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Fleischersatz aus Pilzmyzel

Start-up setzt auf Fermentation auf der Basis von Reststoffen
Fleischersatz aus Pilzmyzel

Lebensmittel aus dem fadenförmigen Wurzelgeflecht von Pilzen, dem sogenannten Pilzmyzel, herzustellen – das ist das Ziel des 2018 gegründeten Start-ups Mushlabs aus Berlin. Welche Technologie hinter der Idee steckt, welche  ernährungsphysiologischen Vorteile diese Art von Fleischersatz hat und wie sie schmeckt, erklärt der Firmengründer und Biotechnologe Mazen Rizk im Interview mit dei.

Herr Rizk, wie sind Sie auf die Idee gekommen, aus Pilzmyzel Fleischersatz herzustellen?

Mazen Rizk: Uns bei Mushlabs geht es nicht in erster Linie darum, Fleisch zu ersetzen, sondern wir wollen ein gesundes, nachhaltiges und faires Lebensmittelsystem aufbauen. Wir sind davon überzeugt, dass Pilze und Myzel die Lösung dafür sind. Wir verwenden ausschließlich Speisepilze, die Teil unserer Esskultur und somit den Konsumenten vertraut sind. Dieser emotionale Bezug ist uns sehr wichtig. Außerdem sind Pilze Meister des Upcyclings und können auf Reststoffen aus der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft wachsen, was wir uns zunutze machen. Mithilfe von Biotechnologie können wir das Myzel ressourceneffizient in nur wenigen Tagen kultivieren. Zu guter Letzt sind Pilze reich an wertvollen Nährstoffen, wie hochwertigem Protein, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien sowie dem natürlichen und würzigen Aroma Umami. Daher lässt sich unser Myzel in nur wenigen Arbeitsschritten und mit wenigen natürlichen Zutaten in ein hochwertiges Produkt weiterverarbeiten.

Wie funktioniert der Herstellungsprozess?

Rizk: Wir kultivieren das Myzel in einem sehr effizienten und kontrollierbaren Prozess: der sogenannten “submerged fermentation”. Dabei wächst das Myzel in einer Nährflüssigkeit, die wir aus Reststoffen der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft selbst herstellen können, heran. Je nach Pilzart und Fermentationsprozess können wir unsere Biomasse nach einigen Tagen ernten. Nachdem die Nährflüssigkeit abgesiebt wurde, kann die Biomasse direkt weiterverarbeitet werden. Das Besondere an dem Prozess: Statt horizontal auf einem Feld, passiert das Wachstum vertikal im Fermenter. Dadurch können wir alle Parameter genau steuern und ein schnelles Wachstum, hochwertiges Nährstoffprofil, ideale Aromen und Texturen sowie geringen Ressourcenverbrauch garantieren. Durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Parameter können wir außerdem die Eigenschaften der Biomasse verändern, zum Beispiel Aroma oder Textur. .

Welche Reststoffe aus der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft eignen sich für die Herstellung der Nährflüssigkeit?

Rizk: Man kann zum Beispiel Kaffeesatz, Heu oder Trester für die Herstellung der Nährflüssigkeit verwenden.

Welche technische Ausstattung haben Sie?

Rizk: Wir arbeiten mit Fermentern. Diese werden auch beim Herstellungsprozess anderer Lebensmittel wie zum Beispiel Joghurt eingesetzt. In diesen Behältern befinden sich die Nährflüssigkeit und das Myzel, das darin wächst. In einem Fermenter können wir alle relevanten Wachstumsparameter wie Temperatur oder pH-Wert steuern.

Wie schmeckt die so gewonnene Biomasse?

Rizk: Bei der Produktentwicklung ist uns vor allem der Geschmack wichtig, denn das ist der größte Treiber für Verbraucher. Unsere Biomasse ist, wie erwähnt, von Natur aus reich am Aroma Umami, das man auch von Fleisch und Käse kennt. Mit nur wenigen, natürlichen Verarbeitungsschritten, wie der Zugabe von Gewürzen und Kräutern, kann man diesen Geschmack hervorheben und verfeinern. Das eröffnet uns eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Die Textur von Myzel ist zudem von Natur aus faserig und saftig – und daher dem Fleisch deutlich ähnlicher als beispielsweise Produkte auf der Basis von Proteinisolaten aus Soja, die keinerlei Textur aufweisen und daher aufwendiger weiterverarbeitet werden müssen.

Welche weiteren Zutaten sind notwendig, um Textur und Geschmack von Fleisch zu imitieren?

Rizk: Wegen der faserigen und saftigen Textur und des natürlichen Umami-Geschmacks braucht es nur wenige Arbeitsschritte und eine Hand voll natürlicher Zutaten wie Gewürze oder Kräuter, um das Aroma zu verfeinern, ein paar Nuancen zu ergänzen und ein hochwertiges Fleischersatzprodukt herzustellen. Auch die Wahl der richtigen Pilzart hat großen Einfluss auf Aroma und Textur der Biomasse. Mit der richtigen Pilzart lässt sich also eine Biomasse herstellen, die Fleisch in Aroma und Textur bereits sehr ähnlich ist.

Sie haben den geringen Ressourcenverbrauch angesprochen. Welche Ressourcen meinen Sie konkret?

Rizk: Da das Wachstum vertikal in einem geschlossenen, kontrollierten Prozess stattfindet, können wir Wasser und Energie sehr effizient einsetzen und sparen Zeit. Das Myzel benötigt ca. 98 % weniger Wachstumszeit als Soja. Außerdem benötigen wir nur wenig Platz und keinerlei Pestizide oder Dünger, wodurch Raum für mehr Biodiversität frei wird. Der Prozess ist außerdem völlig unabhängig von Umwelteinflüssen und kann überall auf der Welt umgesetzt werden, was für kurze Transportwege sorgt.

Bis wann rechnen Sie damit, dass eine Produktion im industriellen Maßstab möglich sein wird?

Rizk: Aktuell unternehmen wir zusammen mit unseren Partnern die letzten Schritte auf dem Weg zur Skalierung auf ein industrielles Level. Neben der Produktion relevanter Mengen für den deutschen Markt steht für uns dabei natürlich die Sicherstellung einer gleichbleibenden Qualität im Fokus.

Muss Ihr Pilzmyzelprodukt nach der Novel-Food-Verordnung der EU zugelassen werden?

Rizk: Ja, wie jedes neue Lebensmittelprodukt muss auch unser Pilzmyzelprodukt den Novel-Food-Prozess der EU durchlaufen. Der Prozess sorgt für ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit in Europa, daher sind wir große Befürworter dieses Zulassungsverfahrens.

Wann werden Sie das erste Endverbraucherprodukt auf den Markt bringen?

Rizk: Wir werden dieses Jahr bekannt geben, wann unser erstes Produkt auf den Markt kommt.


Das Interview führte für Sie Claudia Bär

Redakteurin

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