genutzt, die Rekorde purzeln lassen. Welche Möglichkeiten die Bionik für die Lösung der gegenwärtigen Probleme des Klimawandels bietet, untersucht ein Team von Festo. Herausgekommen ist dabei die BionicCellFactory und die BionicHydrogenBattery.

 

Bewegung tut gut, sagen die Ärzte. Das gilt auch für Festo. Der Industriespezialist für Bewegung aus Esslingen wächst jährlich und ist inzwischen bei einem Umsatz von 3,65 Mrd. Euro und weltweit bei über 20 000 Mitarbeitern angekommen. Rund 300 000 Kunden in 35 Branchen beliefert das Familienunternehmen mit mehr als 30 000 verschiedenen Produkten. Möglich machen diese Entwicklung Forschungs- und Entwicklungsausgaben von über 7 %. Dabei wird das Geld nicht nur in die Produktentwicklung gesteckt, sondern auch in die Grundlagenforschung, zum Beispiel in den Nachbau von Tieren, die sich zu Land, zu Wasser und in der Luft bewegen. Besucher der Hannover Messe kommen jährlich zu Festo an den Stand, um zu sehen, was sich das Team um Dr. Michael Sinsbeck, Leiter Bionic Projects bei Festo, ausgedacht hat. In diesem Jahr war es die BionicBee, die mit ihrem Summen die Geräuschkulisse in den Messehallen erweiterte. Die rund 34 g schwere Biene kann im Schwarm fliegen, ohne dabei zu kollidieren.

Was man als „hübsche Spielerei“ abtun könnte, habe für Festo allerdings einen sehr realen Hintergrund, sagt Dr. Sinsbeck. „Unser Ziel ist es, aus unserer bionischen Forschung Erkenntnisse zu erlangen, die wir in reale Produkte einfließen lassen können. Auf diese Weise sind unsere Zukunftskonzepte BionicCellFactory und BionicHydrogenBattery entstanden.“

Kultivierung von Biomasse im industriellen Maßstab

Thomas Schulz, Manager Process Industries für Biotech, Pharma & Cosmetics bei Festo, vergleicht die Situation auf unserem Planeten mit einem Raumschiff, bei dem gerade alle lebenserhaltenden Systeme abgeschaltet werden. Dementsprechend sind Klima- und Ressourcenschutz für ihn zwei der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wie können wir der Atmosphäre CO2 entziehen und dabei aktiv zum Klimaschutz beitragen? Wie können wir unseren Materialverbrauch verringern, mehr Stoffe wiederverwerten und zugleich alternative Rohstoffe erschließen? Auch hier ist die Natur das große Vorbild. Schließlich gibt es so etwas wie Abfall in der Natur nicht. Das Ergebnis ist die BionicCellFactory. Sie könnte der nächsten Schritt auf dem Weg zur Industrialisierung der biologischen Transformation sein. Mit dem Konzept und der Automatisierungstechnik von Festo lässt sich Biomasse im großen Maßstab kultivieren. Alles, was wir gegenwärtig unter immensem CO2-Ausstoß aus Erdöl herstellen, können wir auch nachhaltig aus Algen gewinnen. „In einem Fotobioreaktor werden Algen mit CO2 aus der Umgebungsluft gefüttert und vermehrt. Die Algen enthalten etwa 10 bis 20 % eines Öls, aus dem anschließend Glyzerin und Biosprit hergestellt werden können“, erläutert Sebastian Schrof, Entwickler & Designer Bionic Projects bei Festo.

Die Zelle als Fabrik

Lebende Zellen sind die kleinsten Fabriken der Welt. Mittels Photosynthese wandeln Algenzellen in ihren Chloroplasten Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser in Sauerstoff und chemische Energieträger bzw. organische Wertstoffe um. „Algen sind kleine Klimaretter, da sie zehnmal mehr CO2 binden als Landpflanzen. Durch die automatisierte Kultivierung in Bioreaktoren lässt sich dieser Wert nochmals um den Faktor zehn steigern. Mithilfe unserer Automatisierungstechnik lässt sich die Biomasse im geschlossenen Kreislauf hocheffizient und ressourcenschonend produzieren“, sagt Sandra Lichtenberger, Biotechnologin für Biotech & Process Automation bei Festo.

Die BionicCellFactory könnte als universelle Blaupause für ganzheitliche Produktionssysteme der Zukunft dienen. Sie lässt sich beliebig groß skalieren. Um den zukünftigen Bedarf an nachwachsenden Rohstoffen zu decken, braucht es allerdings Bioreaktoren mit einem Fassungsvermögen von mehreren tausend Litern.

Wasserstofftransport mithilfe von Bakterien

Für die klimaneutrale Produktion von Morgen benötigen wir grünen Wasserstoff. Deutschland wird dazu auf Importe angewiesen sein. Allerdings ist der Transport von reinem Wasserstoff problematisch. Ein enormer Energieaufwand ist zur Verflüssigung notwendig. Gleichzeitig muss der Wasserstoff während des eigentlichen Transportes gekühlt werden. Daher sind Alternativen in den Fokus gerückt, zum Beispiel Ammoniak. Doch auch hier ist energetisch nicht alles Gold was glänzt. Abhilfe könnte ein Mikroorganismus aus den Tiefen eines afrikanischen Sees bringen. Thermoanaerobakter kivui heißt der Seegensbringer. Er kann nämlich unter bestimmten Bedingungen aus Wasserstoff und Kohlendioxid Ameisensäure produzieren. „Aber er kann noch viel mehr“, sagt Dr. Adrian Eilingsfeld, Wissenschaftler & Ingenieur Bionic Projects bei Festo. „Verändert man die Umgebungsbedingungen, produziert das kleine Kerlchen aus Ameisensäure wieder hochreines CO2 und Wasserstoff.“ Die Idee dahinter: Am sonnigen Entstehungsort des Wasserstoffes wird unter milden Bedingungen mithilfe der Bakterien Ameisensäure produziert. Diese wird verschifft und am Zielort wieder umgewandelt. Der Wasserstoff wird verstromt, das hochreine CO2 kann beispielsweise der Getränkeindustrie zugeführt werden.

Entdeckt und grundlegend erforscht wurde dieser Prozess vom Team um Prof. Dr. Volker Müller, Leiter der Abteilung „Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik“ an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dem das Team von Festo in dem Projekt eng zusammenarbeitet. „Wasserstoff ist einer der Energieträger der Zukunft, der unter anderem für die Erzeugung von sauberem Strom eine wichtige Rolle spielen wird. Mit unserem Konzept leisten wir einen Beitrag, dieses Potenzial wirtschaftlich nutzbar zu machen“, erklärt Dr. Sinsbeck.

Festo habe dabei die gesamte Wasserstoffwertschöpfungskette im Blick, erläutert Marian Schmidt, Business Development & Produktmanager für Wasserstoff bei Festo. „Wir können hier unsere komplette Expertise der Fertigungsautomation in die Prozessautomation einbringen“, sagt der Produktmanager.

Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Die Natur als Vorbild für technische Prozesse zu nutzen, ist der Kern der Bionik. Biotechnologische Prozesse werden heute in der Pharma- und Lebensmittelindustrie vielfach genutzt. Die beiden Konzepte BionicCellFactory und BionicHydrogenBattery zeigen jedoch, dass das Potenzial biotechnologischer Prozesse noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Festo SE & Co. KG, Esslingen


Dr. Bernd Rademacher

Redakteur

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