Weißblechdosen mit Lebensmitteln und Getränken sind in jedem Supermarkt zu finden. Durch die Entwicklung sehr leichter und dennoch fester Weißblechqualitäten sowie durch innovative Abfülltechnologien und Gestaltungsmöglichkeiten erobert sich diese traditionelle Verpackungslösung immer neue Anwendungsgebiete.
Karsten Brandt
Unabhängig von der kontroversen Diskussion über das Einwegpfand und die daraus resultierenden Verwerfungen im Getränkemarkt, stellt sich nach wie vor die Frage: Warum ist Weißblech eigentlich so gut geeignet für die Verpackung empfindlicher Füllgüter? Der Verbraucher schätzt vor allem die Vielfalt und den Convenience-Faktor der einzelnen Produkte, u. a. das schnelle und einfache Zubereiten. Dass man sich mit Nahrungsmitteln aus dem Vitamintresor Lebensmitteldose auch noch gesund ernähren kann, verstärkt das Kaufverhalten. Denn: Lebensmittel aus der Dose verfügen über eine vergleichbare Menge an Vitaminen und Mineralstoffen wie Gerichte aus frischen Lebensmitteln nach der haushaltsüblichen Zubereitung. Für den Handel bieten Dosen unschätzbare logistische Vorteile, wie z. B. die hervorragende Stapelbarkeit und geringen Lagerkosten ohne die Notwendigkeit der Kühlung. Unter Marketinggesichtspunkten sticht die annähernd unbegrenzte Form- und Bedruckbarkeit von Weißblech hervor. Diese außergewöhnlichen Materialeigenschaften bilden die Voraussetzung für die fortwährende Neu- und Weiterentwicklung von Verpackungslösungen aus Weißblech.
Verbesserte Ökobilanz
Die fortschreitende Automatisierung ermöglicht reibungslose, schnelle und effektive Produktions- und Befüllungsabläufe und damit höhere Wettbewerbsfähigkeit. Materialeinsparungen und die daraus resultierende Ressourcenschonung verbessern die Ökobilanz von Weißblechverpackungen weiter. So konnte etwa das Gewicht einer 33-cl-Getränkedose von 83 g im Jahr 1951 auf heute 23 g verringert werden. Doch nicht nur die Getränkedose wurde zum Leichtgewicht: Die Rumpfblechdicke einer konventionellen Sickendose für Lebensmittel (99 mm Durchmesser, 119 mm Höhe) beträgt derzeit etwa 0,17 mm. Das sind 29 % weniger als noch 1975. Bei einer Dose gleicher Höhe mit 73 mm Durchmesser reduzierte sich die Dicke der Dosenwand im gleichen Zeitraum sogar um 45 % auf derzeit rund 0,13 mm.
Ein weiteres Potenzial der Weißblechdose liegt in neuen Werkstoffen, beispielsweise den HS 900 von der Rasselstein Hoesch GmbH in Andernach. Das Material erreicht eine Festigkeit von 900 MPa – daher der Name HS 900. Gegenüber herkömmlichen Werkstoffen aus Stahl bedeutet dies ein enormes Plus von rund 50 %, wobei die Formbarkeit vollkommen erhalten bleibt. HS 900 kann sowohl verzinnt als auch verchromt werden und erlaubt die vielfältigsten Gebinde.
Netzwerk aus Waben
Die erste Projektanwendung mit HS 900 ist die Lebensmitteldose Hexacan mit einem Durchmesser von 99 mm und 119 mm Höhe: Ein Netzwerk sechseckiger, aneinander gereihter Waben strukturiert die Oberfläche, weshalb auch die Bezeichnungen Waben- oder wölbstrukturierte Dose geläufig sind. Die Waben bewahren die Stabilität der Hexacan und ermöglichen ein Dickenabsenkungspotenzial um rund 30 %. Dieses viel versprechende Projekt wird u. a. im Innovationszentrum von Rasselstein Hoesch betreut, das die schnelle Entwicklung innovativer Produkte aus Weißblech unterstützt. Ziel ist, das Know-how von Technikern und Marketingfachleuten zu bündeln und durch fachübergreifende Zusammenarbeit gemeinsam mit dem Kunden kreative neue Weißblechverpackungen zu entwickeln.
Ein anderer innovativer Ansatzpunkt liegt dem Projekt Direktextrusion zugrunde. Hierbei handelt es sich um eine neue Technik der Kunststoffbeschichtung von Weißblech oder ECCS (Electrolytically Chromium Coated Steel). Im Unterschied zur herkömmlichen Verarbeitung einer Kunststofffolie kommt Granulat zum Einsatz. Der flüssige Kunststoff wird direkt auf das erhitzte Band aufextrudiert und dieses anschließend im Wasserbad abgekühlt. Das Ergebnis: Die Kunststoffschicht auf dem Band ist flexibler, haftet besser und lässt sich daher besser umformen. Weitere Vorteile liegen in einem verbesserten Korrosionsschutz und in der Schonung der Umwelt durch die Einsparung der Lackierung. Besonders geeignet ist dieses Verfahren für tiefgezogene Behälter oder Vollaufreißdeckel von Lebensmitteldosen. Auch der Einsatz bei Getränkedosen ist realisierbar.
