Pro Tag werden Millionen von Tonnen Getreide verarbeitet. Neben backfähigem Mehl entstehen dabei auch Nebenprodukte wie Nachmehle (dunkle Mehle) und Kleie. Die Extrusionstechnologie bietet zahlreiche Möglichkeiten sowohl das backfähige Mehl als auch die Nebenprodukte weiterzuverarbeiten – und zwar wertsteigernd. Produktbeispiele sind Frühstückszerealien, Babynahrung, Paniermehl, Croûtons sowie modifizierte Mehle und Stärken.
Christopher Rubin
Modifizierte Mehle, auch Quellmehle genannt, werden als Bindemittel oder Füllmaterial eingesetzt. In Backwaren verlängern sie die Frische. Quellmehle unterscheiden sich von herkömmlichen Mehlen durch eine veränderte Wasseraufnahmekapazität und Löslichkeit.
Die Eigenschaften der Quellmehle und damit auch die Viskosität späterer Mehl-Wasser-Suspensionen kann über die Extruderparameter eingestellt werden. In Abhängigkeit davon, welche Menge von thermischer und mechanischer Energie beim Extrudieren eingebracht werden, entstehen qualitativ unterschiedliche Endprodukte, die entweder in kaltem oder in heißem Wasser löslich sind. Außerdem wichtig: Die Extrusion von Mehl kommt ohne den Einsatz von Chemikalien aus. Dadurch ist eine E-Nummern-freie Deklaration (clean label) der gebildeten Quellmehle möglich.
Mithilfe der Extrusionstechnologie lassen sich auch Paniermehle herstellen. Bei traditionellen Verfahren sind proteinreiche Mehle, beispielsweise Weizen- oder Roggenmehle, zur Ausbildung des Klebernetzwerks notwendig. Im Unterschied dazu können beim Extrusionsverfahren alle stärkehaltigen Produkte verwendet werden. Das ermöglicht auch die Verarbeitung von weniger hochwertigen Weizenmehlen oder von Mais-, Reis- oder Kartoffelmehlen. Schwankungen der Rohstoffqualität lassen sich im Extrusionsprozess leichter ausgleichen. Der Teigtrieb erfolgt bei der Extrusion durch die Expansion des Teiges an der Düse und kann daneben über chemische oder physikalische Treibmittel gesteuert werden. Weiterer Vorteil der Extrusionstechnologie: Es lassen sich verschiedene Typen von Paniermehlen herstellen, zum Beispiel American Bread Crumbs, Japanese Bread Crumbs oder Cracker Meal, ohne dass die Extrusionsanlage umgerüstet werden muss. Zudem ist es möglich, Textur, Farbe und Granulation genau einzustellen.
Ein weiterer Pluspunkt ist, dass bei Extrusionsverfahren zur Paniermehlherstellung weniger Energie verbraucht wird. Die Gründe dafür sind wasserärmere Rezepturen und kürzere Verweilzeiten. So sind bei einer Kapazität von 2 t/h die Energiekosten pro Tonne Fertigprodukt beim traditionellen Verfahren doppelt so hoch wie beim Extrusionsverfahren. Des Weiteren ist der Extruder so flexibel, dass über ein geeignetes Setup auch artverwandte Produkte auf der gleichen Anlage produziert werden können.
Nachmehle oder Kleie werden in der Regel zu tiefen Preisen an die Futtermittelindustrie abgegeben. Mithilfe der Extrusionstechnologie können auch aus diesen Nebenprodukten hochwertige Zutaten für Lebensmittel wie Frühstückszerealien oder Kleieflocken (Bran Flakes) erzeugt werden. Welche Wertsteigerungen durch Extrusionsverfahren möglich sind zeigt folgendes Beispiel: Für extrudierte Weizenkleie kann ein doppelt so hoher Preis erzielt werden wie für native Weizenkleie.
Die Gemeinsamkeit von Backwaren und extrudierten Produkten ist, dass sie aus Getreidemehl bestehen. Der grundlegende Unterschied liegt in der Teigstruktur. Bei der Ausbildung des Teiggerüsts konventi-oneller Backwaren spielen Proteine (Gluten bzw. Pentosanen) eine entscheidende Rolle. Die Struktur extrudierter Produkte basiert jedoch auf Stärke. Das Rohmaterial für die Extrusion muss über einen Stärkegehalt von mindestens 5 bis 10 % verfügen, damit das Endprodukt eine stabile Struktur erhält. Der Proteingehalt kann allerdings unter 10 % liegen, also sehr niedrig sein. Mehle mit tiefen Proteingehalt sind in der Regel nicht zum Backen geeignet und aufgrund ihrer Proteinschwäche sehr preiswert. Das heißt: Mithilfe von Extrusionsverfahren können preiswerte, proteinarme Mehle, die sich nicht zum Backen eignen, zu attraktiven Produkten verarbeitet werden.
Online-Info www.dei.de/1209420
Begriffsbestimmung
Bei der Extrusion wird unter Einfluss von Druck und Temperatur das zu verarbeitende Produkt durch eine definierte Öffnung (Düse) gepresst. Dabei geht es ganz oder teilweise in den flüssigen Zustand über. Außerdem erfährt es während des Prozesses eine chemische bzw. physikalische Modifikation. Bei Stärke ist das die Gelatinisierung, bei Proteinen die Texturierung. Am Ende des Extrusionsprozesses wird das erstarrte Produkt mithilfe einer Schneidevorrichtung in Form gebracht. Textur, Schüttgewicht, Farbe, Wasserlöslichkeit, Geschmack und andere Eigenschaften des extrudierten Produkts werden sowohl von den Rohstoffeigenschaften als auch von den Extrusionsparametern bestimmt.
In der betrieblichen Praxis übernehmen Extruder neben der Formgebung und Modifikation von Produkteigenschaften auch folgende Funktionen: Fördern, Aufschmelzen, Mischen (Dispergieren und Homogenisieren) und Dosieren.
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