Abfüllen unter Vakuum
Neben dem Material Weißblech verbessert sich auch die Abfülltechnik kontinuierlich, etwa durch das Vacu-Pack-Verfahren zur Herstellung aufgussreduzierter Produkte. Dabei wird der Aufguss in der Lebensmitteldose auf ein Mindestmaß reduziert – bei konventionellen Produkten um 30 bis 45 % – wodurch noch mehr wertvolle Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Die Methode ist in vielen Produktbereichen anwendbar und z. B. bei Mais bereits im Einsatz. Die Vorbereitungsphase für Erbsen, Karotten und Bohnen steht kurz vor dem Abschluss. Das Verschließen der Dose findet unter Vakuum statt, um einen möglichst geringen Restsauerstoffgehalt zu erzielen und so oxidative Veränderungen während der Lagerung zu vermeiden. Die Füllgüter erreichen eine sehr hohe Haltbarkeit bei gleichzeitig optimaler Bewahrung von Aussehen, Geruch und Geschmack. Neben nassen Produkten wie Mais oder Fleisch eignen sich auch Trockenprodukte wie Milchpulver, Kaffee oder Nüsse hervorragend für die Abfüllung unter Vakuum.
Innovative Deckellösungen
Nicht nur die Dose, sondern auch der Deckel bietet Spielraum für Innovationen. Hierbei steht der Wunsch der Verbraucher nach einfachen Öffnungssystemen, die wenig Krafteinsatz erfordern, im Vordergrund. Neben dem Aufreißdeckel (Ring-Pull-System) setzt sich der abzieh- oder peelbare Deckel immer mehr durch. Eine andere Entwicklung aus dem Innovationszentrum Weißblech, die kurz vor der Marktreife steht, ist der Steel ’n’ Peel-Deckel. Deckelring und -spiegel bestehen aus kunststoffbeschichtetem Weißblech und sind durch Heißsiegelung miteinander verbunden. Eine Alternative stellt ein Vollaufreißdeckel aus dem Werkstoff HS 900 dar: Er besitzt eine Ritzung, so dass er sich besonders leicht öffnen lässt.
Bereits in England erhältlich sind Getränke in einer anderen Hightech-Dose. Die Genießer dürfen sich seit Mitte letzten Jahres beim Öffnen ihres Eis-Cappuccinos über eine typische Crema freuen: Eine in der 0,25-l-Widget-Dose eingebaute Kapsel (Widget) bringt den Doseninhalt mittels Stickstoff und Druckabfall beim Öffnen zum Schäumen. Für Bier, das beim Öffnen eine appetitliche Schaumkrone erhält, hat sich die Widget-Technologie bereits etabliert. Die 0,25-l-Slimline-Dose macht auch ohne Widget eine gute Figur für Sport-, Energy- und Wellness-Getränke. Die hohen Wachstumsraten von milchhaltigen Getränken und Functional-Drinks wären ohne ein neues Verfahren undenkbar gewesen: Bei der aseptischen Abfüllung werden die Füllgüter für einige Sekunden auf 140 °C erhitzt, um Qualität, Vitamine und Mineralstoffe zu erhalten. Zudem hat die aseptische Abfüllung gegenüber der Sterilisation von Getränken den Vorteil, dass der Geschmack unverändert bleibt.
Form und Farbe
Doch erst das harmonische Zusammenspiel von Form und Farbe sorgt für den unverwechselbaren Markenauftritt: Von individuell an das Füllgut angepassten Formen über Shaped Cans mit ihrer schwungvollen Silhouette lassen sich mit Weißblech vielseitige Dosengeometrien realisieren. Beim Finish erlauben neue Beschichtungsverfahren fühlbare Details, etwa eine Oberfläche mit orangenähnlicher Struktur. Verfahren wie das Waterless Printing ermöglichen das direkte Bedrucken in fotorealistischer Qualität – auch bei kleiner Stückzahl für limitierte Sonderauflagen oder Promotionszwecke. Die coole Anmutung durch peppige Farben oder plastisch wirkende Wassertropfen auf den Dosen von Sport-, Energy- und Szenegetränken ist vor allem bei jüngeren Zielgruppen beliebt, ebenso fluoreszierende Dosen, die bei UV-Licht im Dunkeln leuchten. Neue Grundlacke mit mehr Aluminium-Pigmenten verleihen Weißblechdosen größeren Glanz. Rasselstein Hoesch arbeitet ebenfalls an der Verbesserung der Helligkeit bei Getränkedosen und setzt direkt am Material und dem Zusammenwirken der Legierungen an.
Die Quintessenz der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten von Weißblech ist in der Schmuckdose verwirklicht, die die Markenpersönlichkeit in besonderem Maße unterstreicht. Dabei steht eine weiterführende Idee im Vordergrund: Der Zweitnutzen. Auch bei verzehrten Inhalten überdauert die Schmuckdose als Sammlerstück und Behältnis – und wird so zum Garant einer dauerhaften Markenbindung zwischen Produkt und Konsument. Die offensichtliche Wieder- und Weiterverwendbarkeit wirkt als zusätzlicher Kaufanreiz und wertet das Produkt in seiner Gesamtheit auf.
So sind beim Verbraucher und in der Markenartikelindustrie die exklusiven Schmuckdosen aus Weißblech für Nahrungs- und Genussmittel nicht mehr wegzudenken – ebenso wenig wie die klassischen Lebensmittel- und Getränkedosen, die den Marken ihren unverwechselbaren Auftritt verleihen.
dei 421
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